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Video: rbb|24 | Grafik: Neele Westphal | 25.09.2019 | Quelle: dpa/Ralf Hirschberger

Datenauswertung zum Landtag Brandenburg

Zu wenige Frauen, zu viele Akademiker

Bei der ersten Sitzung des Landtags treffen sich am Mittwoch die neuen Vertreter des Volkes: 88 Abgeordnete, die von den Brandenburgern gewählt wurden. Eine Datenauswertung zeigt: Viele Gruppen sind unterrepräsentiert.

Die Abgeordneten sollen "den politischen Willen der Brandenburger zum Ausdruck bringen", so steht es in der Verfassung. Das Volk – das sind mehr als zweieinhalb Millionen Menschen. Die Abgeordneten – das sind 88 Personen, die am Mittwoch zur konstituierenden Sitzung des Landtags zusammenkommen. Jeder von ihnen hat seine eigene Persönlichkeit und wird durch Geschlecht, Herkunft, Religion oder Lebensstil in seinen Entscheidungen geprägt. Das wirft Fragen auf: Inwiefern repräsentiert das neue Parlament die Bevölkerung des Landes? Wie sind welche Gruppen vertreten?

rbb|24 hat sich mit einer Datenrecherche auf die Suche nach Antworten begeben.

Frauen sind im Landtag deutlich unterrepräsentiert

Ein Ungleichgewicht fällt im neuen Landtag besonders auf: die Geschlechterverteilung. Nur 28 der 88 Abgeordneten sind weiblich, das entspricht nicht einmal einem Drittel. In der Brandenburger Bevölkerung sind jedoch 50,7 Prozent Frauen. Würde das Parlament dieses Verhältnis abbilden, müssten 45 Abgeordnete weiblich sein.

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Dabei gibt es deutliche Differenzen bei den Parteien. Während die Sitze der Linken und Grünen paritätisch besetzt sind, schicken vor allem die großen Fraktionen deutlich mehr männliche Abgeordnete in den Landtag. Bei der SPD sind es 18 Männer und sieben Frauen, bei der CDU sind es elf zu vier. Die AfD zieht mit dem größten Ungleichgewicht ins Parlament: nur fünf der 23 Abgeordneten sind weiblich.

Damit in Zukunft mehr Frauen im Parlament sitzen, hat der Landtag Anfang 2019 ein neues Paritätsgesetz verabschiedet. Demnach müssen bei der nächsten Wahl zumindest auf den Landeslisten der Parteien gleich viele Männer und Frauen stehen.

"Frauen machen anders Politik als Männer"

Mit solchen Quoten können bestimmte Bevölkerungsgruppen zukünftig besser im Parlament abgebildet werden, bestätigt Lars Vogel, Politikwissenschaftler an der Universität Leipzig. "Frauen machen anders Politik als Männer, zum Beispiel bei Fragen der Gleichberechtigung", sagt er. "Es ist aber ein frommer Wunsch, dass durch die gleichere soziale Schichtung in einem Parlament eine völlig andere Politik herauskommt." Auch, weil die Abgeordneten vor allem für die Interessen ihrer Partei stehen.

Dazu kommt: "Auch wenn Frauen im Landtag proportional zur Bevölkerung vertreten sind, gibt es unter ihnen wiederum eine große Heterogenität", sagt Vogel. Deshalb müsse man den Blick auch auf andere Merkmale richten.

Es sitzen zu viele Studierte im Landtag

Auch beim Bildungsabschluss spiegelt der neue Landtag nicht die Verhältnisse in der Brandenburger Bevölkerung wider. Fast zwei Drittel der Abgeordneten haben studiert, unter den Brandenburgern beträgt der Anteil dagegen nur ein knappes Drittel.  Ein in dieser Hinsicht repräsentativ besetzter Landtag hätte also nur halb so viel Studierte im Parlament. Dafür fehlen 19 Menschen mit einer Ausbildung und elf* Menschen ohne beruflichen Abschluss.

Blickt man auf die einzelnen Parteien, zeichnen sich große Unterschiede ab. Die AfD repräsentiert die Bevölkerung hinsichtlich der Bildungsabschlüsse am ehesten, 13 der 23 Abgeordneten haben eine Ausbildung absolviert. Die anderen Parteien werden hingegen vorrangig von Akademikern vertreten: Bei den Grünen haben alle zehn Abgeordneten ein Studium abgeschlossen, bei der CDU sind es 12 von 15, bei der SPD immerhin 15 von 25.

Dass überproportional viele Abgeordnete studiert haben, ist laut Politikwissenschaftler Lars Vogel keinesfalls ein Brandenburger Phänomen. So hätten Menschen mit Studium eher gelernt, sich mündlich und schriftlich durchzusetzen – und das bringe wiederum bessere Chancen auf dem Weg zum Parlamentsmandat.

Laut Vogel hat das durchaus einen Einfluss auf die Debatten im Landtag. "Analysen zeigen, dass die Interessen von Personen mit geringer Bildung und geringem Einkommen in der Politik weniger berücksichtigt werden."  Es sei aber umstritten, ob dies daran liege, dass diese Gruppen kaum im Parlament vertreten sind oder weil die Abgeordneten weniger auf die Interessen dieser Bevölkerungsschichten achten, weil sie auch weniger wählen gehen.

Zu wenig Junge, zu wenig Alte

Rund 47 Jahre ist die Brandenburger Bevölkerung durchschnittlich alt. Beim neuen Landtag sieht das ähnlich aus, dort liegt der Altersdurchschnitt bei 49 Jahren. Doch die einzelnen Altersgruppen sind unterschiedlich gut im Parlament repräsentiert. Demnach müssten im Landtag fast doppelt so viele junge und deutlich mehr alte Abgeordnete sitzen. Die Menschen zwischen 31 und 65 Jahren sind hingegen stärker vertreten als in der Gesamtbevölkerung.

Die einzelnen Parteien unterscheiden sich hinsichtlich der Altersstruktur nur geringfügig. Die Linke ist mit einem Durchschnitt von rund 45 Jahren die jüngste, die Freien Wähler mit gut 52 Jahren die älteste Fraktion. Der jüngste Abgeordnete ist von der CDU und 25 Jahre alt.

Kaum Abweichungen bei der Stadt-Land-Bevölkerung

Menschen, die in Dörfern leben, fühlen sich von der Politik oftmals vernachlässigt. Am Wohnort der Abgeordneten kann dies jedoch nur bedingt liegen. Wie die Analyse zeigt, leben in etwa so viele Abgeordnete in der Stadt und auf dem Land, wie es proportional der Bevölkerung Brandenburgs entspricht.

Doch bei den einzelnen Parteien gibt es bei der Größe des Wohnorts deutliche Unterschiede. Während bei der AfD jeder vierte Abgeordnete auf dem Dorf lebt, ist es bei der SPD nur einer von 25. Bei den häufigsten Wohnorten der Parlamentarier führt Potsdam die Liste an, acht Personen wohnen dort. Jeweils drei Abgeordnete leben in Eberswalde, Cottbus und Blankenfelde-Mahlow.

Abgeordnete sind überdurchschnittlich gut angebunden

Gut ein Fünftel der Bevölkerung Brandenburgs lebt in einer Gemeinde, die keinen eigenen Bahnanschluss an den Regionalverkehr oder die S-Bahn hat. Diese Lebenswirklichkeit spiegelt der neu gewählte Landtag nur bedingt wider. Von den 88 Abgeordneten leben gerade einmal zehn in einer Gemeinde ohne direkten Bahnanschluss. Eigentlich müssten es 18 sein, um die Lage im Land abzubilden.

Die analysierten Ungleichgewichte im neuen Brandenburger Landtag sind aus Sicht von Politikwissenschaftler Lars Vogel nicht ungewöhnlich. "Die wenigsten Parlamente in repräsentativen Demokratien haben jemals ihre Bevölkerung widergespiegelt", erklärt er. Zudem gebe es bei den Wählern durchaus unterschiedliche Vorstellungen von einem idealen Parlament. Manche befürworteten ein Abbild der Gesellschaft, andere eine Regierung der Besten und Kompetentesten.

Doch ein Landtag, der sich hinsichtich bestimmter Kriterien zunehmend repräsentativ zusammensetzt, hat aus seiner Sicht vor allem einen symbolischen Wert: Er vermittelt das Gefühl, gehört zu werden. Ist dies nicht der Fall, könne die Skepsis und Distanz zur Politik größer werden, sagt Vogel. "Und das kann bei manchen auch zu Protestwahlverhalten führen."

* Korrektur: In einer vorherigen Fassung dieses Beitrags haben wir irrtümlich einen Studierenden der Gruppe mit Studienabschluss zugewiesen. Die Person studiert noch. Das haben wir korrigiert. Wir bitten, die Ungenauigkeit zu entschuldigen.

Beitrag von Daniel Tautz, Götz Gringmuth-Dallmer; Simon Wörpel, Datenrecherche für Datengui.de, gefördert durch das MIZ Babelsberg

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