Berlin-Wahlen für Kurzentschlossene
Was Sie als Staatsbürger über Ihre mächtigste Waffe – Ihr Stimmrecht - wissen müssen. Von Tina Friedrich
Alle fünf Jahre wählt Berlin seine Volksvertreter auf Landes- und auf Bezirksebene. Die Wahlen am 18. September 2016 sind also Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den zwölf Bezirksverordnetenversammlungen (BVV). Mit der Wahl gehen die Legislaturperiode und damit auch die Amtszeit des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD), der Senatoren und der Bezirksbürgermeister zu Ende. Die neue Legislaturperiode dauert regulär bis zum Herbst 2021. Einen nächsten Wahltermin gibt es aber noch nicht.
Um ins Abgeordnetenhaus einziehen zu können, muss eine Partei fünf Prozent der Wählerstimmen erhalten, für die BVV braucht sie drei Prozent der Stimmen. 21 Parteien sind von der Landeswahlleiterin zu den Wahlen zugelassen worden. Dafür mussten jene Parteien, die bisher nicht im Abgeordnetenhaus vertreten waren, fristgerecht ausreichend Unterstützerunterschriften abgeben.
Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus hat jeder Wahlberechtigte zwei Stimmen – eine für eine Partei auf Landesebene und eine für einen Direktkandidaten in seinem Wahlkreis. Bei den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen kann jeder Wahlberechtigte nur eine Stimme abgeben - und zwar für eine Partei oder eine Wählergemeinschaft in seinem Bezirk. Deshalb erhält jeder im Wahllokal drei Stimmzettel.
Die Zahl der Abgeordneten, die nach der Wahl tatsächlich im Abgeordnetenhaus sitzen, ist nicht in jeder Legislaturperiode gleich. Das Wahlergebnis der Zweitstimmen, also der Stimmen für eine Partei, bestimmt die Sitzverteilung der 130 Abgeordneten, aus denen das Parlament mindestens besteht. Über die Erststimmen können aber auch Kandidaten einziehen, die gar nicht oder nur auf einem hinteren Listenplatz stehen. Das sind die Überhangmandate. So kann es passieren, dass eine Partei deutlich mehr Sitze im Abgeordnetenhaus bekommt. Damit aber bei Abstimmungen das Kräfteverhältnis der Parteien im gesamten Plenum erhalten bleibt, bekommen dann auch andere Parteien zusätzliche Sitze zugesprochen. In der BVV kann sich die Zahl der Bezirksverordneten nur verringern: Wenn auf der Liste einer Partei nicht so viele Kandidaten stehen, wie nach dem Wahlergebnis einziehen dürften, bleiben diese Stühle leer.
Derzeit sitzen 149 Abgeordnete im Abgeordnetenhaus und 55 Bezirksverordnete in jeder BVV. Seit 2011 bilden SPD und CDU den Senat und eine Große Koalition im Abgeordnetenhaus. Zunächst war Klaus Wowereit (SPD) der Regierende Bürgermeister, er trat im August 2014 zurück. In einem Mitgliederentscheid bestimmte die SPD Michael Müller im Dezember 2014 zu seinem Nachfolger.
Was die Parteien wollen, steht in ihren Wahlprogrammen. Die Schwerpunkte liegen dabei auf den Themen Bildung, Wohnen und Innere Sicherheit. Was den Wahlberechtigten wichtig ist, hat die rbb-Abendschau gemeinsam mit der Berliner Morgenpost im BerlinTREND vom Juli abgefragt.
Wahlentscheidend ist demnach für 36 Prozent der Befragten, wie die Parteien Fragen der Integration und Flüchtlingspolitik beantworten. An zweiter Stelle steht das Thema Soziale Gerechtigkeit, das für 23 Prozent der Befragten wahlentscheidend sein wird. Danach folgen Bildung (17 Prozent) und Wohnen (14 Prozent), sowie Innere Sicherheit (11 Prozent).
Auf Bezirksebene ist nach rbb-Recherchen am wichtigsten, ob man eine bezahlbare Wohnung in Berlin findet. Gentrifizierung, die Verdrängung von alteingesessenen Mietern durch Mieterhöhungen, spielt dabei eine große Rolle. Ebenfalls besonders relevant in den Bezirken: Die Personalausstattung der Ämter, von Bezirksamt, über Jugendamt bis zum Bauamt – kurz, alle die Bereiche der Verwaltung, die die Wähler in ihrem Alltag am meisten betreffen.
Die Wahllokale sind am Sonntag von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Danach beginnt die Stimmenauszählung, die öffentlich ist und bei der jeder zusehen kann, der möchte.
Wahlberechtigt sind alle deutschen Staatsbürger, die seit dem 18. Juni 2016 in Berlin gemeldet sind. Darüber hinaus müssen alle, die das Abgeordnetenhaus wählen wollen, am Wahltag 18 Jahre alt sein, für die Bezirkswahlen 16 Jahre.
Die von den Wahlberechtigten gewählten Vertreter im Abgeordnetenhaus haben verschiedene Aufgaben:
Die Abgeordneten kontrollieren die Arbeit des Senats, indem sie mündlich oder schriftlich Fragen dazu stellen. Das ist in erster Linie eine Aufgabe der Opposition. Mündliche Fragen werden von den Senatoren und Staatssekretären im Plenum oder in den Ausschüssen beantwortet. Schriftliche Fragen werden auch schriftlich beantwortet und danach veröffentlicht.
Die Fraktionen im Abgeordnetenhaus können Gesetzentwürfe einbringen. Auch wenn sich mindestens 10 Abgeordnete zusammenschließen, können sie einen Gesetzentwurf einbringen. Der wird dann zunächst von den Fachausschüssen und dann im Plenum diskutiert. Wird ein Gesetz verabschiedet, muss es innerhalb von zwei Wochen im Amtsblatt veröffentlicht werden. Höchstens zwei Wochen danach tritt es in Kraft.
Das Abgeordnetenhaus ist für die Haushaltspolitik des Landes Berlin verantwortlich. Der Senat legt den Abgeordneten einen Haushaltsentwurf vor, über den das Plenum traditionell in der letzten Sitzung im Dezember vor dem Jahr, in dem der Haushalt in Kraft treten soll, abstimmt. Derzeit läuft der Doppelhaushalt 2016/2017. Die nächsten Haushaltsberatungen für die Zeit ab 2018 sind also in der zweiten Jahreshälfte 2017 zu erwarten.
Auf Bezirksebene sind die gewählten Vertreter vor allem für kommunale Dienstleistungen zuständig, also die Verwaltung. Die BVV stimmt aber beispielsweise auch über Bebauungspläne ab, befasst sich mit der Jugendhilfe und legt den Bezirkshaushalt fest (dem das Abgeordnetenhaus in seiner Haushaltsplanung zustimmen muss).
Die Bezirkspolitiker entscheiden zum Beispiel auch, ob bestimmte Kieze unter Milieuschutz gestellt werden. In diesen Gebieten müssen Luxussanierungen genehmigt werden, Wohnungen dürfen nur mit Erlaubnis zusammengelegt oder von einer Miet- in eine Eigentumswohnung umgewandelt werden. Das soll verhindern, dass die Mieten steigen und sicherstellen, dass viele verschiedene Menschen in einem Kiez wohnen können. Im Bezirk Mitte wurden zum Beispiel im Mai fünf Gebiete unter Milieuschutz gestellt.
Die BVV wählt mit einer Mehrheit das Bezirksamt, das aus dem Bürgermeister und derzeit vier Stadträten besteht. Anders als auf Landesebene werden bei dieser Abstimmung die Enthaltungen nicht mitgezählt. Das Bezirksamt ist die alleinige Verwaltungsbehörde des Bezirks.
Beitrag von Tina Friedrich
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