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Video: Brandenburg Aktuell | 29.03. 2021 | Larissa Maass | Quelle: dpa/Robert Michael

Protest auf Rathaustreppe

Kinderschuh-Protestaktion wird in Senftenberg kritisch diskutiert

Eine Protestaktion mit Kinderschuhen führt in Senftenberg zu Ärger. Videos von der Aktion und vom Entfernen der Schuhe werden in sozialen Medien geteilt, inklusive scharfer Kritik am Senftenberger Bürgermeister. Der sieht sich falsch dargestellt - und bietet Gespräche an.

Eine Protestaktion gegen die Coronamaßnahmen führt aktuell zu Diskussionen in Senftenberg (Oberspreewald-Lausitz). Bei dem Protest sind am vergangenen Donnerstag, wie bundesweit auch in anderen Städten, Kinderschuhe und Plüschtiere auf die Treppe des Senftenberger Rathauses gelegt worden. Sie wurden daraufhin, abermals unter Protest, von der Stadtverwaltung entfernt. Videos, in denen zu sehen ist, wie die Schuhe entfernt werden und in dem auch Senftenbergs Bürgermeister Andreas Fredrich (SPD) verbal angegriffen wird, werden aktuell in den Sozialen Netzwerken verbreitet.

Zu der Aktion aufgerufen hat das Bündnis "Eltern stehen auf". Die Initiative fordert auf Info-Flyern unter anderem Präsenzunterricht ohne Distanz- und Maskenpflicht und möchte Kinder nach eigenen Angaben von einem "Test- und Impfzwang" befreien.

Bürgermeister reagiert auf Vorwürfe

Fredrich reagierte auf die Vorwürfe in den Sozialen Netzwerken in einem Schreiben an die Senftenberger Stadtverordneten. Darin erklärt er, die bundesweite Aktion habe das Ziel gehabt, emotionale Bilder für die Sozialen Medien zu produzieren. Das geteilte Video mit einer Länge von etwa zwei Minuten stelle nicht des kompletten Sachverhalt dar. So hätten die Schuhe und Spielsachen eine Stunde auf der Treppe gelegen, bevor sie entfernt worden seien. Die Rathaustreppe sei nicht der Platz für politische Aktionen, so Fredrich.

Am Montag erklärte Fredrich gegenüber dem rbb zudem, dass ihn die Kinderschuhe deutlich an den Holocaust erinnerten, da große Mengen von Kinderschuhen in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten zurückgeblieben waren, nachdem die Kinder ermordet worden waren. "Das kann ich nicht tolerieren und das werde ich nicht tolerieren", so Fredrich.

Andreas Fredrich (SPD), Bürgermeister von Senftenberg | Quelle: rbb

Erst gesprächsbereit - dann Absage

Das Video zeige nicht, dass sich Fredrich während des Entfernens der Schuhe mit einigen Anwesenden unterhalten habe und sie zu einem Gespräch eingeladen habe. Das Angebot sei zunächst angenommen, später aber wieder abgelehnt worden, erklärte der Bürgermeister am Montag gegenüber dem rbb. Fredrich verweist zudem auf die Anstrengungen der Stadt Senftenberg möglichst kinderfreundlich zu sein. "Mir nun via Facebook zu unterstellen, mir wären Kinder 'nicht den Dreck unter den Fingernägeln wert', macht mich wütend und fassungslos", so Fredrich in seinem Schreiben an die Stadtverordneten.

Das Video, das unter anderem auf Facebook für teils üble Tiraden gegen den Senftenberger Bürgermeister gesorgt hatte, wurde von Silvio Wolf ins Netz gestellt. Das Mitglied der Senftenberger AfD-Fraktion erklärte gegenüber dem rbb, dass er kein Verständnis für das Handeln des Bürgermeisters habe. Einen Zusammenhang zum Holocaust könne er nicht herstellen, sondern sehe darin eher ein Instrument, um die Senftenberger Protestler zu diffamieren.

Vertreter aller anderen Senftenberger Stadtfraktionen und das Bündnis Demokratisches Senftenberg haben sich hingegen hinter Fredrich gestellt und unterstützen ihn.

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Unterstützung von weiteren Amtsträgern

Fredrich erhielt nach seiner Erklärung auch Unterstützung von anderen Amtsträgern. Der Vorsitzende der CDU Senftenberg, Andreas Pfeiffer, sowie der CDU-Kreischef Niko Gebel stellten sich mit dem zuständigen CDU-Landtagsabgeordneten Julian Brüning in einer Erklärung hinter den Bürgermeister der Stadt Senftenberg.

Man habe großes Verständnis für alle Eltern in dieser schwierigen Zeit. "Dennoch muss man klar feststellen, dass der deutschlandweit organisierende Verein 'Eltern stehen auf' ausgesprochen kritisch zu betrachten ist. Dieser warnt unter anderem öffentlich vor einem "Impfwahn", heißt es in der Mitteilung.

"Unter anderem in Senftenberg treiben bekannte Rechtsradikale - unter dem Deckmantel dieser Aktion - ihre politischen Ziele voran, instrumentalisieren Kinder und schüren Ängste. Wir verurteilen dieses Verhalten und die Angriffe auf den Senftenberger Bürgermeister auf das Schärfste und positionieren uns als CDU klar an seiner Seite", heißt es weiter.

Kritik von jüdischer Gemeinde

Die jüdische Gemeinde Brandenburg kritisiert die Kinderschuh-Aktionen ebenfalls. Dabei würden Symbole des Holocaust missbraucht, teilte die Gemeinde mit. So seien während des Holocausts Schuhe und Kleidung von ermordeten Kindern nach Deutschland geschickt worden, um sie zu verkaufen. Bei der Befreiung von Lagern seien Berge von Kinderschuhen gefunden worden, die nicht mehr verschickt werden konnten. Daher wecke die Aktion mit großen Mengen von Kinderschuhen Erinnerungen an den Holocaust.

Das Recherchekollektiv "Correctiv" wirft dem Bündnis zudem eine gezielte Desinformationskampagne vor. Diese richte sich mit Fehlinformationen zum Teil an Kinder: Sie vermitteln in Flyern zum Beispiel eine Gesundheitsgefahr durch Masken, erklären, dass Kinder die Testpflicht verweigern sollen, und suggerieren auch mögliche DNA-Speicherungen durch die Corona-Tests. Bei Flyern gegen die Impfkampagne wird angefügt, dass Impfen ein Eingriff in das menschliche Genom sei.

Sendung: Antenne Brandenburg, 29.03.2021, 16:40 Uhr

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