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Audio: Antenne Brandenburg | 04.05.2020 | Agata Horbacz | Quelle: rbb/Agata Horbacz

Lockerungen der Regeln

Polen lässt nicht alle Berufspendler über die Grenze

Polen hat den Grenzübertritt nach Deutschland für Pendler, Schüler und Studierende erleichtert. Aber Mediziner oder Pflegekräfte genießen diese Freiheit nicht und müssen weiterhin 14 Tage in Quarantäne - manche verzweifeln oder sind wütend. Von Agata Horbacz.  

Reger Betrieb herrscht vor der Stadtbrücke in Frankfurt (Oder). Seit Montag gilt die neue polnische Verordnung vom 2. Mai, die gelockerte Einreisebestimmungen für Berufspendler, Schüler sowie Studierende vorsieht. Sie sind von der Pflicht zu einer zweiwöchigen häuslichen Quarantäne befreit.

Proteste gegen Grenzkontrollen

Weil diese Ausnahmen bisher nur für Lkw-Fahrer und andere Transportdienste galten, haben viele polnische Staatsbürgerinnen und Bürger große Entbehrungen auf sich genommen. Um weiter in Deutschland arbeiten zu können, haben sie auf den Besuch ihrer Familien in Polen verzichtet - zum Teil für Wochen. Ihren Unmut über die Situation haben sie am 23. April bei einer Demonstration geäußert und gefordert: "Lasst uns nach Hause, lasst uns zur Arbeit".  

Auf der Frankfurter Stadtbrücke über der Oder protestieren Menschen gegen polnische Grenzregelungen. | Quelle: rbb/Stefan Kunze

"Ich sage kurz Hallo und gehe wieder über die Brücke"

Umso froher sind etliche Polinnen und Polen, dass die polnische Regierung nun die Bestimmungen etwas gelockert hat. Schon kurz nach Mitternacht haben sich die Ersten auf den Weg gemacht, am frühen Montagmorgen ist an der Grenzbrücke über die Oder viel los: "Es ist ein wunderbares Gefühl, dass man wieder über die Grenze fahren darf. Ich wohne in Slubice und seit fünf Wochen war ich nicht mehr zu Hause. Ich habe in Berlin gewohnt, bei einem Freund", sagt ein junger Mann.

Eine Frau sagt, dass sie ihre drei Kinder in Slubice seit anderthalb Monaten nicht gesehen habe. Währenddessen habe sie auf Frankfurter Seite gewohnt. Und ein weiterer Passant kann es noch nicht ganz glauben: Nach zwei Wochen Unterkunft in Frankfurt (Oder) will er die "neue Freiheit" nur kurz austesten. "Am Nachmittag gehe ich zurück zur Arbeit. Ich sage hallo, bleibe kurz bei meiner Familie und gehe wieder über die Brücke. Es ist doch eine gemeinsame Grenzregion, die für Grenzarbeiter offen bleiben soll", sagt er.

Frankfurter Schulleiter empfängt polnische Schülerinnen, die wegen der Grenzkontrollen nach Deutschland ziehen. | Quelle: rbb/Stefan Kunze

Nur Medizin- und Pflegepersonal bleibt außen vor

Viele polnische Kinder und Jugendliche gehen in Frankfurt (Oder) zur Schule. Bisher mussten auch sie beim Grenzübertritt für 14 Tage in Quarantäne. Weil inzwischen der Unterricht in Deutschland für einige Jahrgänge wieder begonnen hat, wohnen einige von ihnen inzwischen in einem Frankfurter Internat. Seit Montag können sie mit einer entsprechenden Schulbescheinigung die Grenze passieren.

Die einzigen, für die weiterhin die bisherige Einreiseregelung mit häuslicher Isolationspflicht gilt, sind Berufstätige aus medizinischen und pflegerischen Berufen. Der polnischen Regierung zufolge gehören sie zu beruflichen Risikogruppen.

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Kritik trotz Lockerung

Tomasz Majchrzak arbeitet als Techniker für Radiologie in Frankfurt (Oder), wohnt aber in Polen, 3,5 Kilometer hinter der Grenze. Er sieht sich persönlich diskriminiert. "Niemand will unsere Situation irgendwie verstehen", sagt er, "weder die Behörden in Slubice, noch die Grenzpolizisten".

Für viele Bewohner der Doppelstadt Frankfurt-Slubice ist die Lockerung an der Grenze nur eine Teillösung. Sie berücksichtigt nicht alle Pendlergruppen und auch Patienten, die das medizinische Angebot auf beiden Seiten der Oder nutzen, hilft sie nicht. Außerdem sorgen sich einige Anwohner, dass die Lockerung schnell wieder aufgehoben werden könnte. Schließlich wollen sie auch nicht stets darüber nachdenken müssen, ob sie alle nötigen Arbeitsbescheinigungen, Gewerbeanmeldungen oder Studienbescheinigungen dabei haben.

Beitrag von Agata Horbacz

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