rbb24
  1. rbb|24
  2. Wirtschaft
Quelle: dpa/Reuhl

Kommentar | Corona-Soforthilfe in Berlin

Der Staat hält ein Versprechen

Unbürokratische Hilfe verspricht die Politik seit Tagen. In Berlin wird das wahr, jedenfalls für Selbstständige und Kleinunternehmer. Ab Freitag können sie bis zu 15.000 Euro beantragen. Nach drei Tagen soll das Geld auf dem Konto sein. Gute Politik, meint Jan Wiese.

In der Corona-Krise ist vieles plötzlich möglich, was vor einigen Tagen noch undenkbar schien: Kitas und Schulen dicht, Läden geschlossen, Klopapier alle. Doch zu diesen unannehmlichen Überraschungen gesellt sich am Donnerstag tatsächlich eine positive Nachricht: Seit Tagen verspricht die Politik unbürokratische Hilfe für notleidende Selbstständige und Unternehmer in Berlin. Und siehe da: Da ist sie!

Seit Donnerstagmorgen sind die Bedingungen klar, unter denen sich Solo-Selbstständige, Freiberufler und Kleinunternehmen mit bis zu zehn Vollzeitstellen bei der Investitionsbank Berlin (IBB) einen Zuschuss besorgen können. Und wenn diese Bedingungen ein Prädikat verdienen, dann dieses: unbürokratisch. Online seine Steuer- und Personalausweisnummer eingeben, den eigenen Namen und den der Firma natürlich auch, dazu die Bankverbindung nicht vergessen - das war's. Es müssen keine, ja wirklich, keine Unterlagen hochgeladen werden. Wer hätte das gedacht?

Mehr zum Thema

Corona-Krise bei Selbständigen

Soforthilfe für Kleinunternehmer soll binnen Tagen fließen

   

Antragsflut wird zu Überlastungen führen

Klar, die Server müssen laufen, es ist ein Online-Antrag (abrufbar ab Freitag, 12 Uhr auf ibb.de, Anm.d.Red). Und das ist ein technisches Problem, denn die Antragsflut wird zu Überlastungen führen. Einige Tage wird es sicher dauern, bis alle ihren Antrag gestellt haben. Aber hat man dieses Nadelöhr erst durchstoßen, soll das Geld schon nach drei Tagen auf dem Konto sein. 5.000 Euro vom Land Berlin, dazu 9.000 Euro vom Bund für Unternehmen mit bis zu fünf Vollzeitkräften, 15.000 Euro vom Bund für Unternehmen mit bis zu zehn Angestellten. So einfach ist man als Selbstständiger wohl noch nie an einen staatlichen Zuschuss gekommen.  

Die Sparfüchse unter den Steuerzahlern werden jetzt sicher fragen, ob von dieser finanziellen Gießkanne nicht auch solche Unternehmen profitieren, die sich (noch) gar nicht in einer Notlage befinden? Sicher, das werden sie. Aber das ist eben der Preis dieser bürokratischen Enthaltsamkeit – wer sichergehen will, dass nur Notleidende profitieren, muss die Unternehmen überprüfen. Also Unterlagen anfordern, durchsehen, kontrollieren. Das kann dauern. Berlin hat sich für die andere Variante entschieden: schnelle Hilfe, und die geht nur unbürokratisch. Außerdem: Was ist so schlimm daran, wenn auch solche Unternehmen Geld bekommen, deren Existenz nicht schon mit der nächsten Leasingrate oder Mietenzahlung gefährdet ist? Warum sollten sie benachteiligt werden, nur weil sie vor der Corona-Krise ein Polster aufgebaut haben? Wäre natürlich toll, wenn sich diese Unternehmer am Freitag zurückhielten und nicht gleich ab 12 Uhr die Server blockierten.

Mehr zum Thema

Eine Milliarde Euro

Kenia-Koalition plant Verdopplung des Corona-Rettungsschirms

   

Blick nach Brandenburg genügt

Manch einer mag sich noch fragen, warum der Staat und im Speziellen das Land Berlin hier ein Lob verdienen? Sie selbst sind es doch, die mit Ladenschließungen und Kontaktverboten das Problem schaffen, so dass urplötzlich viele Selbstständige und Unternehmer vor dem Ruin stehen. Da ist dieses unbürokratische Vorgehen doch nur recht und billig.

Ist es nicht. Schon der Blick nach Brandenburg genügt, um zu sehen, dass sich nicht jedes Bundesland dazu durchringen kann, dem Wort "unbürokratisch" seinen vollen Gehalt zukommen zu lassen. Hier müssen Unternehmer weiterhin ihre Nachweise erbringen, schön ausgedruckt und nach dem Ausfüllen wieder eingescannt, als PDF-Datei ganz praktisch hochgeladen. Das wird wohl etwas länger dauern.

Land und Bund springen über ihren Schatten

Außerdem, und das ist der Kern, hat der Staat das Problem nicht selbst geschaffen. Denn das Problem ist ein Virus, der sich – leider – jeder staatlichen Kontrolle und Lenkung entzieht. Dieses Virus ist eine Gefahr für das Leben vieler Menschen, und auf diese Gefahr reagiert der Staat mit zahlreichen Einschränkungen, weil er die Gesundheit seiner Bürger höher schätzt als das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts.

Die Folgen dieser Entscheidungen wollen Bund und Land jetzt abmildern, und dafür springen sie über ihren Schatten. Für einen Staat, dessen Finanzämter in Normalzeiten jeder Dienstwagenfahrt ins eigene Zuhause als geldwerten Vorteil nachschnüffeln, ist dieses unbürokratische Vorgehen ein riesiger Schritt. Und dafür gebührt ihnen an dieser Stelle mein Applaus.

Beitrag von Jan Wiese

Artikel im mobilen Angebot lesen