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Quelle: imago images/westend61

Corona-Krise bei Selbständigen

Soforthilfe für Kleinunternehmer soll binnen Tagen fließen

Friseure, Fotoläden, kleine Cafés: Vielen Kleinunternehmern könnte schon im April das Geld ausgehen. Der Staat will unterstützen - und die Investitionsbank macht Hoffnung auf schnelle Hilfe. Von Jan Wiese, Adrian Bartocha, Oda Tischewski und Tina Friedrich

Wenn Simone Grewe ihren Job gut macht, kommt sie dem Gesicht ihrer Kunden sehr nah: Haarewaschen und Wimpernfärben geht nicht aus zwei Metern Abstand. Gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin leitet sie zwei Friseursalons in Mitte und Schöneberg. Bis vor wenigen Wochen brummten die Läden. Seit Anfang März häuften sich die Absagen. Zunächst stornierten ältere Kunden ihre Termine, dann begannen sich auch die jüngeren Sorgen zu machen. Was in Simone Grewes Beruf eigentlich normal ist, wird in diesen Tagen zum Risiko.

Friseurmeisterin Simone Grewe | Quelle: privat

Deshalb war sie auch zunächst erleichtert, als am Wochenende entschieden wurde, dass nun auch Friseursalons vorerst geschlossen bleiben. Doch an die Stelle der Sorge um das Infektionsrisiko der Mitarbeiter trat nun das finanzielle Risiko: zwei Läden, sechs Mitarbeiter, das Monatsende vor der Tür - ohne Zuschüsse sei das nicht zu schaffen, sagt sie. "Wir können diesen Monat noch bezahlen, aber dann ist Sense." Nun will sie die Hilfen der Regierung in Anspruch nehmen, um ihre Läden nicht dauerhaft schließen zu müssen. Einfach sei das bisher nicht gewesen, sagt sie: "Wir müssen Kurzarbeit beantragen, das Steuerbüro ist überlastet, den Banken sind die Server letzte Woche fast zusammengekracht, man ist kaum noch durchgekommen, die arbeiten alle mit verringertem Personal."

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Hoher bürokratischer Aufwand frisst Zeit

Auch Monika Wendt braucht jetzt dringend Hilfe. Sie hat ein kleines Fotofachgeschäft im Westend und ist auf den Kundenkontakt angewiesen. "Das ist ein sehr persönliches Geschäft. Ich habe auch keinen Online-Handel, weil ich denke, noch mehr Fahrzeuge in zweiter Spur kann die Stadt einfach nicht aushalten. Und ich möchte meine Kunden gerne beraten."

Zum 1. April muss sie Miete und Gehalt für zwei Angestellte überweisen. 10.000 Euro braucht sie innerhalb der nächsten Woche. Sie hat zwar ein paar Reserven, aber die sind mit der nächsten Miete aufgebraucht. "Noch einen Monat mehr kann ich nicht überleben. Mein Geschäft lebt von den laufenden Einnahmen, die täglich reinkommen. Ich habe Kurzarbeit beantragt, weiß aber noch gar nicht, inwiefern das dann vergütet wird oder wie schnell das geht."

Sie wollte sich um einen Kredit kümmern, verlor beim Anblick der langen Liste an Unterlagen und Dokumenten, die sie dafür beibringen müsste, jedoch den Mut. "Ich habe mich gefragt, ob sie sich geirrt haben, weil ich gedacht habe, das sei unbürokratisch. Die Liste der Formulare glich dem, was man ausfüllen muss, wenn man als Geschäftsperson einen Überziehungskredit haben will oder überhaupt einen Kredit, um irgendwas zu finanzieren." Das habe sie sehr viel Zeit gekostet.

Soforthilfen von Bund und Land

Kleinunternehmern wie Simone Greve und Monika Wendt versprechen Politik und Banken deshalb jetzt "unbürokratische" Hilfen mit weniger Papieraufwand. Der Bund stellt für die Soforthilfe 50 Milliarden Euro zur Verfügung. Das Land Berlin kalkuliert mit zunächst 200 Millionen Euro für die beiden Soforthilfe-Pakete, die jeweils auf insgesamt 600 Millionen Euro aufgestockt werden könnten. Wichtig für die Inanspruchnahme aller Hilfen: Die Unternehmen dürfen vor dem 11. März 2020 nicht in finanzieller Not gewesen sein und müssen nachweisen, dass die Probleme durch die Corona-Krise entstanden sind.

Pragmatische Hilfe geht vor

Die Programme heißen Soforthilfe. Doch was heißt "sofort"? Die Verfahren sollen so einfach und schnell wie möglich verlaufen, dennoch müsse man im Fall einer Kreditvergabe einige Mindestvorgaben beachten, sagt Tim Hesse, der bei der Commerzbank für die Unternehmerkunden in der Region Mitte und Ost verantwortlich ist. Jahresabschlüsse, eine Schufa-Auskunft und aktuelle betriebswirtschaftliche Auswertungen seien notwendig.

"Sollte im Einzelfall eine Unterlage davon nicht so schnell verfügbar sein, haben wir aber auch entschieden, hiermit pragmatisch umzugehen und dann auf Basis der vorliegenden Unterlagen eine Entscheidung zu treffen", fügt er hinzu. So sei es möglich, innerhalb weniger Tage - auch noch vor dem Monatsanfang – Geld zur Verfügung zu stellen. Das sei auch möglich, wenn die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) das Geld erst Mitte April freigibt. Die Commerzbank werde überbrückend einspringen, sagt Hesse.

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Zuschüsse binnen drei Tagen

Die Investitionsbank Berlin (IBB) will noch schneller sein, wie Vorstandsvorsitzender Jürgen Allerkamp dem rbb sagte. Wenn die Systeme dem Ansturm standhalten, dann hoffe er, dass die Anträge automatisiert bearbeitet und bewilligt werden können. "Da kann die Auszahlung dann binnen drei Tagen erfolgen. Da gehen wir davon aus, dass das in den ersten Apriltagen auch auf den Konten eingehen müsste."

Auch die zinslosen Darlehen sollen wesentlich leichter zu bekommen sein als übliche Kredite. Die Vorgaben, die ein Unternehmer oder eine Unternehmerin erfüllen muss, seien auf ein Viertel reduziert worden, so Allerkamp. "Wir verlangen beispielsweise kein ausgetüfteltes Sanierungskonzept, sondern wir wollen lediglich eine Liquiditätsvorschau für die nächsten zwölf Monate oder den Jahresabschluss, soweit er bereits vorliegt."

In der Zwischenzeit suchen Simone Greve und ihre Partnerin mit Hochdruck weitere Wege, um die Löcher zu stopfen. "Wir sind mittendrin, jeder Tag ist neu, mit neuen Herausforderungen, das ganze am Leben zu erhalten. Wir müssen einfach alles ausschöpfen, was da ist." Monika Wendt wird vermutlich ein Darlehen bei der IBB beantragen - und darauf hoffen, dass sie es vor dem 1. April ausgezahlt bekommt.

Sendung: rbb Spezial, 24.03.2020, 20:15 Uhr

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