Interview | Arbeitsmarkt
Während der Arbeitsmarkt in Brandenburg bisher vergleichsweise glimpflich durch die Corona-Krise gekommen ist, hat es Berlin deutlich härter getroffen. Warum das so ist, erklärt Doris Wiethölter vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung IAB.
Doris Wiethölter: Der Hauptgrund liegt darin, dass es nennenswerte branchenspezifische Unterschiede zwischen Berlin und Brandenburg gibt. So hat das Verarbeitende Gewerbe mit einem Anteil von 7,3 Prozent in Berlin ein geringeres Beschäftigungsgewicht als in Brandenburg mit 13,6 Prozent. Auch das Baugewerbe mit 4,5 Prozent zu 8,0 Prozent sowie im Bereich Verkehr und Logistik (4,7 Prozent zu 7,9 Prozent) spielen in Berlin eine geringere Rolle als in Brandenburg.
Dafür hat sich Berlin immer stärker zur Dienstleistungsmetropole entwickelt. In der Hauptstadt haben die Bereiche wirtschaftliche, wissenschaftliche und sonstige Dienstleistungen, Erziehung und Unterricht, Gastgewerbe und IT-Branche einen deutlich höheren Anteil an Beschäftigen als in Brandenburg.
In Brandenburg sind das Gesundheitswesen, Heime und Sozialwesen, Immobilien, freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen sowie Öffentliche Dienstleister vergleichsweise gut durch die Krise gekommen.
Vergleichsweise schlecht ist die Entwicklung in den Bereichen Arbeitnehmerüberlassung sowie dem Gastgewerbe, also der Gastronomie und Hotellerie gelaufen. Nicht ganz so stark, aber auch rückläufig ist das Verarbeitende Gewerbe und sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen sowie die Bereiche Verkehr und Logistik.
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Vergleicht man die aktuelle Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten mit den Zahlen der Vorjahresmonats, sind in Berlin die IT-Branche, das Baugewerbe, das Gesundheitswesen, Heime und Sozialwesen, Erziehung und Unterricht, Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, sowie Öffentliche Dienstleister vergleichsweise gut durch die Krise gekommen. Vergleichsweise schlecht hat es insbesondere das Gastgewerbe, also die Gastronomie sowie die Hotellerie und die Überlassung von Arbeitnehmern getroffen.
Die Berliner Wirtschaft war in vielen Bereichen zu einer Vollbremsung gezwungen. Viele Selbstständige und Beschäftigte aus den Bereichen des Tourismus, insbesondere das Gastgewerbe und die Hotellerie, die Kunst und Kultur, also Konzerte, Opern, Theater, Messe und Eventmanagement, Unterhaltung und Erholung sowie bei den unternehmensnahen Dienstleistungen prägen die Berliner Wirtschaft. Diese Branchen sind noch immer nicht oder nur eingeschränkt wieder am Start. Auch die Bereiche der sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (z. B. Reisebüros und Reiseveranstalter) und viele Bereiche des stationären Handels sind stark betroffen.
Außerdem ist Berlin eine Filmstadt und darüber hinaus fanden hier regelmäßig große Sportveranstaltungen statt. Insbesondere für Großveranstaltungen bleiben vor dem Hintergrund der Covid19-Pandemie die Aussichten ausgesprochen unsicher.
Nach IAB-Einschätzungen ist insbesondere bei eher kurzfristig angelegten Beschäftigungsverhältnissen (Zeitarbeit, Minijobs), die in vielen der betroffenen Bereiche (wie z.B. Gastgewerbe und Hotellerie) stark vertreten sind, ein Verzicht auf Entlassungen deutlich weniger wahrscheinlich. Auch in der Zeitarbeit, die Betriebe häufig als Puffer für konjunkturelle Schwankungen nutzen, wird mit beträchtlichen Auswirkungen gerechnet. Schließlich dürfte es zu einer deutlichen Zurückhaltung bei Neueinstellungen kommen.
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Im Bereich Information und Kommunikation gab es eine deutliche Zunahme der Beschäftigung. Die Krise erweist sich auch als Treiber der Digitalisierung. Sie zwingt Unternehmen und Institutionen, die Digitalisierung voranzutreiben und in Cloud-basierte Softwareanwendungen, mobile Arbeitsplätze Stichwort "Homeoffice" und Datenspeicher zu investieren.
Das Corona-Virus hat weitreichende Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt in allen Regionen Deutschlands. Viele Staaten, deren Volkswirtschaften stark vom Coronavirus betroffen sind, also zum Beispiel ausgewählte EU-Staaten, China oder die USA, werden auf absehbare Zeit ihre Nachfrage nach deutschen Vorprodukten, Investitions- und Konsumgütern sowie nach Tourismus-Dienstleistungen reduzieren. Dabei ist Berlin besonders vom fehlenden Tourismus betroffen, aber auch aufgrund von fehlender Nachfrage im Handel.
Das volle Ausmaß dieser globalen Auswirkungen ist noch nicht absehbar. Deutschland wäre aufgrund seiner Wirtschaftsstruktur (Industrieanteil) von diesen Entwicklungen besonders betroffen. Die Berliner Wirtschaft besitzt einen vergleichsweise geringen Industrieanteil von zuletzt 7,8 Prozent an der gesamten Bruttowertschöpfung. In Deutschland insgesamt sind es immerhin knapp 22 Prozent. Nach Einschätzungen der Investitionsbank Berlin war der geringe Industrieanteil in der letzten großen Krise 2008 sogar ein gewisser Vorteil vor einem zu starken Wachstums- und Beschäftigungseinbruch, so sind in der jetzigen Corona Krise eine Vielzahl der Berliner Dienstleistungsbereiche sehr stark betroffen. Danach dürfte Berlin 2020 je nach Betroffenheit der Branchen und Dauer der Schließung einzelner Betriebe mit einer Rezession in einer Bandbreite von fünf bis zehn Prozent gerechnet werden. Für Deutschland insgesamt könnte die Wirtschaftsleistung um knapp sieben Prozent zurückgehen.
Die Fragen stellte Götz Gringmuth-Dallmer für rbb|24.
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