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Video: Abendschau | 01.07.2020 | Störmann/Hermel | Quelle: dpa/S. Stache

Folgen der Corona-Pandemie

Easyjet halbiert Berliner Flotte - massiver Stellenabbau

18 statt 34 Flugzeuge, mehr als 700 Arbeitsplätze weniger beim fliegenden Personal: Easyjet plant offenbar massive Kürzungen an den Standorten Tegel und Schönefeld. Die Corona-Krise verschärfe die Probleme an den Flughäfen, heißt es intern. Von Oliver Noffke

Die Billigfluglinie Easyjet will nach rbb-Informationen an den Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld die Zahl der Flugzeuge und der Mitarbeiter massiv reduzieren. Dies geht aus internen Mitteilungen hervor, die offenbar versehentlich öffentlich einsehbar sind. Demnach sollen von den 34 für den Winterflugplan geplanten Fugzeugen 16 wegfallen. Parallel dazu soll ein Jobverlust für 738 Mitarbeiter in Kabine und Cockpit einhergehen, heißt es. Laut der Gewerkschaft Verdi beschäftigt Easyjet derzeit 1.540 Mitarbeiter an seiner einzigen deutschen Basis.

"Die Herausforderungen, die es bisher unmöglich gemacht haben, in Berlin profitabel zu sein, bestehen weiter und wurden durch Covid-19 verschärft", heißt es in einer der auf Englisch verfassten Mitteilungen, die von Stephan Erler am Dienstag abgesetzt wurde, dem sogenannten Country-Manager für Deutschland bei Easyjet. "Diese Vorschläge basieren auf unserer Analyse über die fehlende Profitabilität und den erheblichen Verlust, den die Basen [gemeint sind Tegel und Schönefeld, Anm.d.R.] verursachen", so Erler weiter. "Das übrige Netzwerk ist nicht mehr in der Lage dies auszugleichen."

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Über eine Kommunikationsagentur bestätigte Easyjet auf Anfrage von rbb|24, dass begonnen wurde, "mit der für die Kabinenbesatzungen und Piloten zuständigen Personalvertretung (PV) Konsultationen über Planungen zur Verringerung der Zahl der in Berlin stationierten Flugzeuge und Mitarbeiter aufzunehmen." Zahlen wurden nicht genannt. Geschäftsführer Johan Lundgren habe laut der Mitteilung von einer beispiellosen und schwierigen Zeit gesprochen. "Wir konzentrieren uns darauf, das zu tun, was für das Unternehmen, seinen langfristigen Bestand und seinen Erfolg richtig ist."

Innerdeutsche Strecken ab Berlin nicht mehr buchbar

Erler betonte in der internen Mitteilung, Berlin bleibe strategisch wichtig, zumal in den vergangenen Jahren erheblich in den Standort investiert worden sei. "Wir haben aber keine Wahl und müssen unser Angebot, unsere Flotte und Crewgröße entsprechend der aktuellen und zukünftigen Nachfrage anpassen."

Künftig werde man sich auf europäische Städte und Urlaubsziele konzentrieren. "Einige Strecken werden aufgrund fehlender Profitaussichten eingestellt werden", so Erler weiter, "dazu gehören auch die innerdeutschen Business-Angebote."

Seit Mittwoch kurz vor 10 Uhr können keine innerdeutschen Flüge mehr ab Berlin gebucht werden. Ursprünglich war geplant, die Verbindungen nach Düsseldorf, Köln, München und Stuttgart ab 7. September wieder aufzunehmen. Damit werden pro Woche mehr als 140 Flüge entfallen.

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Lütke Daldrup erwartet neuen Aufwärtstrend

Für die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) ist die Nachricht ein herber Schlag, denn Easyjet ist der mit Abstand größte Kunde an den beiden Flughäfen der Region. FBB-Chef Engelbert Lütke Daldrup betonte aber im rbb: "Easyjet hat sehr klar erklärt: Berlin bleibt die größte Basis für Easyjet außerhalb Großbritanniens." Zwar nehme das Unternehmen wie andere Airlines auch Verkehr aus Berlin heraus, dies werde aber nur vorübergehend sein, zeigte sich Lütke Daldrup überzeugt. Berlin sei insbesondere bei Privatreisenden stark nachgefragt. Dies werde auch weiterhin das Rückgrat darstellen. "Insofern denken wir, dass in der Erholungsphase in den nächsten zwei Jahren wir deutlich an Anteilen gewinnen werden", so Lütke Daldrup im Inforadio, "und auch wieder mehr Maschinen, auch von Easyjet, in Berlin eine Zukunft haben."

Easyjet selbst ist weniger optimistisch. Geschäftsführer Johan Lundgren schrieb ebenfalls am Dienstag in einer internen Mitteilung, dass er nicht erwarte, vor 2023 wieder das Niveau an Flugbewegungen von 2019 zu erreichen.

Flugpersonal geschockt von Umfang des Abbaus

In verschiedenen Foren, über die sich Flugbegleiter und Piloten austauschen, sorgten sowohl die Mitteilungen - als auch der öffentliche Zugang zu den Interna bereits seit Dienstag - für umfassende Diskussionen. Die Entscheidung kommt für die Mitarbeiter zu einem besonders emotionalen Zeitpunkt: Nach einer mehrmonatigen Pause hat Easyjet am 1. Juli den Flugbetrieb ab Berlin wieder aufgenommen.

Ein Flugbegleiter, der anonym bleiben möchte, sagte rbb 88,8: "Klar, war das jetzt ein Schock für uns." Die Belegschaft habe zwar mit dem Stellenabbau gerechnet, seit vor einem Monat Informationen dazu durchgesichert waren. In Gruppen auf Facebook und anderen sozialen Medien habe die Nachricht schnell die Runde gemacht: "Es war schon ein bisschen dramatisch, weil keiner hat damit gerechnet, dass es so eine große Zahl von Mitarbeitern treffen wird."

"Dass die Hälfte gehen soll, ist jetzt auch nicht mehr mit Corona zu erklären", sagte eine zweite Flugbegleiterin im Gespräch mit rbb|24. Auch sie möchte anonym bleiben. "Wir sind schon davon ausgegangen, dass es einen Stellenabbau geben wird. Aber dass es so hart kommt, ist wirklich enttäuschend."

Verdi nennt Entscheidung "nicht nachvollziehbar"

Verdi sprach am Mittwoch von einem "schwarzen Tag" für den Berliner Luftverkehr. "Diese Entscheidung ist für uns nicht nachvollziehbar und auch nicht mit den Pandemie-Folgen zu erklären", teilte Verdi-Luftfahrsekretär Holger Rößler mit. "Der BER wird im Herbst ans Netz gehen und dies eröffnet für den Flugverkehr von und nach Berlin neue Chancen." Warum Easyjet jetzt seine Präsenz in Berlin halbiere, bleibe im Dunkeln, so Rößler.

Die "aus unserer Sicht voreilige Entscheidung" werde wirtschaftliche Folgen für den neuen Flughafen BER haben, so der Verdi-Sprecher weiter. "Easyjet hat damit geworben, ein sozial verantwortlicher Arbeitgeber zu sein. Jetzt werden wir das Unternehmen an den eigenen Ansprüchen messen und erwarten, dass die Kürzungspläne überdacht werden. Wir werden um die Arbeitsplätze in Berlin kämpfen", so teilte Rößler mit.

Drei Stationen in Großbritannien sollen geschlossen werden

Bereits seit einigen Wochen ist bekannt, dass die lange Zeit überaus profitable Easyjet insgesamt 30 Prozent ihres Personals einsparen möchte. Durch die Pandemie und die damit einhergehenden Flugbeschränkungen wurde die Airline ebenso wie ihre Konkurrenz vor massive Probleme gestellt. Zudem setzt der Brexit dem ursprünglich rein britischen Konzern zu. Aufgrund der damit verbundenen Unsicherheiten hat Easyjet bereits einen Ableger in Österreich gegründet, um flexibler auf das noch nicht ausgehandelte Verhältnis zwischen EU und Großbritannien reagieren zu können. Ebenso gibt es mittlerweile einen Ableger in der Schweiz.

CEO Lundgren teilte am Dienstag ebenfalls mit, dass der Umbau Großbritannien weitaus härter treffen werde. "Mit großer Bestürzung müssen wir mitteilen, dass wir die Schließung der Stationen in London Stansted, London Southend und Newcastle ins Auge fassen", so Lundgren in einer Hausmitteilung, die zunächst ebenfalls öffentlich einsehbar war. "Auch der Rest des UK-Netzwerkes wird überprüft."

Sendung: Abendschau, 01.07.2020, 19.30 Uhr

Beitrag von Oliver Noffke

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