rbb24
  1. rbb|24
  2. Politik
  3. Neuer Landtag in Brandenburg

Serie "Wahlfahrt" | Inforadio | 20.08.2014

Die Kohle, die spaltet

In der Lausitz wünscht sich so mancher das Ende des Braunkohle-Tagebaus – vor allem in Dörfern wie Atterwasch, die möglicherweise dem Baggerzahn zum Opfer fallen werden. Doch im nahen Jänschwalde, wo das große Kohlekraftwerk gute Jobs bietet, sieht man die Sache ganz anders. Von Alex Krämer

Überall in Atterwasch sieht man in diesen Tagen Plakate. "Wir wehren uns", steht an einem Gartentor. "Atterwasch bleibt", heißt es auf dem Plakat vor der Kirche. Sieben Jahre ist es her, dass der Energiekonzern Vattenfall angekündigt hat, dass er unter dem 200-Einwohner-Dorf Kohle abbauen will. Das Planungsverfahren läuft noch.

Zum Hören

Serie "Der rote Stuhl" | Brandenburg aktuell | 20.08.2014

Die Kohle gibt, die Kohle nimmt

Der kleine Ort Grabko im Spree-Neiße-Kreis soll abgebaggert werden - geht es nach der Landesregierung und dem Stromkonzern Vattenfall, muss er dem Braunkohle-Tagebau Jänschwalde-Nord weichen. In Kraftwerk Jänschwalde freut man sich darüber, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Hanno Christ fragt an beiden Orten nach, was die Politik tun soll.

Sieben Jahre Unsicherheit, seufzt Matthias Bernd, Pfarrer in Atterwasch:  "Stellen Sie sich vor, jemand kriegt die Diagnose, dass ein Schatten auf seiner Lunge ist, aber man weiß noch nichts Genaues. Dann lässt man ihn sieben Jahre lang hängen. Das wird unter Unmenschlichkeit abgerechnet. So ähnlich geht es bei uns auch." Nicht alle, aber die große Mehrheit der Atterwascher sei gegen den Tagebau, sagt der Pfarrer.

"Heimat ist da, wo wir geboren sind"

Einer der Gegner ist Ulli Schulz. Der Landwirt betreibt hier mit seinem Sohn einen Famlienbetrieb, 700 Hektar, seine Familie findet sich schon seit dem 30-jährigen Krieg in den Atterwascher Kirchenbüchern. "Wir gehen nicht", sagt Schulz.

"In der Anfangszeit hat man uns erklären wollen, was Heimat eigentlich bedeutet. Vattenfall hat gesagt, Heimat sei da, wo man arbeitet und Geld verdient. Wir haben aber eine ganz andere Auffassung von Heimat. Heimat ist, wo wir hineingeboren sind, wo wir aufgewachsen sind, wo wir leben. Und wenn wir dann in dieser Heimat noch unser Geld verdienen können und dürfen, dann ist das Wort ausgeschöpft."

Azubis arbeiten gern im Kraftwerk

Von Heimat reden aber auch andere - Auszubildende im rund 20 Kilometer entfernten Braunkohle-Kraftwerk Jänschwalde. Für sie steht der Energiekonzern Vattenfall für gut bezahlte Jobs - und eine gute Ausbildung.

Marco Bedrich beispielsweise findet die Bedingungen vor Ort "ziemlich ideal". Außerdem habe er sich bei dem Konzern beworben, weil er mit seiner Heimat verbunden bleiben wollte. "Vattenfall ist in der Lausitz mit der einzige Großkonzern, bei dem man auch gute Zukunftschancen hat."

Der Azubi Fritz Strehle wünscht sich, dass das Kraftwerk "noch eine Weile" weiterläuft. Er verstehe natürlich die Leute, die ihre eigene Umsiedlung nicht so toll finden, sagt Strehle. "Andererseits muss man auch die Arbeitsplätze sehen und was in der Lausitz alles dran hängt. Das ist eine strukturschwache Region hier."

Neue Kohlekraftwerke passen besser zu Erneuerbaren

Maik Rolle, Betriebsratchef im Kraftwerk, sieht keine andere Branche, die der Lausitz ähnlich gut bezahlte, abgesicherte Jobs bieten könnte wie die Braunkohle. Außerdem seien die früher schwerfälligen Braunkohle-Kraftwerke jetzt viel flexibler und passten besser zu den erneuerbaren Energien:

"Wenn an einem guten Tag mit viel Sonne und viel Wind die erneuerbaren Energien viel Strom einspeisen, dann können wir unsere Kraftwerke runterfahren", sagt der Betriebsratschef. "In dem Fall senken wir unsere Leistung um die Leistung der Erneuerbaren. Das ist neu. Unsere Kraftwerke lassen sich besser regeln."

Unterschiedliche Positionen bei den Parteien

Klima schützen, Dörfer bewahren, Wirtschaftskraft erhalten, Stromversorgung sichern - dieses Spannungsfeld zeigt sich auch beim Blick in die Wahlprogramme.  Nur bewerten die Parteien es unterschiedlich: CDU, SPD und FDP sind für neue Tagebaue - die Grünen und die Linken dagegen.

Energie - Das wollen die Parteien

Die Ausgangslage

Was Energie angeht, ist Brandenburg doppelgesichtig. Es ist, erstens, führend beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Das erkennt man an den vielen Windrädern, die durchaus nicht unumstritten sind. Sie bieten zwar die preisgünstigste Möglichkeit, Strom aus regenerativen Quellen zu erzeugen. Aber viele Anwohner wollen sie nicht vor der Nase stehen haben. Manche Naturschützer sehen die Turbinen an einigen Stellen kritisch, weil Vögel und Fledermäuse hineingeraten können.

Brandenburg ist aber, zweitens, auch einer der größten Produzenten des klimaschädlichen Kohlendioxids. Der Pro-Kopf-Ausstoß ist außergewöhnlich hoch. Das liegt an den beiden Braunkohle-Kraftwerken Jänschwalde und Schwarze Pumpe, die sehr viel Strom erzeugen. Und: Der Braunkohle-Abbau bedroht Dörfer, drei weitere Orte müssen möglicherweise weichen.

Braunkohle-Gegner lehnen neue Tagebaue deshalb ab. Braunkohle-Befürworter dagegen sagen, Strom aus Braunkohle sei vergleichsweise günstig, er stehe anders als Windstrom dann zur Verfügung, wenn er gebraucht wird. Zudem sei die Braunkohle-Industrie wichtig für die Wirtschaftskraft der Lausitz.

SPD

Die SPD steht laut Wahlprogramm zur Energiewende und will, dass Brandenburg auch künftig führend beim Ausbau erneuerbaren Energien bleibt. Deshalb soll der Ausbau der Windkraft weiter vorangetrieben werden. Auch dadurch soll der CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2030 um 72 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden.

Solange erneuerbare Energien nicht ununterbrochen und in ausreichendem Umfang verfügbar sind, setzt die SPD zugleich weiter auf konventionelle Kraftwerke. Heimische Braunkohle ist für die Genossen von industriepolitischer Bedeutung, denn sie garantiere Versorgungssicherheit und wettbewerbsfähige Energiepreise. Im Gegensatz zu allen anderen Parteien findet sich im Wahlprogramm der SPD nichts über ein Zukunftskonzept für die Lausitz für die Zeit nach der Braunkohle, auch das Thema CCS klammert die Partei aus.

Energieeffizienz, Speichertechnologien und Energiemanagement sollen Forschungsschwerpunkte an Brandenburger Hochschulen werden, plant die SPD. Die neu geschaffene BTU Cottbus-Senftenberg soll dabei besonders unterstützt werden. Zudem sollen die Kompetenzen für die Energiepolitik in einem Ministerium gebündelt werden.

Hier geht's zum Wahlprogramm der Brandenburger SPD

CDU

Richtig konkret wird die CDU beim Thema Energie selten. Der Partei ist vor allem wichtig, dass die Energiepreise nicht weiter steigen – deshalb setzt sich die Union für eine Reduzierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien ein. Konkret soll der Mindestabstand von Windkraftanlagen zu Wohngebieten erhöht werden - hier hofft man offenbar, Stimmen von Windkraftgegnern zu gewinnen.

Die Braunkohle ist für die CDU für einen ausgewogenen Energiemix unverzichtbar. Investitionen in den Kraftwerkspark, Förderung der Braunkohleforschung, aber auch der respektvolle Umgang mit den vom Tagebau betroffenen Gebieten seien wichtige Punkte. Gemeinsam mit Bürgern und Unternehmen aus der Region und in Zusammenarbeit mit Sachsen soll ein langfristig ausgerichtetes Strukturkonzept für die Lausitz erarbeitet werden, das vernünftige Zukunftsperspektiven eröffnet.

Zu den Themen Klimaschutz, Energieeffizienz und Bürgerbeteiligung findet sich keine gesonderten Ziele im Wahlprogramm.

Hier geht's zum Wahlprogramm der Brandenburger CDU

Linke

Die Linken haben nach Ansicht ihrer Kritiker in der Energiepolitik Glaubwürdigkeit verspielt, als sie auf Druck der SPD dem Aufschluss neuer Braunkohlefelder (Tagebau Welzow-Süd II) zustimmten.

In ihrem Wahlprogramm bekräftigen sie nun, dass später - und zwar spätestens ab 2040 - in Brandenburg dann keine Braunkohle mehr verstromt werden soll. Den Neubau von Braunkohlekraftwerken lehnt die Linke ab. Das Planverfahren für den Tagebau Jänschwalde-Nord soll eingestellt werden, weitere Tagebaue nicht aufgeschlossen werden. Zu Welzow-Süd II finden sich allerdings keine Aussagen. Um den Ausstieg aus der Braunkohle sozialverträglich zu gestalten, sollen die bisher in der Braunkohle Beschäftigten "solidarisch eingebunden" werden. Die CCS-Technologie lehnt die Partei ab, außerdem will sie ein Klimaschutzgesetz entwickeln.

Zudem soll die technologieoffene Förderung von Projekten zur Speicherung erneuerbarer Energien deutlich vorangetrieben werden – und Brandenburg soll künftig enger mit Berlin zusammen arbeiten, um die Versorgung der gesamten Region mit 100 Prozent erneuerbaren Energien zu forcieren.

Hier geht's zum Wahlprogramm der Brandenburger Linken

Grüne

Die Themen Energiewende und Klimaschutz stehen bei den Grünen ganz oben auf der Agenda. Bis 2030 wollen sie den Strombedarf in Brandenburg und Berlin zu 100 Prozent aus grüner Energie decken, bis 2050 auch den Wärmebedarf. Der CO2-Ausstoß Brandenburgs soll bis zum Jahr 2050 um 95 Prozent gesenkt werden, verbindlich festgeschrieben in einem Klimaschutzgesetz.

Aus der Braunkohle wollen die Grünen spätestens bis zum Jahr 2030 aussteigen. Um den Ausstieg sozialverträglich zu gestalten, wollen die Grünen ein langfristig angelegtes Zukunftskonzept für die ganze Lausitz entwickeln und dafür "mit aller Kraft" auch Sondermittel des Bundes und der EU einfordern. Die Subventionen für den Braunkohle-Bergbau sollen beendet, die freiwerdenden Gelder in die Ansiedlung innovativer Unternehmen in der Lausitz gesteckt werden.

Beim Ausbau der erneuerbaren Energien wollen die Grünen die Gründung von Energiegenossenschaften, Bürgersolaranlagen und Bürgerwindparks fördern, damit die Bürger vor Ort stärker von dem Ausbau profitieren. Zudem soll die Energieeffizienz bei der Vergabe öffentlicher Leistungen zu einem verpflichtenden Kriterium werden, private Haushalte sollen mit einem Energiesparfonds beim Energiesparen unterstützt werden.

Hier geht's zum Wahlprogramm der Brandenburger Grünen

FDP

Konkrete Zahlen nennen die Liberalen im Energie-Kapitel ihres Wahlprogramms nicht. Sie wollen sich allgemein für die gezielte Förderung und den Ausbau regionaler Potenziale für erneuerbare Energien einsetzen und dafür die Bürgerbeteiligung verbessern. So sollen Bürger frühzeitiger in Planung, Umsetzung und in den Betrieb von Energieprojekten eingebunden werden, zudem sollen Bürgerenergieprojekte unterstützt werden.

Das Verhältnis der FDP zur Braunkohle ist gespalten. Einerseits ist sie für die Liberalen eine zur Deckung der notwendigen Grundlast besonders kostengünstige Technologie, die noch lange die Grundlast der Energieversorgung in Brandenburg tragen müsse. "Denkverbote" für die CCS-Technologie dürfe es nicht geben. Andererseits will sich die FDP dafür einsetzen, unverzüglich konkrete alternative Konzepte für eine zukünftige Versorgung ohne Braunkohle zu entwickeln.

Bei der Energieeffizienz und der energetischen Sanierung von Gebäuden will die FDP Förderung nur da, wo es sich wirtschaftlich rechnet, dafür aber eine stärkere Vernetzung und Förderung der regionalen Forschungseinrichtungen, die Energieforschung betreiben.

Hier geht's zum Wahlprogramm der Brandenburger FDP

Weitere Parteien

Beitrag von Alex Krämer

Artikel im mobilen Angebot lesen