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Audio: Inforadio | 13.04.2020 | Henrike Möller | Quelle: dpa/Caroline Seidel

Songs zur Corona-Krise

Tiefbedrücktes Klavier und Hip Hop mit Klopapier

Live-Auftritte sind nicht möglich, also verleihen Musiker und Musikerinnen ihrer Gefühlslage zu Hause am Klavier Ausdruck - manche auch in der Quarantäne-WG. Henrike Möller hat sich durch die Songs gehört, die dabei entstanden sind. Nicht alle haben sie überzeugt. 

Die meisten Corona-Songs wollen dasselbe: Trost spenden, Mut machen, Hoffnung geben. Das ist ja eine ehrenwerte Absicht, ufert im Fall der deutschen Gitarren-Pop-Band Silbermond aber in Kitsch und Pathos aus: "Auch wenn um uns grad alles wackelt, und es Abstand braucht, rücken wir die Herzen eng zusammen", heißt es in ihrem Corona-Song "Machen wir das Beste draus". Dazu tiefbedrücktes Klavier – zumindest so lange, bis die E-Gitarren den Silbermond-typischen Stadion-Flair reinspülen und der große Corona-Quarantäne-Mitsing-Moment beginnt: "Und wir sehen uns alle wieder – ohohoho." Er höre das Lied mit Tränen in den Augen, schreibt ein User auf YouTube. Ich nicht.

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Corona platzte mitten in die Tour

Der Corona-Song von Sebel, einem eher unbekannten Singersongwriter aus Recklinghausen, berührt mich aber irgendwie schon: "Wir können etwas schaffen, wenn wir als Menschen das Große und Ganze sehen und in den Kampf gehen gegen das Virus, weil wir alle zusammenstehen." Anfang März war Sebel auf Tour. Mit jedem Tag wurde ungewisser, ob der Auftritt am Abend der letzte sein würde. Irgendwann musste er die Tour wegen Corona abbrechen. Wieder zu Hause setzte er sich direkt ans Klavier: "Ich hatte das Bedürfnis über das, was in mir ist an Gefühlen, sprechen zu wollen und das rauslassen zu wollen."

Verschwörungstheorie in Folk-Rock

Redebedarf hat leider auch die Südtiroler Deutschrockband Frei.wild. Sie wird von Kritikern als rechtspopulistisch eingestuft. Ihr Song "Corona Weltuntergang" ist eine in Folk-Rock gegossene Verschwörungstheorie. Corona, Fridays For Future, #Metoo – diese jüngeren, globalen Entwicklungen seien nichts als Inszenierung, mit dem Ziel, Ängste zu schüren, behaupten Frei.wild. Wenige Wochen nach der Veröffentlichung von "Corona Weltuntergang" gab die Band jedoch zu, das Virus unterschätzt zu haben. Was sie aber nicht dazu bewegt hat, den Song und das Video, in dem Frei.wild am Ende provokant husten, aus dem Netz zu nehmen.

"Die Ärzte" nehmen`s lakonisch

Weltuntergang, Weltneuanfang? Das ist der legendären Deutschpunk-Band Die Ärzte alles viel zu hochtrabend. Sie gehören zu der Sorte Corona-Songwriter, die dem Thema mit viel Galgenhumor begegnet. "Ich sitze zu Hause und langweile mich", singt Bela B lakonisch, "Klopapier und Nudeln sammle ich nicht". "Ein Lied für Jetzt" ist zwar nicht die Comeback-Single, die ich mir von Die Ärzte gewünscht hätte, aber immerhin machen sie darauf Hoffnung auf ein baldiges, neues Album.

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Von verspielt bis wütend

Angenehm undramatisch und ungefühlig ist auch der Corona-Song des Berliner-Duos: Ricky Dietz. Dahinter verbirgt sich der kanadische Sänger Sway Clarke und der Berliner Peter Fox, Mitglied der bekannten Dancehall-Band Seeed. Mit ihrem Hip Hop/Afrobeat-Track "Don’t Touch My Face" demonstrieren Ricky Dietz, dass Corona durchaus tanzbar ist. Im Video spielen Leute mit Klopapierrollen Fußball und grooven mit Schutzkleidung gelenkig durch die Quarantäne-Wohnung.

Ist das Wut oder extrem schwarzer Humor? Da bin ich mir bei Luisa Martinez‘ Corona-Song nicht so sicher. Fakt ist: Ihre Hasstirade auf Leute, die sich einfach nicht an die Kontaktsperre halten wollen, holt mich ziemlich ab: "Du sitzt inmitten der Corona-Krise auf ’ner Wiese […] Triffst dich dort mit noch mehr dummen Deppen, die’s auch nicht checken […] Die Welt, sie krankt an solchen Grenzdebilen, die mit Leben spielen. Na Hauptsache es ist mal nicht deins." Der Song ist ein Cover des Tracks "Mad World", im Original von Tears For Fears. Passend gewählt, würde ich sagen.

Der einzig wahre Trostspender

Und dann wäre da noch die Hamburger Band Tocotronic. Ihr Corona-Song heißt zwar "Hoffnung", ist aber trotzdem ein ziemlich dunkles Lied. Kein "Wir schaffen das", ein "Wir halten zusammen." Und gerade deshalb – wegen seines Realismus, seines Nihilismus – vielleicht der einzig wahre Trostspender unter den zahlreichen Corona-Songs: "Ein kleines Stück Lyrics and Music gegen die Vereinzelung."

Die zitierten Song-Ausschnitte können Sie im Audio dieses Beitrags hören. Dafür klicken Sie bitte auf das Audiosymbol im Titelbild.

Beitrag von Henrike Möller

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