Spotify-Playlisten in Corona-Zeiten - Stubenhocker hören anders

Fr 17.04.20 | 08:40 Uhr | Von Anke Fink
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Ein Mann hört Musik (Quelle: imago images/Cate Brown)
Bild: imago images/Cate Brown

Unzählige Menschen müssen wegen der Corona-Pandemie zu Hause bleiben. Das verändert auch die Mediennutzung und Songauswahl, die der Streaming-Dienst Spotify registriert. Nostalgie und musikalische Klassiker sind gefragt. Aber nicht nur. Von Anke Fink

Gäbe es eine internationale Corona-Hymne, dann wäre es wohl "Don't Stand So Close To Me" (Steh' nicht so nah bei mir) der englischen Band The Police aus dem Jahr 1980. Dieses Lied ist nicht nur öfter im Radio zu hören, es wird auch deutlich häufiger abgerufen beim Musikstreamingdienst Spotify, den mehr als 270 Millionen Menschen weltweit nutzen.

Dem Unternehmen zufolge verzeichnete der Song allein in der Woche vom 19. bis 25. März einen Zuwachs bei den Streams von 135 Prozent: Das war der Zeitraum, als ein großer Teil der Weltbevölkerung verpflichtet war, zu Hause zu bleiben.

Don't Stand So Close To Me!

Kaum ein Song passt besser zu den derzeitigen Regeln des Abstandhaltens. Auch deshalb nahm der US-amerikanische Komiker und Late-Night-Talker Jimmy Fallon das Stück für seine "Tonight Show" gemeinsam mit dem ehemaligen Police-Sänger Sting und seiner Showband The Roots neu auf. Allerdings sind die zwölf Musiker nicht zusammen ins Studio gegangen: Pandemie-angemessen hat sich jeder mit eigener Kamera zu Hause aufnehmen lassen. Als Instrumente dienten unter anderem Turnschuhe, Kissen und eine Schere. Mehr als 1,7 Millionen Mal wurde das Video allein bei Youtube aufgerufen.

Bei Spotify lassen sich nicht nur Songs abspielen, sondern auch eigene Playlisten erstellen. Davon gibt es mehr als eine Million. Hunderte befassen sich inzwischen mit dem Corona-Virus. Eine der erfolgreichsten Playlisten ist laut einem Bericht von Deutschlandfunk Kultur die "Coronavirus Quarantine-Party". Über 200.000 Abonnenten hat die Playlist, die ironisch mit der Pandemie umgeht und Songs wie "Toxic" von Britney Spears enthält oder auch "U Can't Touch This" von MC Hammer.

Besonders erfolgreich: Wissenschaftliche Corona-Podcasts

Spotify gibt keine konkreten Zahlen zu Abrufen seiner User raus, sondern macht lediglich ausgewählte Angaben zu besonders starken Zuwächsen oder Trends einzelner Songs oder Podcasts. Das schwedische Unternehmen hat sich eigenen Angaben zufolge die vergangenen Wochen das Streamingverhalten seiner Nutzer genauer angeschaut. Fazit: Die Art und Weise wie gehört wird hat sich ebenso verändert, wie die Musik und Podcasts, die jetzt gefragt sind.

Die Nutzer hörten jetzt mehrheitlich vom heimischen Computer oder von smarten Lautsprechern und nicht mehr mit ihrem Handy auf dem Weg zur Arbeit. Und sie stellten sich nun häufiger Wiedergabelisten zu den Themen Kochen und Hausarbeit zusammen, heißt es.

Vor allem die Podcasts über Corona verzeichnen die höchsten Zuwächse: Weltweit registriert Spotify deutlich mehr Abrufe bei "Fact vs. Fiction" (CNN) oder "Coronavirus Global Update" (BBC). Im deutschsprachigen Raum ist es "Das Coronavirus-Update mit Christian Drosten" vom Norddeutschen Rundfunk (NDR). Laut dem NDR-Medienmagazin Zapp ist der im Februar gestartete Podcast, in dem der Virologe der Berliner Charité täglich berichtet, in allen relevanten Rankings auf den ersten drei Plätzen. In der Audiothek der ARD sei es das bisher erfolgreichste Format.

Songs aus der jeweils guten alten Zeit

Zur Zerstreuung allerdings setzen die Menschen offenbar auf Altbewährtes: Im Zeitraum 1. bis 7. April haben sich die Nutzer demnach mehr Playlists mit Klassikern und Lieblingsliedern aus alten Zeiten zusammengestellt. Dabei beruft sich Spotify auf Schlagwörter in den Titeln, etwa "oldies", "nostalgia" oder "throwback" (Rückblick). Diese Listen hätten um 54 Prozent zugenommen. Eine Playlist mit Songs der Nullerjahre und dem Namen "All Out 00s" ist demnach mit mehr als 8,1 Millionen Followern die meistgehörte Wiedergabeliste, gefolgt von einer Best-of-Liste der 1980er mit dem Titel "All Out 80s", die 7,1 Millionen Fans hat. Ein besonders oft gespieltes Stück aus den 80ern ist mit mehr als 2,3 Millionen Streams in der ersten Aprilwoche auf Spotify übrigens "Girls Just Want to Have Fun"von Cindy Lauper.

Nostalgie spendet Trost

Auch die Anzahl der gestreamten Stücke aus den anderen vergangenen Dekaden habe zugenommen, heißt es. Das Unternehmen vermutet, dass sich die Menschen mit dem Hören vertrauter Melodien selbst Trost spenden. "Die Klassiker bringen viele von uns in eine Zeit zurück, in der sich unser Leben einfacher anfühlte und wir mehr Kontrolle hatten”, zitiert Spotify dazu einen Verhaltensforscher in einer Pressemitteilung.

Der weltweit am häufigsten gestreamte Song aus den 1950er Jahren sei das Stück "Solitude" (Einsamkeit) von Billie Holiday. Die Anzahl der Abrufe stieg laut Spotify allein in der ersten Aprilwoche um 74 Prozent. In Deutschland ist einer der am meisten wiedergegebenen Songs der 50er Jahre "Put Your Head on My Shoulder" von Paul Anka.

Der Deutschen liebste Lieder

Der Blick auf die Musik-Abrufzahlen der ersten Aprilwoche in Deutschland könnte unter der Überschrift stehen: keine Experimente. Zu den am häufigsten gespielten Songs zählen: "Sweet Home Alabama” von Lynyrd Skynyrd, "Dancing Queen" von ABBA, "Under Pressure" von David Bowie & Queen, "Livin’ On A Prayer" von Bon Jovi, "Wonderwall" von Oasis, "I Want It That Way" von den Backstreet Boys oder "Wannabe" von den Spice Girls. Als einziges deutsches Stück hat es Nenas Megahit "99 Luftballons" auf die vorderen Plätze geschafft.

Azzurro, Abbracciame und andere Balkonlieder

In den besonders schwer von dem Corona-Virus betroffenen Ländern Italien und Spanien werden Lieder, die auf den Balkonen gesungen werden, besonders häufig bei Spotify gestreamt. Als die Italiener am 13. März das Liebeslied "Abbracciame" des Sängers Andrea Sannino an ihren Fenstern anstimmten, verzeichnete Spotify zugleich einen Anstieg bei den Streams dieses Stücks von 820 Prozent. Einen Tag später sangen sie "Azzurro", den Klassiker von Adriano Celentano, und der Streamingdienst registrierte eine gesteigerte Nachfrage von 715 Prozent.

In Spanien verzeichnete ein Durchhaltelied die höchste Nachfrage innerhalb eines Tages. Als der 80er-Jahre-Track "Resistiré" vom Duo Dinamico am 15. März in den sozialen Medien vielfach geteilt wurde, schnellten die Abrufzahlen laut Spotify um 435 Prozent nach oben. Resistiré bedeutet so viel wie: Ich werde es überstehen.

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Beitrag von Anke Fink

14 Kommentare

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  1. 14.

    silence in new york, corona song

    https://open.spotify.com/track/0h2TCNH0c9hbqFGEeTsxWQ?si=C3YoQmT1Ttm7HOdVaH8IKQ

  2. 13.

    Ach, und vergessen:

    Ich hör' ja - wie gesagt - auch mitunter durchaus anspruchsvolle, deutschsprachige Texte (wie zahlreiche Lieder von Reinhard Mey, Heinz Rudolf Kunze und Udo Jürgens).
    Einen keimfreien Gruß zurück.

  3. 12.

    Danke für den Tipp, doch enthält er für mich gleich zwei Gründe zur Voreingenommenheit:

    1. Weil der Bandname nach etwas klingt, das ich überhaupt nicht mag (= Techno).

    2. Weil ich (anders als es heutzutage en vogue ist) Vernunft für etwas absolut Notwendiges halte.

  4. 11.

    Für den Kontrast zu leichten deutschen Texten empfehle ich bspw. die Band Tocotronic, "pure Vernunft darf niemals siegen". Virenfreien Gruß

  5. 10.

    Hallo Markus. Danke für die Rückmeldung. Und ja, ich habe schon von vielen gehört, dass die PSB sehr sympathisch daherkommen. Auch privat. Sie lieben Berlin und Brandenburg. Zu den „Swans“ kann ich Dir als Einstieg unbedingt die Videos auf YouTube anraten. Leider hat sich diese Band aufgelöst. Kopfhörer nicht vergessen;-) Auch Die ein schönes und Stressfreies Wochenende im Garten. Alles Gute.

  6. 9.

    Ich liebe die PSB seit Mitte der 80er schon. Ich hatte auch mal das Glück, mich mit ihnen während einer Signierstunde zu unterhalten. Rammstein-Konzerte kann ich Dir nur empfehlen. Ich war schon auf vielen und es ging immer die Post ab. Und die Pyro-Show ist auch immer sehr schön. Das schönste Konzert habe ich in der Wuhlheide erlebt; da konnte ich mal das Schlauchboot anfassen, in welchem sich Flake durch die Besucher tragen ließ. The Swans sagte mir nichts; ich werde mal recherchieren. Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende und alles Gute.

  7. 8.

    Pet Shop Boys sind nun nicht so mein Ding. Meine Empfehlung um es mal so richtig krachen zu lassen, sind „ The Swans“ mit dem Album „ To be Kind“. Oder NIN. Rammstein möchte ich gerne mal Live erleben. Soll irre gut sein.

  8. 7.

    Oh, nichts gegen schöne Volkslieder. Bin damit aufgewachsen;-)“ Die Mundorgel“ läßt schön Grüßen. Wenn wir aus dem Kinderheim mal mit dem Bus irgendwo hingefahren sind, wurde kräftig gesungen. Was den Nonnen sehr gut gefiel. Habe vergessen zu erwähnen, dass ich auch Ray Charles sehr mag. Obwohl auch ein Fan von The Residents fand ich die Coverversion überhaupt nicht gut. Reinhard Mey ist Cool.

  9. 5.

    Natürlich Ray Charles. :-)
    Und wenn ich erstmal auf Tour bin, dürfen es sogar Volkslieder sein.
    Was Soul betrifft, habe ich zugegebenermaßen eine Schwäche für Joss Stone.
    Bessie Smith und Gregory Porter sagen mir leider wenig (schäm).
    Und wenn ich unterwegs mal so richtig gute Laune bekommen möchte, mache ich "Dream On" von Amy Macdonald an oder irgendetwas Witziges von Reinhard Mey (momentan ein schönes Statement gegen Gruppenaktivitäten und für Müßiggang: "Alle rennen").


  10. 4.

    Bei mir ist es eher umgekehrt:
    Da ich die Arbeit so zu organisieren versuche, dass der schwierigere Teil nicht schon am Anfang kommt, jongliere ich morgens und vormittags eher mit einer Mixtur aus musikalischen Wachmachern und textlichem Anspruch (den ich den Pet Shop Boys damit aber nicht absprechen will), also eher belanglosem Trallalla und solchen Dingen, auf die ich mich später nicht angemessen konzentrieren könnte.
    Mein Metier besteht da schwerpunktmäßig aus Pop, Schlagern, Soundtracks und Chansons.
    Einen Gruß von einem Galeerenruderplatz zum anderen.
    ;-)

  11. 3.

    Da stimme ich Ihnen zu. Bin auf der Arbeit und höhre gerade die Pet Shop Boys. Anschließend kommt dann als Kontrastprogramm Rammstein... :)

  12. 2.

    Meinen Sie mit „Hit Road Jack“ das Original von Ray Charles oder die Coverversion von The Residents. Kleiner Scherz. Ich höre bevorzugt guten Blues, Soul und Jazz. Doch bin ich unter anderem auch ein großer Fan von Ambient, Lounge Musik. Und ja, Bessie Smith, Billie Holiday, Nina Simone und der wunderbare Gregory Porter kommen bei mir verstärkt wieder auf den Plattenteller.

  13. 1.

    Wer wann welche Lieder abspielen lässt, dürfte auch situations- und ortsabhängig sein:
    Wenn ich mich während der Arbeit besonders konzentrieren muss, höre ich vorzugsweise gar nichts oder allenfalls Easy Listening / Lounge, wenn eher wenig Konzentration erforderlich ist, eher Fremdsprachiges und bei besonders einfachen Aufgaben kann es auch deutsche Musik sein.
    Und wenn sich das schöne Wetter hält, wird heute Nachmittag wohl eher "Hit the Road Jack" meine Hymne (oder das zugegebenermaßen weniger bekannte "Schönes Wetter heute" von Drogery).

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