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Interview | Filmproduktion unter Corona-Bedingungen

"Ich würde momentan keinen Film anfangen"

Alice Brauner hat die CCC Filmstudios von ihrem Vater übernommen und für rund 1,6 Millionen Euro saniert. Die Coronapause war ein harter Schlag, erzählt Brauner im Gespräch mit Juliane Kowollik. Im August rollen die Produktionen wieder an – mit harten Auflagen.

rbb: Wie schwierig ist die aktuelle Situation mit Corona für Ihre Filmstudios?

Alice Brauner: In unseren Studios war die Lage dramatisch. Die Hauptproduktion, die ZDF Mini-Serie "Ku‘damm 63“ (die UFA produziert die 3. Staffel), mit vielen bekannten Darstellern war mitten im Dreh und musste abbrechen - da war hier Stillstand. Die haben ihre Kulissen erstmal stehenlassen, weil wir alle nicht wussten, wie es weitergeht. Wir haben Nachfolgeproduktionen, die sich für den Sommer angemeldet hatten, verloren oder mussten diese absagen. Das ist schon eine schwierige Situation, denn wir haben ja in den Studios auch sehr hohe Kosten. Corona war für uns finanziell schon ein großer Einschnitt, aber ich möchte das auf keinen Fall mit der Unterstützung des Bundes oder der Stadt schaffen, sondern aus eigener Kraft. Wir wollen weder Kredite noch Subventionen irgendwelcher Art.

Zur Person

Dr. Alice Brauner ist Filmproduzentin, außerdem die Geschäftsführerin der CCC Filmstudios im Spandauer Haselhorst, Moderatorin und Journalistin. Sie wuchs in Berlin-Wilmersdorf auf und interviewte nach dem Studium an der FU Berlin Holocaustüberlebende im Auftrag einer Stiftung von Steven Spielberg. Ihren ersten Kinofilm ("Der letzte Zug") produzierte sie 2006 noch mit ihrem Vater, dem Filmproduzenten Artur "Atze" Brauner. 2012 erhielt sie die österreichische "Romy" als beste Produzentin eines deutschen Kinofilms ("Wunderkinder"). Bei Phoenix moderiert sie "Bilder der Geschichte".

Wie werden die Produzenten denn unter Coronabedingungen drehen?

Die Dreharbeiten der UFA beginnen wieder am 12. August, und dabei sind dann etliche Maßnahmen zu beachten: Unter anderem müssen die Schauspieler alle zwei Tage auf das Virus getestet werden. Alle die nicht gerade vor der Kamera stehen, sind verpflichtet, einen Mundschutz zu tragen. Es müssen Abstände eingehalten werden und jeder, der reinkommt, muss sich die Hände desinfizieren. Bei Liebes- oder Kussszenen muss entweder das Drehbuch geändert oder sich darauf verlassen werden, dass die Tests auch wirklich stimmen. Laut Produktionsleiter von "Ku’damm 63" haben sich dessen Drehtage von 41 auf 65 erhöht - und das bei ungefähren Kosten von 25.000 bis 30.000 Euro pro Tag.

Meine eigenen Produktionen habe ich zum Glück letztes Jahr schon abgeschlossen und musste deshalb als Produzentin keine Dreharbeiten abbrechen. Ich selbst würde momentan definitiv keinen Film anfangen, denn wenn im Team irgendjemand Corona bekommen sollte, müsste ich die Produktion sofort stoppen. Wir wären dann nicht ausfallversichert, denn keine Versicherung übernimmt die Kosten bei der Pandemie - und das ist für uns echt eine Riesenkatastrophe.

Was haben Sie in den letzten fünf Jahren in diesen alten Filmstudios alles erneuert?

Mein Vater hat die Studios 1949 aus einer Munitionsfabrik erschaffen. Der Untergrund unter den Studiohallen ist bis heute noch stark kontaminiert, die Gifte sind tief in den Boden eingesickert. Er hat in den 70 Jahren aber wenig renoviert, zwischendurch sind sogar zwei Studiohallen abgebrannt. Hier standen riesengroße Bauschuttruinen mit konterminiertem Material. Irgendwann haben mein Studioleiter und ich beschlossen, so kann das nicht weitergehen. Die Aussenfasade, die Büros, die Maskenräume, die Garderobenräume, die Sanitäranlagen, und die Küche wurden in den letzten fünf Jahren komplett neu gemacht, die Technik wird nach und nach saniert.

Ich liebe diese Filmstudios, das ist die Keimzelle der CCC, sogar der Filmstadt Berlin ehrlich gesagt. Während der Sanierung wurde "Terror- Ihr Urteil" (ARD) gedreht und danach die erste Staffel der ersten deutschen Netflix Serie "Dark". Das war ein Riesenerfolg und seitdem hat das gar nicht wieder aufgehört. Dann kamen Teile von "8 Tage" und von "Als Hitler das Rosa Kaninchen stahl". Wir haben seitdem fast nur noch nonstop volle Studios, und wir mussten viele Produktionen absagen, wie "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", weil wir einfach keine Kapazitäten mehr hatten. Vielleicht bauen wir auch hier auf dem Gelände deshalb noch eine neue Studiohalle.

Wie macht sich Haselhorst als Produktionsstandort, kann man es "Haselwood" nennen?

Für einen Filmstandort ist das mit das Beste, was man haben kann. Es liegt relativ zentral in der Stadt, man ist von der Stadtautobahn oder vom Kurfürstendamm in 15-20 Minuten hier. Trotzdem haben wir hier alle die Ruhe, die wir brauchen. Nur selten kommen mal Schaulustige. Und alle, die kommen, sagen: "Das ist totaler Luxus", denn wir haben hier 16.000 qm. Wir hatten neulich die amerikanische Produktion von "Queen‘s Gambit" hier, und der Regisseur war so begeistert, der sagte "endlich mal ein Studio, wo ich alles für mich habe und mir nicht alles mit zehn anderen Produktionen teilen muss". Das hat ihm super gefallen und für uns war das eine Riesenwerbung. Ich denke, dass wir hier mit unserer Lage einen großen Gewinn haben.

Kann sich Haselhorst mit den Studios in Adlershof oder Potsdam-Babelsberg messen lassen?

Babelsberg hat natürlich viel mehr Studios. Wir sind viel kleiner, haben aber mittlerweile auch große internationale Produktionen, die auch Venedigpreisträger ("Foxtrot") oder Cannesnominierte ("Hanussen") sind. Die wurden hier gedreht, weil es einfach beste Möglichkeiten gibt. Wir sind kein Fernsehlivestudio wie Adlershof, wir sind wirklich ein Filmstudio. Wir bieten große Hallen mit über 12 Metern Deckenhöhe. Wir haben uns mittlerweile auch international einen sehr guten Ruf erworben. Ich bin sehr stolz auf das, was wir erreicht haben. Mein Vater hatte mir noch vor fünf Jahren gesagt, er will die Studios verkaufen. Ich habe mich vehement dagegen gewehrt und er wollte mir keinen Cent geben, um die Studios zu sanieren. Ich konnte die Finanzierung glücklicherweise selbst realisieren, und das hier war die weiseste Entscheidung, denn immer mehr Serien und Filme kommen nach Berlin und ich denke, dieser Trend setzt sich fort - hoffentlich.

Vielen Dank für das Gespräch:

Das Interview führte Juliane Kowollik, rbb88,8.

Sendung: rbb88,8, Montag, 27.07.2020, 08:50 Uhr Uhr

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