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Quelle: Audio: Inforadio | 01.01.2019 | Gespräch Martin Krebbers mit Thomas Rautenberg

Ein rbb-Reporter erinnert sich

"Es wird wohl Zeit, dass der BER an den Start geht"

2020 soll der BER eröffnen. Dieses Mal aber wirklich. Thomas Rautenberg ist da vorsichtig. Er hat ein bisschen zu viel erlebt in den 23 Jahren als BER-Reporter. Dass ihn der neue Flughafen so lange beschäftigen würde, hätte er sich damals nicht vorstellen können.

Es war Ende Mai 1996. Ich war ein junger Reporter für den ORB und kniete zwischen Fernsehkameras und aufgestellten Mikrofonen. Mehr Platz zum Sitzen oder Stehen war nicht im Presseraum, denn alle wollten dabei sein, wenn Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann, Berlins Regierender Bürgermeister Eberhardt Diepgen und Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe gemeinsam den Standort des künftigen Flughafens Berlin-Brandenburg-International BBI  bekanntgaben.

Wetten machten die Runde: Wird in Sperenberg, Jüterbog oder Schönefeld gebaut? Für mich stand fest, dass es Sperenberg wird, vielleicht auch noch Jüterbog. Auf keinen Fall aber Schönefeld! Dafür hatte der Ort im Umweltvergleich der möglichen Standorte einfach zu schlecht abgeschnitten: Viel zu nahe an der Stadt, viel zu viele Anwohner im direkten Flughafenumfeld und kaum Raum für weiteres Wachstum.

Wie die Sache ausging, ist bekannt.  

rbb-Reporter Thomas Rautenberg | Quelle: Dieter Freiberg/rbb

Vom Spatenstich bis zum Untersuchungsausschuss

Die Jahre kamen und gingen. Ich berichtete über Planfeststellungsverfahren, Bürgerinitiativen und Umsiedlungspläne im Raum Schönefeld.  

2003 fusionierte mein Arbeitgeber ORB mit dem SFB: Der rbb entstand. Ich berichtete weiter über den geplanten Flughafen.  

Drei Jahre später waren dann alle da zum Spatenstich. Ab dann ging es um Baufortschritte, geplante Erweiterungen, steigenden Finanzbedarf, umstrittene Flugrouten und Lärmschutzklagen. Es folgten geplante und geplatzte Eröffnungstermine. Jetzt berichteten wir immer öfter über technische Schwierigkeiten, absehbare Kapazitätsprobleme und irgendwann dann auch über parlamentarische Untersuchungsausschüsse. Und natürlich immer wieder über das Führungspersonal.

Viele Hochgelobte mussten aufgeben

Wer war nicht alles angetreten, das Flughafenprojekt in Schönefeld an den Start zu bringen!

Da waren Flughafengeschäftsführer Rainer Schwarz und dessen Technikchef  Michael Körtgen, die Anfang 2012 das Scheitern des BER-Projektes öffentlich eingestehen mussten. Schuld waren sie erklärtermaßen nicht. Es übernahm Hartmut Mehdorn, der als neuer Flughafenchef  möglichst schnell  "Gummi auf die Pisten" bringen wollte. Keine zwei Jahre später gab er entnervt wieder auf: Sein Sprintteam war über technische und politische Hürden gestolpert. Auch Karsten Mühlenfeld scheiterte – er beherrschte zwar das technische Geschäft, begriff aber nicht, dass das BER-Projekt eine politische Baustelle war. Und die Technikchefs Horst Amann, Jochen Großmann und Jörg Marks versprachen viel, aber hielten wenig.

Es war schon erstaunlich. dass keiner der bei Jobantritt so Hochgelobten den Stillstand auf der BER-Baustelle überwinden konnte. Am Ende nahmen sie ihr Geld und verschwanden.

An Platzeck blieb nie etwas hängen

Besonders faszinierte mich im Laufe der Jahre aber einer der politisch Verantwortlichen: Nicht Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, über den schon viel erzählt worden ist. Nein, mich beeindruckte das Agieren von Matthias Platzeck. Brandenburgs Regierungschef war genauso eng mit der Flughafen-Pleite im Juni 2012 verbunden wie sein Berliner Amtskollege. An ihm ist aber kaum etwas von der Verantwortung hängen geblieben. Ich sehe ihn noch auf dem Flughafenpodium sitzen - der BER hatte gerade seine Bruchlandung hingelegt - da forderte er tatsächlich, der neue Airport solle spätestens im August, also nur drei Monate später, in Betrieb gehen.

Welchen Flughafen meint er? - haben wir Journalisten uns seinerzeit gefragt. Die Baustelle war doch gerade kollabiert! Konnte man als Vize-Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft tatsächlich so wenig über diesen Bau wissen?

Katz und Maus mit der Security

Einmal sollte ich von der Sitzung des sogenannten BER-Projektausschusses berichten. Das Gremium tagte hinter verschlossenen Türen im alten Konferenzzentrum des Flughafens Schönefeld.

Die Airport Security hatte die  Einfahrt zum Flughafengelände vorsorglich abgesperrt, kein Journalist sollte sich zufällig zum Tagungsort verirren. Also schloss ich mich den Verwaltungsmitarbeitern an, die der Kantine im alten Konferenzzentrum zustrebten. Und während die anderen aßen, saß ich vor dem Tagungsraum, hinter dessen Tür sich lautstark Klaus Wowereit und Hartmut Mehdorn fetzten. Ich versuchte, einen Sinn in das Geschrei zu bekommen. Da sprach mich der Security-Chef an, was ich hier machte (wir kannten uns bereits von vielen BER-Terminen). "Ich warte wie Sie", versuchte ich die Situation zu retten. Vergeblich – ich bekam Eskorte und flog raus. Mission gescheitert.

"Opa, gibt es eigentlich Monster?"

Seitdem ist viel Zeit vergangen. Ich bin um einiges älter geworden und berichte immer noch über den BER.

Neulich fragte mich mein Enkel: "Opa, gibt es eigentlich Monster?"

Was sollte ich sagen? Ja, ich habe eins gesehen? Draußen auf dem Flughafen. Ich habe dutzende Male davor gestanden. Eigentlich sollte es eine Brandschutz- und Entrauchungsanlageanlage werden.

Ich glaube, mein Enkel hätte das nicht verstanden. Zu gruselig ist die Vorstellung, dass  Ingenieure in Deutschland eine Anlage bauen, die sie dann selbst nicht beherrschen.

"Nein", sagte ich ihm, "es gibt keine Monster".

Abschied vom Bürgermeister

Im November habe ich Schönefelds Bürgermeister Udo Haase zu einem Abschiedsinterview getroffen. Er war 29 Jahre im Amt und ist dann bei den Wahlen nicht mehr angetreten.

Für seine Gemeinde hat Udo Haase alles erreicht: Eine Verdreifachung der Einwohnerzahl, eigene Schulen, ein Schwimmbad. Und zehn wildlebende Pferde traben durch einen extra angelegten Park. Nur die Eröffnung des neuen Flughafens wird er nicht mehr als Bürgermeister erleben. Das schmerze ihn sehr, gibt er offen zu und ich sehe, wie er sich eine Träne aus den Augen wischt. Für einen kurzen Moment sitzen wir einfach schweigend nebeneinander.

Qué será, será?

Ich frage mich, wie das wohl wird, wenn der Flughafen tatsächlich eröffnet. Auch mein Arbeitsalltag wird sich dann ändern: Keine nächtlichen Krisensitzungen mehr am BER, keine Endlosdebatten über Fehler oder Schuld in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen.

Fehlen werden mir ganz sicher die Kollegen, mit denen ich so viele Stunden vor  verschlossenen Türen bei den BER-Sitzungen zugebracht habe. Jeder neue Termin ist inzwischen wie ein Klassentreffen. Was gibt’s heute? - heißt es zur Begrüßung. Die Stimmung schwankt meistens zwischen Hoffnung und Fatalismus. Früher wurde immer erstmal der neueste BER-Witz ausgetauscht. Und heute? Selbst die Witze sind uns ausgegangen.

Auch von daher wird es wohl Zeit, dass der BER an den Start geht.

Beitrag von Thomas Rautenberg

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