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Quelle: dpa/Ralf Hirschberger

Drohendes Finanzdesaster am BER

Flughafengesellschaft unter Rechtfertigungsdruck

rbb-Recherchen weckten Zweifel an der Finanzplanung der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg. Das Unternehmen und die Senatsfinanzverwaltung widersprachen. Doch die Argumente widerlegen die Berichterstattung nicht. Von René Althammer

Seit Freitagmorgen könnte der neue BER ein Fall für den Bundesrechnungshof werden. Da hat das Büro von Sven-Christian Kindler, dem haushaltspolitischen Sprecher der Grünen im Bundestag, einen Brief an den Präsidenten des Bundesrechnungshofs abgeschickt. Kindler bittet den Präsidenten Kay Scheller, die "Finanzsituation der FBB" (Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg) zu überprüfen, da sich die finanzielle Lage der FBB in den Jahren 2021 bis 2023 scheinbar nicht so entwickeln wird, "wie es die Geschäftsführung darzustellen versucht". Laut Kindler ist außerdem völlig unklar, "welche finanziellen Belastungen auf den Bund in den kommenden Jahren zukommen, um eine Insolvenz der FBB wegen Zahlungsunfähigkeit abzuwenden."

Schon am Donnerstag hatte Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, die Einschaltung des Bundesrechnungshofs zur Überprüfung der Finanzplanung der FBB gefordert. Auch in Berlin, wo die Grünen mitregieren, machte sich die Fraktionsvorsitzende Antje Kapek für eine Überprüfung des Unternehmens durch die Rechnungshöfe der Länder Berlin und Brandenburg stark - und war sich dabei mit der oppositionellen CDU einig.

In Brandenburg drohte der flughafenpolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Thomas von Gizycki, dass seine Partei als Koalitionspartner weitere Gelder für den BER erst dann freigeben werde, wenn alle Zweifel ausgeräumt seien.

Anlass waren Berechnungen von rbb24 Recherche, nach denen die FBB die Erlöseinnahmen aus dem reinen Flugverkehr zu hoch angesetzt hat. Schon im Jahr 2021 hätte die FBB danach 135 Millionen Euro geringere Einnahmen als prognostiziert – ohne den Corona-Effekt.

Verhaltene Reaktion der Flughafengesellschaft

Die FBB reagierte eher verhalten. Nur auf dem Twitter-Account fand sich eine Stellungnahme: "Der FBB droht weder eine Insolvenz noch ein Finanzdesaster. Die Annahmen des rbb über die Erlössituation am BER sind nicht richtig", heißt es dort. Außerdem erklärte die FBB, dass "die Erlöse aus Gesamtentgelten (pro Passagier) am BER um 40% bis 50% in Relation zu den Bestandsflughäfen" Tegel und Schönefeld steigen würden. Auch die Senatsverwaltung für Finanzen geht in einer Stellungnahme von diesen Steigerungen aus.

Um was geht es dabei? Ein Flughafen verdient sein Geld zum einen mit dem reinen Flugverkehr, also dem, was Airlines für Start und Landung, die Benutzung der Flughafenanlagen und so weiter zahlen. Der Fachbegriff dafür lautet "Entgelte aus Aviation", die FBB nennt es "Gesamtentgelte". Hinzu kommen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung für Geschäfte, Restaurants oder Parkhäuser, der sogenannte "non-Aviation-Bereich".

rbb-Recherchen nicht widerlegt

In ihrer Stellungnahme verweist die FBB, wie dargestellt, auf weitere Einnahmen aus dem "non-Aviation-Bereich". Das war aber gar nicht Gegenstand der rbb-Berichterstattung.

Ausgangspunkt der Recherchen war die Aussage des Flughafenchefs im rbb Fernsehen, dass allein Einnahmen aus den Aviation-Entgelten um 70 Prozent gegenüber Schönefeld und Tegel steigen. Schon eine Woche später war von dieser Aussage keine Rede mehr. In einer Präsentation hieß es nur noch, dass die Erlöse aus Aviation-Entgelten gegenüber Tegel und Schönefeld um 42 und 46 Prozent steigen würden.

Diese Aussagen hat der rbb einem Faktencheck anhand der maßgeblichen Entgeltordnungen unterzogen. Das Ergebnis: Nach unserer Berechnung liegt die Steigerung nur bei 21 bis 23 Prozent. Auch der Bundesverband der deutschen Fluggesellschaften (BdF) kommt bei einer Erhebung zu einem ähnlichen Ergebnis. Er rechnet mit maximal 25 Prozent. Nur wenn eine Airline vom alten Schönefelder Terminal an das neue BER-Terminal wechselt, könnte es bis zu 40 Prozent teurer werden. Weder die FBB noch die Senatsfinanzverwaltung haben die BdF-Erhebung kommentiert.

Viele Fragen offen

Die Forderung von Abgeordneten der Regierungs- und Oppositionsfraktionen in Berlin, Brandenburg und im Bund, dass die Rechnungshöfe sich der FBB-Finanzlage annehmen sollen, ist der einzige Weg, Antwort auf die bislang offenen Fragen zu bekommen. In den kommenden Monaten werden die Parlamente über weitere Finanzhilfen zu entscheiden haben. Weitere Antworten dürften sich auch durch den am Freitag veröffentlichten Jahresabschluss für das Jahr 2019 ergeben, der den Lagebericht sowie die Chancen und Risiken der zukünftigen Unternehmensentwicklung beinhalten soll.

Beitrag von René Althammer

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