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Audio: Inforadio | 10.06.2020 | Kirsten Buchmann | Quelle: imago-images/Jan Tepass

Berlin will zum Normalbetrieb zurück

Elternvertreter kritisieren Lockerungen bei Kitas und Schulen

Schulen und Kitas in Berlin sollen so schnell wie möglich wieder für alle Kinder in vollem Umfang zugänglich sein. Das kündigte Bildungssenatorin Scheeres an - und erntet dafür Kritik. Die GEW und Elternvertreter befürchten Personal- und Hygienemängel.

Die Ankündigung von Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), dass Schulen nach den Sommerferien zum Regelbetrieb zurückkehren und in Kitas ab Mitte Juni alles wieder wie gewohnt laufen soll, sorgt bei Elternvertretern und Gewerkschaften für Kritik - und Lob. Scheeres hatte die Lockerungen am Dienstagnachmittag nach einer Sitzung des Senats vorgestellt. Demnächst soll also wieder Vollbetrieb in allen Schularten und Jahrgangsstufen möglich sein. Zudem soll dort die 1,50-Meter-Abstandsregelung fallen.

Der Landesschülerausschuss begrüßte die Öffnungspläne für die Schulen. Aus seiner Sicht besteht ein großes Verlangen nach normaler Schule. Zugleich fordert er, die Schulen digital besser auszustatten, um auf eine mögliche zweite Corona-Welle vorbereitet zu sein.

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Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) äußerte dagegen Kritik. Sie sieht es als verantwortungslos an, auf die Abstandsregeln zu verzichten und verlangt ausreichend Kapazitäten, so dass sich alle Beschäftigten einmal pro Woche testen lassen können. Die bisherige Teststrategie reiche nicht aus, so die GEW.

Der Berliner GEW-Vorsitzende Tom Erdmann sagte der Deutschen Presse-Agentur, es sei richtig, über Lockerungen nachzudenken, "Frau Scheeres reagiert aber nur auf den Druck der Elternschaft. Sie verliert völlig die Beschäftigten aus dem Blick."

Außerdem rate das Robert Koch-Institut (RKI) noch nicht dazu, die Abstandsregeln fallen zu lassen, wie die Senatsentscheidung es vorsieht. "Das heißt, sie setzt sich über dessen Empfehlungen hinweg. Das ist fragwürdig", so Erdmann. Die Gefahr, Schulen in Berlin bei Infektionsfällen wieder schließen zu müssen, sei durchaus realistisch. Dafür habe die Senatorin keine ausreichenden Pläne vorgelegt.

Scheeres sagte dagegen am Dienstag, es gebe einen Plan B für den Fall, dass sich die Situation dramatisch verschlechtern sollte. Ein Zurück zur aktuellen Situation solle es dann nicht geben. Es sei vorgesehen, auch dann mindestens die Hälfte des Unterrichts in der Schule  stattfinden zu lassen.

Quelle: rbb|24

Technische Ausstattung unzureichend

"Wir hätten uns gewünscht, dass die Senatorin Vorsorge dafür trifft, dass der Online-Unterricht halbwegs funktioniert ohne die Startschwierigkeiten, die wir jetzt erlebt haben", kritisierte der GEW-Vorsitzende Erdmann. Nötig sei unter anderem eine Strategie, wie Lehrkräfte mit Technik ausgestattet werden können, die kompatibel sei mit dem, was die Schüler benutzten. "Bisher machen die Lehrkräfte alles mit eigenen Geräten", sagte Erdmann. Die Bildungssenatorin habe es noch nicht einmal geschafft, dass sie eine dienstliche E-Mail-Adresse erhielten.

Schulleitungen beklagen fehlenden Plan B

Auch die Vereinigung der Berliner Schulleiterinnen und Schulleiter in der GEW fordert vom Senat einen Plan B für die Schulen, falls die Zahl der Neuinfektionen wieder steigt. Die Vorsitzende, Gunilla Neukirchen, sagte dazu am Mittwoch im rbb-Inforadio: "Wir erfahren zwei Wochen vor den Ferien, dass wir wieder im Regelbetrieb arbeiten werden". Im Fall von Neuinfektionen "gibt es keine Vorbereitung, keine Erläuterung, keine Regelung", beklagte sie. Neukirchen betonte aber, dass das nicht weiter schlimm sei, wenn die Schulen in so einem Fall eigenverantwortlich agieren könnten.

Sie sei überzeugt, dass jede Schule eigene Planungen für den Fall in der Schublade habe. "Dann kann es aber immer sein, dass der Senat andere Regelungen an die Schulen weitergibt, und man muss ganz schnell umplanen", so die Vorsitzende.

Neukirchen sagte, für den Fall, dass es wieder mehr Infektionen gibt und nur ein Teilbetrieb der Schulen möglich ist, erwarte sie vom Senat schnell Aussagen zu den Mindeststandards für den Unterricht. Dafür sei es wichtig, die Schulen digital besser aufzustellen. "Man müsste so schnell wie möglich Computer in die Schulen geben, damit sie diese an die Schüler ausleihen könnten. Es muss klare Konzepte geben, die die Schulen selbst entwickeln können. Da könnten die Schulen voneinander profitieren", regte Neukirchen an. Sie freue sich über die Vielzahl an Ideen, die in dieser Zeit entwickelt würden, von Senatsseite her sei es allerdings still.

Personalmangel in Kitas befürchtet

Auch die Lockerungen für Kitas stoßen auf Kritik. Elternorganisationen wie Kitakrise Berlin sind skeptisch, ob genügend Personal für die Rückkehr zum Normalbetrieb zur Verfügung steht. Denn mit der Rückkehr zum Normalbetrieb soll die gewohnte Früh- und Spätbetreuung wieder möglich sein. Scheeres sagte dazu: "Wir gehen davon aus, dass wir zum 1. August ein stabiles Kitasystem haben". Sollte es Engpässe geben, sollten in Absprache mit der Kita-Aufsicht individuelle Lösungen gefunden werden.

Sendung: Inforadio, 10.06.2020, 8 Uhr

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