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Audio: Inforadio | 10.07.2020 | Franziska Hoppen | Quelle: DPA/Jens Kalaene

Eltern und Kinderärzte überfordert

Viele Berliner Kitas verlangen Gesundschreibung bei jeder Schnupfnase

Eine laufende Nase ist bei Kindern im Kita-Alter ein fast alltäglicher Zustand. Die wenigstens sind dabei wirklich krank. Dennoch verlangen viele Berliner Betreuungseinrichtungen derzeit von Eltern eine Gesundschreibung. Das führt zu jeder Menge Problemen. Von Franziska Hoppen

Ein Corona-Ausbruch an einer Kita wäre für alle Beteiligten ein GAU. Mitarbeiter müssten in Quarantäne, Eltern stünden ohne Betreuung für ihre Kinder da, die dann wohl wieder zu Hause bleiben müssten. Um sich abzusichern, verlangen derzeit viele Träger von Berliner Kitas, dass Eltern ihre Kinder von einem Arzt gesundschreiben lassen, wenn es Erkältungssymptome zeigt, die auch bei einer Corona-Infektion auftreten können.

Dabei beziehen sie sich auf den Musterhygieneplan der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie. Dort heißt es: "Bei Symptomen einer Atemwegserkrankung, u.a. Fieber, Husten, Kurzatmigkeit, Abgeschlagenheit/Müdigkeit, Kopf- und Gliederschmerzen, Schnupfen, Halsschmerzen, Geruchs- sowie Geschmacksstörungen zu Hause bleiben." Da der Plan keine Verordnung, sondern nur eine Empfehlung ist, handelt jede Kita eigenverantwortlich.

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Für Eltern große Unsicherheit

Viele Eltern sind verunsichert und kritisieren die allgemeine Formulierung des Musterhygieneplans sowie seine weitreichenden Konsequenzen. "Es ist ja quasi gar nicht möglich, da noch arbeiten zu gehen", sagt Melissa Arnecke. Sie sollte ihren dreijährigen Sohn mit laufender Nase besser nicht in die Kita schicken. Ihr Alltag werde wieder durcheinander gebracht, sagt sie.

Im Herbst werde die Unsicherheit anwachsen, befürchtet sie. "Also ab September bis März könnten wir dann alle zu Hause bleiben, weil die Kinder durchweg immer irgendwelche Erkältungssymptome zeigen und man selbst ja vielleicht auch", sagt Arnecke. "Wenn man dann sieht, dass es nur zehn Krankschreibungstage fürs Kind gibt, ist das nicht machbar." Die Erkältungszeit kommt erst noch und die Unsicherheit wird wachsen.

Überlastung von Kinderarztpraxen droht

Die Kita-Träger beziehen sich nun offenbar auf einen Paragrafen, der eigentlich etwas anderes regeln soll, sagt Iris Brennberger, Pressesprecherin bei der zuständigen Senatsverwaltung. "Es gibt in dem Gesetz, das die Kitabetreuung regelt auch den Paragrafen, dass, wenn Kinder längere Zeit krank waren, dann die Kita eine ärztliche Untersuchung verlangen darf." Ein Attest, das aussagt, eine laufende Nase ist ungefährlich - offiziell gibt es so eine Gesundschreibung also gar nicht.

Das stört wiederum die betroffenen Ärzte. Jacob Maske, Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte sagt, Schnupfnasen seien nun mal an der Tagesordnung. "Jedes Mal eine Gesundschreibung für diese Kinder auszuschrieben, wäre erstens medizinischen unsinnig und zweitens teuer für die Eltern, weil das keine Kassenleistung ist", sagt Maske. "Drittens würde es die Arztpraxen so massiv überlasten, dass sie keine Zeit mehr hätten für wirklich kranke Kinder oder chronisch kranke Kinder." Pro Tag kämen derzeit zehn bis 20 hilflose Eltern in seine Praxis und würden nahezu um eine Gesundschreibung betteln. Die Kosten liegen bei mindestens 10 Euro pro Attest.

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Verbindliche Regelung wohl unwahrscheinlich

Um dieses Dilemma zu lösen, beraten verschiedene Berliner Akteure miteinander. Charité, Gesundheitsämter, die Kassenärztliche Vereinigung und Senatsverwaltungen wollen möglichst schnell eine neue landesweite Orientierungshilfe formulieren.

Falko Liecke (CDU), Stadtrat für Gesundheit Jugend in Gesundheit in Neukölln, gehört zu diesem Beratungskreis. Er hofft, dass es mehr als eine lockere Empfehlung geben wird. "Wir brauchen dringend eine einheitliche Regelung, die für alle Kitaträger verbindlich ist." Die Orientierungshilfe wäre also nur eine Anfang und die Erkältungswelle steht vor der Tür.

Sendung: Inforadio, 10.07.2020, 12.12 Uhr

Beitrag von Franziska Hoppen

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