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Audio: Inforadio | 12.10.2020 | Jörg Poppendieck | Quelle: dpa/Paul Zinken

"Das macht alles keinen Sinn"

Müller kritisiert Beherbergungsverbote

In den meisten Bundesländern gilt mittlerweile ein Beherbergungsverbot für Gäste aus Risikoregionen. Berlin gehört zu den Ausnahmen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller ist Kritiker der Maßnahme und will mit Bund und Ländern diskutieren.

Der Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat angekündigt, dass die von vielen Bundesländern beschlossenen Beherbergungsverbote bei der Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch noch einmal beraten werden sollen.

"Jetzt sehen wir bundesweit, wie die Zahlen mindestens insgesamt in allen Großstädten nach oben gehen. Beherbergungsverbote zum Beispiel zwischen Berlin und Brandenburg machen doch gar keinen Sinn", sagte er am Sonntagabend in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". "Wir haben Hunderttausende Pendler jeden Tag. Die begegnen sich im Einzelhandel, im Nahverkehr, auf der Arbeit. Und dann darf ein Berliner aber zwei Tage nicht im Spreewald übernachten. Das macht alles keinen Sinn."

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Die meisten Bundesländer hatten am Mittwoch beschlossen, dass Bürger aus Orten mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen bei Reisen innerhalb von Deutschland nur dann beherbergt werden dürfen, wenn sie einen höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test vorlegen können. Greifen soll dies für Reisende aus Gebieten mit mehr als 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen.

Das trifft beispielsweise Urlauber aus Berlin, wo am Montag die Herbstferien beginnen. Die gesamte Stadt gilt seit Donnerstag als Risikogebiet. Berliner können ohne aktuellen negativen Corona-Test unter Umständen nicht einmal im Nachbarland Urlaub machen, weil Brandenburg am Freitag ein Beherbergungsverbot für kommerzielle Unterkünfte erlassen hat.

Hotelverband rechnet mit Klagen

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach schloss sich Müllers Kritik an und sagte der "Süddeutschen Zeitung": "Da wurde ein Fehler gemacht, das müsste abgeräumt werden." Keine Studie zeige, dass das Reisen innerhalb Deutschlands ein Pandemietreiber sei. "Ich löse mit diesen Regeln also kein Problem, weil es da kein Problem gibt." Viele Details der Regelung wirkten zudem willkürlich. "Wenn man Regeln wie diese trotzdem aufrecht erhält, verliert man die Unterstützung der Bevölkerung für Regeln, die sinnvoll und wichtig sind."

Auch der Präsident des Deutschen Städtetages, der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), sprach sich dafür aus, das Beherbergungsverbot für Reisende aus Corona-Risikogebieten zurückzunehmen. Die Regelung sei "nicht durchdacht, da wird man noch mal rangehen müssen", sagte Jung den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag).

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Kritik kommt auch aus den Reihen der Ärzteschaft: Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, sagte am Wochenende, die Reisebeschränkungen gefährdeten die Akzeptanz für Maßnahmen, die wirklich etwas brächten. Außerdem würden die knappen Testkapazitäten verschwendet, so Gassen.

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) erwartet derweil noch in dieser Woche Klagen gegen das Beherbergungsverbot. "Ich gehe davon aus, dass hier in den nächsten Tagen Gerichtsverfahren anhängig gemacht werden", sagte Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges am Sonntagabend im "Bild"-Gesprächsformat "Die richtigen Fragen". Insbesondere das Übernachtungsverbot begegne erheblichen rechtlichen Bedenken.

Kanzleramtschef verteidigt Beherbergungsverbot

Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) verteidigte das Beherbergungsverbot dagegen. "Mecklenburg-Vorpommern hat als Ganzes eine Inzidenz von etwas um die 5, und Berlin über 60. Wenn es zu solchen Unterschieden im Infektionsgeschehen kommt, ist, glaube ich ganz klar, dass jeder sich schützen will, und dann ist so was am Ende unvermeidlich", sagte Braun am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin".

Das eigentlich Wichtige sei, dass die Städte unter die 50er-Grenze kommen, so Braun weiter. "Wenn wir das schaffen, ist auch der Reiseverkehr kein Problem." Das Beherbergungsverbot sei deshalb eine "echte Notfallmaßnahme".

Unterdessen melden immer mehr deutsche Städte eine 7-Tage-Inzidenz von mehr als 50 Neuinfektionen binnen einer Woche. Am Montag meldeten München und Duisburg das Überschreiten der wichtigen Warnstufe. Andere Großstädte wie Wochenende meldeten unter anderem Berlin, Köln, Frankfurt, Stuttgart, Essen, Bremen und Mainz waren schon zuvor über diese Marke gestiegen.

Sendung: Inforadio, 11.10.2020, 21 Uhr

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