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Kontakt der Kategorie I

Streit um Quarantänebruch des Fürstenwalder Bürgermeisters

In Fürstenwalde gibt es mächtig Zoff um Bürgermeister Matthias Rudolph. Er brach seine Corona-Quarantäne, warf seinen aufgebrachten Mitarbeitern Hysterie vor und legte sich mit den Stadtverordneten und dem Landrat an. Von Oliver Soos

Die Stimmung in der Pneumant Sporthalle in Fürstenwalde (Oder-Spree) ist am Donnerstagabend äußerst gereizt. Einige Stadtverordnete werden sehr laut an den Mikrofonen. Die angestaute Wut ist deutlich spürbar. Bürgermeister Matthias Rudolph (Bündnis Fürstenwalder Zukunft/Freie Wähler) redet mit leiser eindringlicher Stimme und wirkt dabei oft belehrend. Heftige Kritik prasselt auf ihn ein.

"Fürstenwalde hat ein Problem und das sind Sie, Herr Bürgermeister", poltert die CDU-Fraktionsvorsitzende Karin Lehmann. Der Linken-Fraktionschef Stephan Wende sagt: "Eine Entschuldigung wäre fällig, aber das können Sie nicht, weil Sie kein Unrechtsbewusstsein haben."

Der Bürgermeister entschuldigt sich zwar dafür, dass er bei seiner Teilnahme an der Hauptausschusssitzung die Mitglieder nicht über den Corona-Fall im Rathaus informiert hat, doch Rudolph macht den Stadtverordneten auch selbst Vorwürfe. Ihre Kritik an seinem Verhalten sei politisch motiviert. Die SPD-Stadtverordnete Juliane Meyer sagt, dass Rudolph seine Treue- und Fürsorgepflichten verletzt hat und bezeichnet ihn als "Schande für das Amt des Bürgermeisters".

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Quarantäne-Anordnung nicht ernst genommen

Was ist passiert? Am 28. Oktober wird der Bürgermeister informiert, dass einer seiner engeren Mitarbeiter an Covid-19 erkrankt ist. Rudolph kommuniziert das zunächst nicht im Rathaus, sondern besucht noch am selben Abend die Sitzung des Hauptausschusses - nach Aussage einiger Teilnehmer ohne Mundschutz. Er selbst widerspricht dieser Darstellung: Er habe einen Mundschutz getragen, den er nur an seinem Platz abgenommen habe. Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Pertenati sagt: "Ich kann mich erinnern, dass Sie mit mehreren Leuten intensive Gespräche geführt haben, wo Sie ganz dicht am Ohr waren".

Einen Tag später erhält Rudolph einen Anruf des Gesundheitsamts des Landkreises Oder-Spree, in dem er angewiesen wird, in häusliche Quarantäne zu gehen, da er als Kontaktperson der Kategorie I eingestuft worden sei. Am 30. Oktober folgt dazu eine schriftliche Information. Rudolph sagt, er habe sich am 29. Oktober in Quarantäne begeben, doch gleichzeitig räumt er ein, die häusliche Isolation am Tag darauf verlassen zu haben und ins Rathaus gegangen zu sein, "um Akten einzuholen". Er will seine Quarantäneanordnung nicht hinnehmen und beantragt beim Gesundheitsamt, seine Einstufung als Kontaktperson zu überprüfen.

Gesundheitsamt spricht von "relevantem Kontakt"

Seine Beweggründe erklärt er später in einem Gastbeitrag im Fürstenwalder Anzeigenblatt. Rudolph schreibt, dass er die Anweisungen des Gesundheitsamts als "noch nicht endgültig" angesehen habe, als einen "nicht nachvollziehbaren und nicht überprüfbaren Verwaltungsakt". Die bloße Tatsache, dass sein Name auf der Kontaktliste eines Infizierten gestanden habe, würde solche Eingriffe in die Grundrechte nicht rechtfertigen, so Rudolph. Seine "eigene selbstkritische Risikobewertung" habe ergeben, dass er sich nicht infiziert haben könne.

Matthias Rudolph ist seit Mai 2018 Bürgermeister in Fürstenwalde. | Quelle: dpa/Pleul

Der oberste Dienstherr des Gesundheitsamts Oder-Spree, Landrat Rolf Lindemann (SPD), widerspricht dieser Darstellung in einer schriftlichen Stellungnahme, die bei der Stadtverordnetenversammlung in Fürstenwalde vorgelesen wird. Demnach habe der infizierte Mitarbeiter dem Gesundheitsamt mitgeteilt, dass er einen "relevanten Kontakt" zu Bürgermeister Rudolph gehabt habe.

"Wir waren extrem verunsichert"

Lindemann beschreibt Rudolph als uneinsichtig. Er habe die Mitarbeiterinnen des Landkreises am Telefon in "unproduktive Diskussionen" verstrickt. Dabei habe die Sozialdezernentin Rudolph zu erklären versucht, dass die für ihn verhängten Quarantänemaßnahmen keine aufschiebende Wirkung hätten, auch wenn er noch rechtlichen Klärungsbedarf sehe.

Rudolph wendet sich an den Leiter des Gesundheitsamts, um als "Personal der kritischen Infrastruktur" eingestuft zu werden, damit die Quarantänezeit verkürzt wird. Der Amtsleiter lässt sich darauf ein. Doch laut dem Landrat wurde diese Einstufung schnell wieder aufgehoben. Dem Gesundheitsamtsleiter sei der gesamte Sachverhalt in seiner Komplexität nicht bekannt gewesen, denn mittlerweile sei eine Dienstaufsichtsbeschwerde in der Kreisverwaltung eingegangen und der Fall habe für einige Medienaufmerksamkeit gesorgt, so der Landrat.

Auch im Rathaus, wo sich die Geschichte herumgesprochen hatte, war die Aufregung groß, erzählt eine Mitarbeiterin des Bürgermeisters, die Gleichstellungsbeauftragte Anne-Gret Trilling. "Wir waren extrem verunsichert. Der Bürgermeister war noch in engem Kontakt mit mehreren Mitarbeiterinnen, nah im Büro, ohne Maske." Man habe ihn zur Rede gestellt. "Er hat lange Erklärungen abgegeben und uns vorgeworfen, wir würden Stimmung machen und Hysterie verbreiten", sagte Trilling.

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Rudolph spricht von DDR-Stasi-Methoden

Die Vorwürfe gehen noch weiter. Im Vorwort zu dem Zeitungsartikel des Bürgermeisters im Fürstenwalder Anzeigenblatt schreibt der Herausgeber von "ungebremster Hysterie, Denunziation und Bespitzelung" die Rede und von der "Allmacht der Hygienebehörden", die "politisch gegen jeden anwendbar" sei. Der Bürgermeister selbst zieht den Vergleich mit der DDR und der Stasi. Dem Landrat wirft Rudolph vor, nicht mit ihm über die Gründe seiner Einstufung als Kontaktperson kommuniziert zu haben, damit "ungestört und akribisch" eine Dienstaufsichtsbeschwerde vorbereiten werden könne. Rudolph schreibt: "Die dringenden Aufgaben der Verwaltung, die neuerdings so häufig öffentlich thematisiert werden, scheinen nicht so wichtig zu sein, wie den gewählten Bürgermeister der Fürstenwalderinnen und Fürstenwalder mit juristischen Mitteln aus dem Haus zu bekommen."

Landrat Rolf Lindemann weist das zurück. Sein Gesundheitsamt arbeite nicht willkürlich und er sei auch kein Mastermind einer düsteren Verschwörung. Lindemann wirft Rudolph vor, eine "paranoide Geschichte" gesponnen zu haben.

"Krokodilstränen nehme ich Ihnen nicht ab"

In der Fürstenwalder Pneumant Sporthalle ist Rudolphs Artikel auch großes Aufregerthema. Für den Stadtverordneten Stephan Wende von den Linken zeige er die Verachtung des Bürgermeisters gegenüber dem Gremium. Denn anstatt das beratende Gespräch zu suchen, informiere er die Stadtverordneten über das Anzeigenblatt, so Wende.

"Die Krokodilstränen, die Sie in der letzten Stadtverordnetenversammlung wieder geweint haben, was Sie doch für ein armes Opfer seien und uns dennoch die Hand reichen würden - diese Krokodilstränen nehme ich Ihnen immer noch nicht ab", sagte Wende.

Die Stimmung zwischen der Mehrheit der Fürstenwalder Stadtverordnetenversammlung und dem Bürgermeister ist schon länger vergiftet. Die Quarantänegeschichte hat noch einen draufgesetzt. Seit dem 4. November liegt ein negativer Corona-Test des Bürgermeisters vor.

Hinweis der Redaktion: Es handelt sich hier um eine leicht veränderte Fassung des Textes, den wir erstmals am 13.11.2020 veröffentlicht haben.

Bürgermeister Rudolph empfand einige Sachverhalte nicht vollständig dargestellt. Da das direkt am Abend der Stadtverordnetenversammlung auch nicht möglich war, haben wir den Text deshalb nun an einigen Stellen ergänzt und präzisiert.

Beitrag von Oliver Soos

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