Kontakt der Kategorie I - Streit um Quarantänebruch des Fürstenwalder Bürgermeisters

Mi 18.11.20 | 13:13 Uhr | Von Oliver Soos
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SVV Fürstenswalde (Quelle: rbb/Oliver Soos)
Bild: rbb/Oliver Soos

In Fürstenwalde gibt es mächtig Zoff um Bürgermeister Matthias Rudolph. Er brach seine Corona-Quarantäne, warf seinen aufgebrachten Mitarbeitern Hysterie vor und legte sich mit den Stadtverordneten und dem Landrat an. Von Oliver Soos

Die Stimmung in der Pneumant Sporthalle in Fürstenwalde (Oder-Spree) ist am Donnerstagabend äußerst gereizt. Einige Stadtverordnete werden sehr laut an den Mikrofonen. Die angestaute Wut ist deutlich spürbar. Bürgermeister Matthias Rudolph (Bündnis Fürstenwalder Zukunft/Freie Wähler) redet mit leiser eindringlicher Stimme und wirkt dabei oft belehrend. Heftige Kritik prasselt auf ihn ein.

"Fürstenwalde hat ein Problem und das sind Sie, Herr Bürgermeister", poltert die CDU-Fraktionsvorsitzende Karin Lehmann. Der Linken-Fraktionschef Stephan Wende sagt: "Eine Entschuldigung wäre fällig, aber das können Sie nicht, weil Sie kein Unrechtsbewusstsein haben."

Der Bürgermeister entschuldigt sich zwar dafür, dass er bei seiner Teilnahme an der Hauptausschusssitzung die Mitglieder nicht über den Corona-Fall im Rathaus informiert hat, doch Rudolph macht den Stadtverordneten auch selbst Vorwürfe. Ihre Kritik an seinem Verhalten sei politisch motiviert. Die SPD-Stadtverordnete Juliane Meyer sagt, dass Rudolph seine Treue- und Fürsorgepflichten verletzt hat und bezeichnet ihn als "Schande für das Amt des Bürgermeisters".

Quarantäne-Anordnung nicht ernst genommen

Was ist passiert? Am 28. Oktober wird der Bürgermeister informiert, dass einer seiner engeren Mitarbeiter an Covid-19 erkrankt ist. Rudolph kommuniziert das zunächst nicht im Rathaus, sondern besucht noch am selben Abend die Sitzung des Hauptausschusses - nach Aussage einiger Teilnehmer ohne Mundschutz. Er selbst widerspricht dieser Darstellung: Er habe einen Mundschutz getragen, den er nur an seinem Platz abgenommen habe. Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Pertenati sagt: "Ich kann mich erinnern, dass Sie mit mehreren Leuten intensive Gespräche geführt haben, wo Sie ganz dicht am Ohr waren".

Einen Tag später erhält Rudolph einen Anruf des Gesundheitsamts des Landkreises Oder-Spree, in dem er angewiesen wird, in häusliche Quarantäne zu gehen, da er als Kontaktperson der Kategorie I eingestuft worden sei. Am 30. Oktober folgt dazu eine schriftliche Information. Rudolph sagt, er habe sich am 29. Oktober in Quarantäne begeben, doch gleichzeitig räumt er ein, die häusliche Isolation am Tag darauf verlassen zu haben und ins Rathaus gegangen zu sein, "um Akten einzuholen". Er will seine Quarantäneanordnung nicht hinnehmen und beantragt beim Gesundheitsamt, seine Einstufung als Kontaktperson zu überprüfen.

Gesundheitsamt spricht von "relevantem Kontakt"

Seine Beweggründe erklärt er später in einem Gastbeitrag im Fürstenwalder Anzeigenblatt. Rudolph schreibt, dass er die Anweisungen des Gesundheitsamts als "noch nicht endgültig" angesehen habe, als einen "nicht nachvollziehbaren und nicht überprüfbaren Verwaltungsakt". Die bloße Tatsache, dass sein Name auf der Kontaktliste eines Infizierten gestanden habe, würde solche Eingriffe in die Grundrechte nicht rechtfertigen, so Rudolph. Seine "eigene selbstkritische Risikobewertung" habe ergeben, dass er sich nicht infiziert haben könne.

23.02.2019, Brandenburg, Fürstenwalde: Matthias Rudolph, Fraktionsvorsitzender des Bündnisses Fürstenwalder Zukunft (BFZ) und Bürgermeister der Stadt Fürstenwalde. (Quelle: dpa/Pleul)
Matthias Rudolph ist seit Mai 2018 Bürgermeister in Fürstenwalde. | Bild: dpa/Pleul

Der oberste Dienstherr des Gesundheitsamts Oder-Spree, Landrat Rolf Lindemann (SPD), widerspricht dieser Darstellung in einer schriftlichen Stellungnahme, die bei der Stadtverordnetenversammlung in Fürstenwalde vorgelesen wird. Demnach habe der infizierte Mitarbeiter dem Gesundheitsamt mitgeteilt, dass er einen "relevanten Kontakt" zu Bürgermeister Rudolph gehabt habe.

"Wir waren extrem verunsichert"

Lindemann beschreibt Rudolph als uneinsichtig. Er habe die Mitarbeiterinnen des Landkreises am Telefon in "unproduktive Diskussionen" verstrickt. Dabei habe die Sozialdezernentin Rudolph zu erklären versucht, dass die für ihn verhängten Quarantänemaßnahmen keine aufschiebende Wirkung hätten, auch wenn er noch rechtlichen Klärungsbedarf sehe.

Rudolph wendet sich an den Leiter des Gesundheitsamts, um als "Personal der kritischen Infrastruktur" eingestuft zu werden, damit die Quarantänezeit verkürzt wird. Der Amtsleiter lässt sich darauf ein. Doch laut dem Landrat wurde diese Einstufung schnell wieder aufgehoben. Dem Gesundheitsamtsleiter sei der gesamte Sachverhalt in seiner Komplexität nicht bekannt gewesen, denn mittlerweile sei eine Dienstaufsichtsbeschwerde in der Kreisverwaltung eingegangen und der Fall habe für einige Medienaufmerksamkeit gesorgt, so der Landrat.

Auch im Rathaus, wo sich die Geschichte herumgesprochen hatte, war die Aufregung groß, erzählt eine Mitarbeiterin des Bürgermeisters, die Gleichstellungsbeauftragte Anne-Gret Trilling. "Wir waren extrem verunsichert. Der Bürgermeister war noch in engem Kontakt mit mehreren Mitarbeiterinnen, nah im Büro, ohne Maske." Man habe ihn zur Rede gestellt. "Er hat lange Erklärungen abgegeben und uns vorgeworfen, wir würden Stimmung machen und Hysterie verbreiten", sagte Trilling.

Rudolph spricht von DDR-Stasi-Methoden

Die Vorwürfe gehen noch weiter. Im Vorwort zu dem Zeitungsartikel des Bürgermeisters im Fürstenwalder Anzeigenblatt schreibt der Herausgeber von "ungebremster Hysterie, Denunziation und Bespitzelung" die Rede und von der "Allmacht der Hygienebehörden", die "politisch gegen jeden anwendbar" sei. Der Bürgermeister selbst zieht den Vergleich mit der DDR und der Stasi. Dem Landrat wirft Rudolph vor, nicht mit ihm über die Gründe seiner Einstufung als Kontaktperson kommuniziert zu haben, damit "ungestört und akribisch" eine Dienstaufsichtsbeschwerde vorbereiten werden könne. Rudolph schreibt: "Die dringenden Aufgaben der Verwaltung, die neuerdings so häufig öffentlich thematisiert werden, scheinen nicht so wichtig zu sein, wie den gewählten Bürgermeister der Fürstenwalderinnen und Fürstenwalder mit juristischen Mitteln aus dem Haus zu bekommen."

Landrat Rolf Lindemann weist das zurück. Sein Gesundheitsamt arbeite nicht willkürlich und er sei auch kein Mastermind einer düsteren Verschwörung. Lindemann wirft Rudolph vor, eine "paranoide Geschichte" gesponnen zu haben.

"Krokodilstränen nehme ich Ihnen nicht ab"

In der Fürstenwalder Pneumant Sporthalle ist Rudolphs Artikel auch großes Aufregerthema. Für den Stadtverordneten Stephan Wende von den Linken zeige er die Verachtung des Bürgermeisters gegenüber dem Gremium. Denn anstatt das beratende Gespräch zu suchen, informiere er die Stadtverordneten über das Anzeigenblatt, so Wende.

"Die Krokodilstränen, die Sie in der letzten Stadtverordnetenversammlung wieder geweint haben, was Sie doch für ein armes Opfer seien und uns dennoch die Hand reichen würden - diese Krokodilstränen nehme ich Ihnen immer noch nicht ab", sagte Wende.

Die Stimmung zwischen der Mehrheit der Fürstenwalder Stadtverordnetenversammlung und dem Bürgermeister ist schon länger vergiftet. Die Quarantänegeschichte hat noch einen draufgesetzt. Seit dem 4. November liegt ein negativer Corona-Test des Bürgermeisters vor.

Hinweis der Redaktion: Es handelt sich hier um eine leicht veränderte Fassung des Textes, den wir erstmals am 13.11.2020 veröffentlicht haben.

Bürgermeister Rudolph empfand einige Sachverhalte nicht vollständig dargestellt. Da das direkt am Abend der Stadtverordnetenversammlung auch nicht möglich war, haben wir den Text deshalb nun an einigen Stellen ergänzt und präzisiert.

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Beitrag von Oliver Soos

33 Kommentare

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  1. 33.

    Mir missfällt die ständige Belehrung des Landrates Rolf Lindemann (SPD) von oben herab. Immer und überall sieht er angebliche Angriffe auf seine Mitarbeiter und auf das Landratsamt, so, wie in dem von Ihnen benannten Schreiben, wie auch in anderen öffentlich bekannt gewordenen Schreiben, siehe bspw. den skandalösen Fall Hannes Semisch. Oder, wie sich jetzt herausstellt, die Auslöschung der öffentlichen Pilzberatung im Landkreis Oder-Spree; die Internetseite wurde urplötzlich gelöscht. Begründung: Verstoß gegen Artikel 3 Grundgesetz. Da fehlt einem der Atem! Da staunt man immer mehr, was der aus Niedersachsen kommende Landrat Rolf Lindemann (SPD), der bei der Wahl von der heimischen Bevölkerung abgewählt wurde, an Gedankengut hat. Mir macht so etwas Angst!

  2. 32.

    Ich verstehe den Hype nicht. Was hat Rudolph eigentlich falsch gemacht? Die Festlegungen und Empfehlungen der Bundesregierung werden doch auf allen Ebenen ignoriert.

    siehe auch #10

  3. 31.

    Da ist das zweierlei Maß wieder. Als zur BER Eröffnung als die Infektion von Dietmar Woidke aufkam wurden die Kontaktpersonen eins (hohe Politker) auch nicht in Quarantäne geschickt. Nun hat sich ein kleiner OB gedacht das für ihm ein ähnliches Maß gelte und sich offenbar geirrt. Laut Richtlinie des RKI handelte das Gesundheitsamt richtig, nicht mal ein Test stünde dem Bürger zu so lange dieser keinen Symotme zeigt. Man kann die Praxis hinterfragen, aber daran halten sollte man sich vorerst.

    Dazu passt ein Artikel der Sueddeutsche...

    https://www.sueddeutsche.de/politik/coronavirus-spahn-gesundheitsamt-restaurant-berlin-1.5118759?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

    Die Vorbildwirkung der Politiker, "vermeiden Sie Kontakte"....

  4. 30.

    "Der Mann ist einfach großartig. Seine kritische und hinterfragende Art zeigt er in allen Bereichen."

    Der Wendler von Fürstenwalde.

  5. 29.

    Da gibt es nur eine Entscheidung: RÜCKTRITT.
    Hat gestern der MeckPom Innenminister auch getan, nachdem er eingesehen hat, dass es wohl nicht richtig war eine Pistole bei einem nicht ganz so sauberen Waffenhändler zu kaufen....hat bissschen gedauert mit dem Einsehen, aber dann war er konsequent und das ist richtig so da zurückzutreten.
    Nehmen sie sich ein Beispiel daran Herr Bürgermeister ....

  6. 28.

    Schon bezeichnend, wie viele „Mini-Trumps“ auf dem Ticket der Freien Wähler oder „Unabhängiger Listen“ fahren. (Unabhängig von wem? Von den lokalen Spendern, die ihnen die Wahlkampagnen sponsern, wohl nicht.)

    Klar, es gibt solche Leute auch bei Parteien. Aber dort haben sie es schwerer.

  7. 27.

    Rücktritt sofort! Ohne wenn und aber.

  8. 26.

    In diesem Landkreis LOS scheint Corona einiges angerichtet zu haben. Jetzt liest man schon Schreiben des Landrates, der sich als Corona-Gott aufschwingt und über alles Bescheid weiß, im Internet. OMG ...

  9. 25.

    Ja, und? Was macht das besser? Erhöht das die freie Laborkapazität für zeitnahe Tests für symptomatische Patienten oder Risikogruppen?

  10. 24.

    "Der Mann ist einfach großartig. Seine kritische und hinterfragende Art zeigt er in allen Bereichen."

    Nee! Das ist kindliches bockbeiniges Gehabe auf höherem Niveau. Gepaart mit pathologischer Selbstüberschätzung.

  11. 22.

    Na wunderbar, bei ihnen wurde damit auch das Ziel erreicht, sie über Angst entsprechend auf Spur zu bringen.
    Aber schön brav bleiben und nicht wieder die Seiten wechseln.
    Ansonsten fühlt man sich tatsächlich hier bei einigen Kommentatoren in die frühere DDR zurückversetzt, also so ganz falsch scheint der Bürgermeister damit nicht zu liegen.

  12. 21.

    Hör doch mal von Stasimethoden zu reden. Ganz einfach, der ist zu bestrafen, wie jeder andere, der gegen Auflagen/Gesetze etc verstößt. Da gibt es keine zwei Meinungen.
    Respekt und Vorbild seinen Mitarbeitern gegenüber. Arrogant der Herr Bürgermeister.

  13. 20.

    In Ihrem Artikel wird nicht erwähnt, dass der Personalrat der Verwaltung ca 380 Beschäftigten in der Verwaltung eine Mail gesandt haben soll, in welcher er den Namen und die Diagnose des Infizierten mitgeteilt hat. Dies ist höchst strafbar, nicht nur für den Persrat, sondern auch für Mitarbeiter der Krankenkasse, die solche Angaben herausgeben. Oder hat sich der Bürgermeister dies " nur ausgedacht,"? Oder hat der erkrankte, infizierte Mitarbeiter den Persrat gebeten, an die ca 380 Mitarbeiter eine Mail über seinen Gesundheitszustand abzugeben? Was geht nur in dieser Verwalttung vor?

  14. 19.

    So ein Palaver. Der Mann hat Respekt verdient. Er hat sich durchgesetzt und der Test ist ja nun mal negativ gewesen.
    Warum dann jetzt so ein Theater, auch auf Steuerzahlers Kosten???
    Das sind nun mal Stasimethoden - will nur keiner hören!

  15. 18.

    Vielleicht sollte man mal langsam mit der Sprache raus, wer erkrankt ist und wer infiziert, und kraft seiner Wassersuppe geheilt ist. Diese Dümpelei und Trittbrettfahrerei insbesondere an Schulen nervt. Die Lehrer sollen Abstand wahren und gefälligst unterrichten, dafür bezahlen wir sie mit meinen Steuern. Ansonsten Klappe halten. Aber scheinbar wird alles bis März (ein Jahr rum) in die Länge gezogen, um dann Kassensturz zu machen.

  16. 17.

    Ihr Vorschlag würde gegen die Testempfehlung des RKI verstoßen. (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Massnahmen_Verdachtsfall_Infografik_DINA3.pdf?__blob=publicationFile)

  17. 16.

    Mal sortieren. Die Zitate des Bürgermeisters finde ich nicht so überzeugend - wenn das so gefallen ist und hier auch nicht aus dem Zusammenhang gerissen dargestellt wird. Einer Quarantäneanordnung sollte man schon folgen. Aber das Problem mit dem Eintrag auf der Liste ist auch nicht von der Hand zu weisen. Enger Mitarbeiter heißt nicht automatisch, daß der Mindestabstand unterschritten wurde oder eine längere Zeit ein gemeinsammer Aufenthalt in Innenräumen stattfand. Ich erinnere da an die Stellungnahme des Kanzleramts, daß die Sitzungen dort unter geeigneten Bedingungen stattfinden und deshalb die Teilnehmer auch nicht automatisch in Quarantäne müssen, wenn ein Teilnehmer positiv getestet wird. Es wäre interessant zu wissen, welche Informationen zum Zeitpunkt der Quarantäneanordnung dem Gesundheitsamt vorlagen und wie sie zu der Entscheidung gegekommen sind - eine Stellungnahme des Gesundheitsamts zum Entscheidungsprozeß würde der sachlichen Aufklärung wesentlich helfen.

  18. 15.

    Ziemlich wirres Zeug, was man hier in den meisten Kommentaren bestaunen kann.

  19. 14.

    "..,dass einer seiner engeren Mitarbeiter an Covid-19 erkrankt ist."
    Erkrankt oder nur positiv getestet? Das wird ja gerne vermischt..

    Ich versteh ehrlich gesagt nicht,warum es für einen Bürgermeister nicht möglich ist sich sofort nach der Information testen zu lassen und er für die kurze Zeit bis zum Ergebnis halt mal in Quarantäne geht. Der 4. November hört sich aber ziemlich spät an.

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