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Audio: Radioeins | 09.12.2020 | Interview Dilek Kalayci | Quelle: dpa/Bernd von Jutrczenka

Maßnahmen in Berlin

Gesundheitssenatorin Kalayci plädiert für harten Lockdown

Der Lockdown light sei mehr light als Lockdown gewesen, kritsiert die Berliner Gesundheitssenatorin Kalayci. Sie fordert daher härtere Maßnahmen: Schulen, Kitas und Einzelhandel sollten schließen. Ähnlich äußern sich nun auch Kultusenator und Kanzlerin.

Die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) hat sich dafür ausgesprochen, ab Januar einen ebenso strikten Lockdown-Plan gegen die weitere Ausbreitung des Coronavirus zu verfolgen wie etwa Sachsen. Sie sei dafür, Schulen, Kitas und den Einzelhandel schnellstmöglich zu schließen, sagte sie am Mittwochmorgen dem rbb.

"Die Zahlen in Berlin zeigen, dass der Lockdown light leider mehr light war als Lockdown", so Kalayci auf Radioeins. Zwar seien die Zahlen leicht runtergegangen, aber nach wie vor auf einem hohen Niveau. "Deswegen brauchen wir weitere Einschränkungen."

Anhand von Mobilitätsdaten könne man sehen, dass die Menschen ihre Kontakte kaum eingeschränkt hätten. So habe man im März sehen können, dass die Mobilität um 40 Prozent gesunken sei, im November dagegen nur vier bis zehn Prozent. "Wir müssen hier nachsteuern", erklärte die Senatorin weiter - und zwar so schnell wie möglich.

Sie kündigte zudem an, dass man am kommenden Dienstag im Senat erneut über härtere Maßnahmen diskutieren und beschließen wolle. "Der Ausblick Richtung Weihnachten und Neujahr birgt sowohl Chancen als auch Risiken", so Kalayci. Sie rief unter anderem Betriebe dazu auf, die Entschleunigung etwa für Betriebsferien zu nutzen oder die Mitarbeitenden vermehrt ins Homeoffice zu schicken. Gleichzeitig appellierte sie an die Bürger und Bürgerinnen, Weihnachts- und Silvesterpartys zu entzerren und nicht auf der Straße zu feiern.

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"Die Lage ist sehr dramatisch"

In Bezug auf die Auslastung der Krankenhäuser durch Covid-19-Patienten und -Patientinnen warnte Kalayci: "Die Lage ist sehr dramatisch". Die Inzidenz sei zu hoch, zwei Ampeln stünden auf Rot. "Das ist eine Warnung." Daher sollen die Menschen ihre Kontakte wie im März wieder mehr beschränken. "Wir müssen das Motto 'Stay at Home' wieder aus der Kiste holen", so Kalayci, "und das muss wieder zum Grundprinzip werden".

Kalayci forderte zudem Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf, beim Thema Böller-Verbot nachzusteuern. Es sei nicht nur ein Gesundheitsproblem, sondern vor allem die Menschen, die auf der Straße feiern, seien problematisch – besonders in Partymetropolen wie Berlin. Sie rät daher: "Lassen sie es ruhig angehen, legen Sie eine Pause ein." Auch an Weihnachten müsse nicht die ganze Familie zusammenkommen. Zudem solle man bei Familienfeiern auf Abstand und regelmäßiges Lüften achten.

Lederer "enorm beunruhigt"

Kultursenator Klaus Lederer (Linke) rechnet bereits fest mit schnellen Verschärfungen der Corona-Maßnahmen in der Hauptstadt. "Ich bin sicher, es wird schärfere Maßnahmen geben, wir sind im Senat dazu auch in der Kommunikation, und nächsten Dienstag gehe ich davon aus, werden wir sie beschließen", sagte Lederer am Mittwoch bei einer Pressekonferenz seiner Partei. Der Linke-Landesvorstand hatte den 46-Jährigen am Dienstagabend als Spitzenkandidaten für die Wahl zum Abgeordnetenhaus 2021 nominiert.

Es sei wichtig, im Schulbereich und im Einzelhandel die Möglichkeiten zu nutzen, stärker runterzufahren, sagte Lederer. "Ich mache kein Geheimnis daraus, dass mich der Anstieg der Zahlen bundesweit enorm beunruhigt, dass ich mit großem Respekt auf das blicke, was in den Intensivstationen derzeit geleistet wird, aber auch weiß, dass das an Grenzen gerät." Das Personal dort arbeite seit neun Monaten unter hoher Belastung.

"Und deswegen glaube ich, wir haben dringend die Notwendigkeit, darüber nachzudenken, was wir machen, um die Zahlen wirklich deutlich abzusenken", so Lederer. "Und mich beruhigt überhaupt nicht, dass wir in Berlin anders als in anderen Städten auf einem halbwegs stabilen Sockel sind, denn das Niveau ist extrem hoch. Man muss nicht viel Fantasie haben, dass das in den nächsten Tagen wieder hochgehen wird, wenn wir nichts tun."

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Auch Merkel fordert Schließungen

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich in einer Generaldebatte im Bundestag am Mittwochmorgen [tagesschau.de] für weitreichende Schließungen nach Weihnachten ausgesprochen. In einer Phase bis zum 10. Januar sollten Geschäfte geschlossen werden, sagte sie. Es sollten auch die Ferien verlängert oder auf Digitalunterricht umgestellt werden.

Sie rief alle Bürger zu weiterer Rücksicht und Solidarität in der Corona-Krise auf. "Der wichtigste Schlüssel zur erfolgreichen Bekämpfung des Virus bei uns ist das verantwortliche Verhalten jedes Einzelnen und die Bereitschaft zum Mitmachen", erklärte Merkel. Sie sei überzeugt, dass die große Mehrheit der Bevölkerung auch weiter dazu bereit sei, wofür sie von Herzen dankbar sei. Merkel erläuterte, dass der Staat in einer freiheitlichen Demokratie anders handeln könne als in Ländern, "die stärker einer Diktatur gleichen".

Es sei ein Hoffnungsschimmer, dass erste Impfungen vielleicht Anfang des neuen Jahres beginnen könnten. Im ersten Quartal dürften aber noch nicht so viele Impfungen möglich sein, dass eine signifikante Veränderung in der Bevölkerung zu sehen sein werde. Es gebe aber die Chance, gerade Hochbetagte und Pflegekräfte zu impfen - also in Bereichen, in denen gerade die meisten Todesfälle aufträten. Merkel sprach sich zudem für eine "faire Verteilung" von Impfstoffen auf der Welt aus. Es müssten auch die Entwicklungsländer berücksichtigt werden.

Sendung: Radioeins, 09.12.2020, 7:30 Uhr

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