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Quelle: dpa/Sören Stache, Collage: rbb|24

Kommentar | Konstituierende Landtags-Sitzung

Mit dem Kopf durch die Wand

Die Alterspräsidentin der AfD, Spring-Räumschüssel, eröffnete die erste konstituierende Sitzung des Brandenburger Landtags mit einer Rede, die die SPD als "unwürdig" bezeichnete. Besser machte es da die neu gewählte Präsidentin Liedtke, kommentiert Hanno Christ

Die Rede der Alterspräsidentin der AfD, Marianne Spring-Räumschüssel, war eine Frechheit - eine Frechheit für alle, die eben nicht die Haltung der AfD teilen. "Unwürdig" hörte man aus den Reihen der SPD. Spätestens, als sie die anti-pluralistische Rede ihres Vorgängers Alexander Gauland vor fünf Jahren als "großartig" bezeichnete, ging ein Raunen durch den Saal, rutschten einige Abgeordnete nervös auf ihren Stühlen hin und her.

Hintergrund

Erste Sitzung des Brandenburger Landtags

Ulrike Liedtke zur neuen Landtagspräsidentin gewählt

  

In wenigen Minuten den ersten Ordnungsruf erteilt

Genau diese Menschen jenseits der AfD aber hätte die Alterspräsidentin mit ihrer Rede erreichen müssen. Stattdessen wurde sie für parteipolitische Zwecke genutzt und einmal mehr zu einem Aushängeschild dafür, wie die AfD Demokratie in ihrem Sinne deutet. Nach den Worten der 73-Jährigen stoße "die repräsentative Demokratie an ihre Grenzen", die politische Debatte werde durch Vorgaben der politischen Korrektheit vergiftet, der Wählerwille werde bei der Regierungsbildung missachtet.

Dass es bei "politscher Korrektheit" auch um Anstand geht, und bei einer Regierungsbildung nicht nur um nackte Zahlen und Mehrheiten, sondern auch um Inhalte, spielt für sie offenbar keine Rolle. Wer Demokratie so deutet, in dessen Augen muss sie tatsächlich nicht richtig funktionieren.

Die AfD propagiert gerne, "für das Volk" zu sprechen und missachtet dabei, dass Dreiviertel dieses "Volkes" ihre Meinung offenkundig nicht teilen. Dass sie in den wenigen Minuten ihrer Rede sogar einen Ordnungsruf erteilte, spricht für sich - und für den Ton, den die AfD anschlägt.

Liedtke macht es vor

Wie man es besser macht, zeigte sich an der Rede der neuen Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke. Die SPD-Frau griff niemanden an, warb in ruhigem, sachlichen Ton für ein transparentes, bürgernahes Parlament, in dem der Streit geübt und nicht verbannt werden solle. Sie sehe, dass sehr unterschiedliche Parteien im Parlament sitzen. Das aber sei für sie nicht nur Herausforderung, sondern auch Chance. Sie hat sie genutzt. Die AfD hat sie dagegen einmal mehr vertan und damit einen Vorgeschmack geliefert auf künftige Debatten.

Nach der Wahl von Ulrike Liedtke gab es stehende Ovationen von allen Fraktionen - bis auf die AfD. Als der zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewählte Vize-Präsidentschaftskandidat Andreas Galau aufstehen wollte, wurde er von Fraktionskollegen wieder runtergezogen. So viel zum Mangel an Meinungsfreiheit, den die AfD immer wieder beklagt.

Das Zeichen, das von diesem Landtag in den nächsten Jahren ausgehen muss, ist der Wille, ein Land versöhnen und nicht spalten zu wollen. Denn das hat Brandenburg bitter nötig. Es sieht so aus, als müssten die Anderen diese Arbeit leisten. Die AfD fällt dafür aus.

Eröffnungsrede des Alterspräsidentin

Marianne Spring-Räumschüssel (AfD)

Als älteste Abgeordnete im Plenum eröffnet die 73-Jährige die erste Sitzung des neu gewählten Parlaments. Zu den drei für sie prägenden Ereignissen des Jahres 2019 gehöre der 30. Jahrestag der friedlichen Revolution in der DDR. Dem legendären Ausspruch "Wir sind das Volk" von 1989 seien "große Ernüchterung und Enttäuschung" gefolgt. Zwar gebe es freie und geheime Wahlen, aber ob der Wählerwille bei der Regierungsbildung abgebildet werde, sei fraglich. Bürger, die nicht dem politischen Mainstream folgten, würden in die rechte Ecke gestellt, so Marianne Spring-Räumschüssel. In ihrer Rede setzt sie sich für mehr direkte Demokratie ein; die repräsentative Demokratie stoße an ihre Grenzen.

Antrittsrede der neuen Landtagspräsidentin

Die SPD-Politikerin Ulrike Liedke ist neue Parlamentspräsidentin. Die 60-Jährige übernimmt das Amt von Britta Stark (SPD), die dem neuen Landtag nicht mehr angehört. Ulrike Liedke erhielt bei der konstituierenden Sitzung in Potsdam 77 Ja-Stimmen der 88 Abgeordneten. Mit Nein stimmten sechs Parlamentarier, fünf enthielten sich. Die Musikwissenschaftlerin ist auch Vizepräsidentin des Deutschen Kulturrates.  

Ulrike Liedtke (SPD)

Die neue Parlamentspräsidentin versichert, das Mit- und Gegeneinander in den Landtagssitzungen im Interesse der Bürger fair und respektvoll gestalten zu wollen. Sie plädiert für eine politische Kultur, die Streit und Verständigung ermöglicht. Wertschätzung und Respekt müssten die Grundlagen sein. Das konstruktive Aushandeln von Lösungen sei das Gegenteil von Populismus. Ihr Amt, das für sie zu den schönsten gehöre, das in der Demokratie vergeben werden könne, verpflichte sie gleichermaßen zu Neutralität und Haltung. Ulrike Liedke verweist auf die notwendige Transparenz der parlamentarischen Arbeit; sie werde sich für einen lebendigen Austausch mit den Bürgern einsetzen. 

Beitrag von Hanno Christ

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