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Quelle: imago images/Frank Sorge

Fünf Jahre Rot-Rot in Brandenburg

Arbeitsmarkt top, Mobilität flop

Am 1. September wählen die Brandenburger einen neuen Landtag. Für eine Fortsetzung von Rot-Rot wird es laut Prognosen wohl nicht reichen. Aber was hat die Landesregierung in fünf Jahren eigentlich erreicht - und was nicht? Eine Bilanz. Von Torsten Sydow

Mit großen Zielen für Brandenburg ist die rot-rote Landesregierung nach der Landtagswahl 2014 in die Verlängerung gegangen. Fünf Jahre später stellen wir fest: SPD und Linke haben einiges bewegt - und einiges nicht.

Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt

Ein Erfolg, den viele Brandenburger ganz deutlich spüren, ist die gesunkene Zahl der Arbeitslosen. Die Arbeitslosenquote purzelte in den vergangenen fünf Jahren von etwas mehr als neun Prozent auf 5,7 Prozent. Aktuell sind noch rund 75.000 Frauen und Männer in Brandenburg auf der Suche nach Arbeit.

Zu diesem insgesamt positiven Trend beigetragen hat unter anderem, dass das Land Millionenbeträge aus dem Europäischen Sozialfond für Mitarbeiterqualifizierungen, Firmengründungen und sogenannte Einstiegszeiten für Arbeitslose genutzt hat. Die Wirtschaftförderung Brandenburg hat nach eigenen Angaben allein in den Jahren 2017 und 2018 annähernd 8.000 Arbeitsplätze zum Beispiel in der Papierbranche und der metallverarbeitenden Industrie in Brandenburg neu geschaffen oder erhalten.

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Schwierig bleibt es nach Aussage des Arbeitsministeriums allerdings nach wie vor, die rund 51.000 Brandenburger in neue Jobs zu vermitteln, die schon länger als ein Jahr arbeitslos sind.

Außerdem gibt es weiter große regionale Unterschiede. In Dahme-Spreewald und Potsdam-Mittelmark herrscht mit 3,6 bzw. 3,9 Prozent fast Vollbeschäftigung. Die Uckermark bleibt mit 10,7 Prozent im Juli Schlusslicht. Hinzu kommt, dass etwa 50 Prozent der Arbeitnehmer in Firmen arbeiten, in denen kein Tariflohn gezahlt wird, wie Ministerpräsident Dietmar Woidke vor Betriebsräten eingestehen musste.

Um die Wirtschaftsentwicklung in ländliche Regionen anzukurbeln, hat die Landesregierung  den Breitbandausbau als wichtig postuliert. Doch bis heute ist das Land bei der Versorgung ein Flickenteppich – im Kreis Ostprignitz-Ruppin haben nur rund 51 Prozent der Haushalte Breitband mit einer Datenübertragungsmöglichkeit von mehr als 50 Mbit/s. Für ein Förderprogramm aus Bundes- und Landesmitteln liegen jetzt Bewilligungen vor. Für ein annähernd flächendeckendes Top-Breitbandnetz wird es noch Jahre brauchen.

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Weg von der "Brückentechnologie" Kohle

Zum bestimmenden Thema in Brandenburg ist in den vergangenen eineinhalb Jahren der Strukturwandel in der Lausitz und der Braunkohleausstieg geworden. Im Koalitionsvertrag von 2014 ist noch von der Braunkohle als "Brückentechnologie in der Energiewende" die Rede. Bezahlbare Energiepreise und Versorgungssicherheit über einen einheimischen Rohstoff waren jahrelang Argumente von Rot-Rot für die Braunkohle.

Durch die sogenannte Kohlekommission gibt es jetzt den vorgeschlagenen Ausstiegtermin 2038 und mittlerweile stehen der Kohleregion Lausitz rund 17 Milliarden Euro an Strukturhilfen zur Verfügung. Versäumt hat es die Landesregierung, den Strukturwandel an einer Stelle planerisch zu bündeln. Die Ankündigung im Rahmen des Strukturwandels, das Wissenschafts- und Kulturministerium nach Cottbus zu verlegen, zeugt von Hilflosigkeit.

Rund 8.000 Arbeitsplätze in den Kraftwerken und Tagebauen der Lausitz sind vom Strukturwandel betroffen. Wie groß Skepsis und Befürchtungen der Brandenburger vor Ort sind, zeigen die Kommunalwahlergebnisse aus dem Mai. Im Spree-Neiße-Kreis wurde die pro Braunkohle argumentierende AfD mit 26,5 Prozent stärkste Kreistagsfraktion und in Cottbus ließ sie mit 22,3 Prozent alle Parteien deutlich hinter sich.

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Erfolge bei Kitas und Schulen

Auf der Habenseite der Koalition aus SPD und Linke stehen auch Verbesserungen in der Kinderbetreuung. Mehr als 25.000 Familien kommen laut Bildungsministerium in den Genuss des 2018 eingeführten elternbeitragsfreien letzten Kita-Jahres. Zusätzlich wurde ein Millionenbetrag im Landeshaushalt für sogenannte Kiez-Kitas geschaffen. Die sollen Mädchen und Jungen in sozialen Brennpunkten dabei unterstützen, besser Sprechen zu lernen oder an Bewegung und Sport heranführen.

Zumindest zahlenmäßige Verbesserungen gibt es im Vergleich zu 2014 auch in den Brandenburger Schulen: 5.600 neue Lehrer wurden in fünf Jahren eingestellt – darunter aber auch Seiteneinsteiger, die sich weiter vor allem im Punkt Wissensvermittlung qualifizieren müssen. Etwa jede zehnte Lehrerin und jeder zehnte Lehrer ist in Brandenburg Seiteneinsteiger – Tendenz steigend.

Die Lehrer-Schüler-Relation verbesserte sich durch die genannten Maßnahmen in den letzten fünf Jahren – während 2014 im Schnitt noch 15,4 Schüler auf einen Lehrer kamen, sind es heute noch durchschnittlich 14,4. Ebenfalls positiv: Die Zahl der Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss ist rückläufig.

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Niederlagen bei Verwaltungsreform und ÖPNV

Als gravierendste politische Niederlage der zu Ende gehenden Legislatur müssen sich Ministerpräsident Woidke und der Linken-Koalitionspartner andererseits das Scheitern der Verwaltungsstrukturreform ankreiden lassen. Das Projekt mit Großkreisen, einer Verschlankung der Verwaltung und der Einkreisung von Cottbus, Frankfurt (Oder) und Brandenburg an der Havel ging krachend daneben - weil es am Widerstand der Verwaltungsmitarbeiter vor Ort, Teilen der Bevölkerung und schlechter Problemvermittlung scheiterte. Dass es schwer ist, kompetente Fachkräfte für Kreisverwaltungen fern von Potsdam zu gewinnen, verpuffte in der Diskussion völlig.

Unterschätzt hat die rot-rote Koalition in Potsdam auch die Bedürfnisse tausender Arbeitspendler. Ob bei der Ostbahn, bei den Regionalexpress-Linien 1 und 3 sowie weiteren Regionalbahnen - das Land hat keine gute Figur gemacht. Mal dauerte die Zulassung von Triebwagen Monate, dann musste die Koalition trotz punktueller Taktverdichtungen und zusätzlicher Plätze eingestehen, dass zusätzliche Zugbestellungen oder gar Gleisstreckenbau nicht von heute auf morgen klappen.

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Nachbesserungen bei der Polizei

Umgesteuert hat die Landesregierung bei dem wichtigen Thema Innere Sicherheit – nachdem der Bedarf an Polizisten lange Zeit bei rund 7.500 festgesetzt war, stieg die Zahl der Polizeibeamten während der letzten Legislatur auf aktuell rund 8.250. In jedem Jahrgang nimmt zudem die Rekordzahl von 400 Frauen und Männern die Ausbildung an der Polizeihochschule in Oranienburg auf. In fünf Jahren stieg die Aufklärungsquote bei Straftaten um rund dreieinhalb Punkte auf 56 Prozent.

Ein weiterer Pluspunkt ist der Schuldenabbau – seit 2013 hat Brandenburg rund 850 Millionen Euro zurückgezahlt. Es bleiben aber noch rund 17,8 Milliarden Euro Verbindlichkeiten.

Überlastete Richter und Staatsanwälte

Kein Ruhmesblatt für Rot-Rot waren auch die Straßenproteste im Jahr 2015, bei denen zum ersten Mal in Brandenburgs Geschichte Richter und Staatsanwälte aus Protest gegen Überlastung auf die Straße gingen. Zu viele Klagen bei zu wenig Richtern, monatelange Verfahren bis zum Urteil lautet die Juristenkritik bis heute. Die Freilassung von mutmaßlichen Gewaltverbrechern und Drogenkurieren wegen zu langer Verfahrensdauer erschüttert das Vertrauen in den Rechtsstaat Brandenburg.

Fast schon vergessene Tiefpunkte waren auch zwei Ministerrücktritte. Justizminister Helmuth Markov von der Linken musste gehen, nachdem er ein Fahrzeug des Landes zum Transport seines Motorrades genutzt hatte. Gesundheitsministerin Diana Golze stürzte über den sogenannten Lunapharm-Skandal. Der Fall um den Handel mit Krebsmedikamenten in Brandenburg und Berlin offenbarte, dass die Medikamentenaufsicht ihres Ministeriums praktisch keine Aufsicht war und in vollem Umfang versagt hatte.

Gesamtfazit: Irgendwie geht so.

Sendung: Antenne Brandenburg, 12.08.2019, 12:40 Uhr

Beitrag von Torsten Sydow

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