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Quelle: dpa / Paul Zinken

Scheidende Abgeordnete | Christopher Lauer (Piratenfraktion)

"Das war wie ein Sechser im Lotto"

2011 wurde Christopher Lauer nicht nur zum Aushängeschild der Piraten, sondern auch zu einer eigenen Marke - mit mittlerweile 30.000 Followern auf Twitter. Fraktionschef, Parteivorsitz, Austritt - dem Höhenflug folgte die Demotivation. Am Ende der Legislatur versucht er, sich als Politiker neu zu erfinden. Von Christoph Reinhardt

"Man muss sich Christopher Lauer als glücklichen Fraktionsvorsitzenden vorstellen." Das hat er 2012 über sich selbst geschrieben, bzw. getwittert. Ein typischer Lauer: selbstbezogen-ironisch, aber bei allem Narzissmus auch fasziniert von dem Parlamentsbetrieb, in den ihn die Wahl 2011 hineingespült hatte. Von der Sisyphus-Arbeit des Oppositionspolitikers zum Beispiel, der immer wieder Anträge schreibt, die im besten Falle breit im Plenum diskutiert, im schlechtesten ohne Aussprache vertagt – aber am Ende immer von der Regierungskoalition abgelehnt werden.

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Als die 15 Abgeordneten der Piraten 2011 völlig überraschend ins Berliner Landesparlament gewählt wurden, wollten sie vor allem eines: nicht so werden wie die Etablierten. Das wurden sie auch nicht. Aber gerade darum ist die Partei heute am Ende. Von Christoph Reinhardt

Im Weg standen Lauer er selbst und die eigenen Parteifreunde

"Es war eine krasse Zeit, wie ein Sechser im Lotto. Und das ist es im Grunde nach wie vor. Aber zwischenzeitlich war ich ziemlich demotiviert", blickt Lauer zurück. Die fünf Jahre im Parlament hat er wie einen Selbstversuch verstanden, hat Grenzen des Systems getestet und ohne Rücksicht auf persönliche Verluste immer laut herausposaunt, was ihm widerfahren ist in den verschiedenen Rollen. Abgestempelt zum Politclown, nachdem er als Kulturpolitiker die Schließung der Deutschen Oper forderte. Anerkennung bekam er als akribischer innenpolitischer Sprecher, der mit Anfragen, Akteneinsichtnahmen und pointierter Öffentlichkeitsarbeit die von ihm sogenannte "Sicherheitsesoterik" der Berliner Innenpolitik angriff.

Viel Feind, viel Ehr' - im Weg standen dem rhetorisch ebenso begabten wie charakterlich impulsiven Lauer vor allem er selbst und die eigenen Parteifreunde. Nach einem Jahr als Fraktionsvorsitzender fühlte er sich von Kollegen gemobbt und trat 2013 nicht mehr an. Als Vorsitzender der Landespartei wollte er die Berliner Piraten zu mehr Professionalität zwingen. Nach einem halben Jahr trat er als Landeschef zurück und verließ zugleich die Partei, behielt aber sein Mandat im Berliner Teilzeit-Parlament. Auch, um in Ruhe seinen Wechsel von der Politik ins Berufsleben vorzubereiten, räumt er heute ein.

Ein Jahr lang stellte er dem Axel-Springer-Verlag als "Leiter Strategische Innovation" sein Image und seine Kontakte zur Internet-Szene zur Verfügung. "Das war mein Versuch, den Absprung zu finden" – der aber "in gegenseitigem Einvernehmen" scheiterte.

Nun ist Lauer auf der Suche nach einer neuen Partei

Nach einem Jahr in der Wirtschaft fühle er sich "repolitisiert", so Lauer. Aber mit der Piratenpartei ist er durch, über ihren Niedergang hat er ein Buch geschrieben. "Es war eher so wie bei den Pfadfindern oder in der Katholischen Jugendgemeinschaft. Man trifft sich, man fühlt sich einer Gruppe zugehörig. Aber es ging nie darum, Politik zu machen, so dass man am Ende auch bei Wahlen erfolgreich sein kann".

Dass Lauer auf der Suche nach einer neuen Partei ist, die ihm ein neues Mandat verschaffen könnte, ist kein Geheimnis – um welche es geht aber schon. "Ich könnte mir sehr gut vorstellen, bei einer anderen Partei, auf einer anderen Liste, für welches Parlament auch immer zu kandieren. Alles Weitere muss sich zeigen."

Scheidende Abgeordnete

SPD

Kirsten Flesch
Renate Harant
Andy Jauch
Nikolaus Karsten
Brigitte Lange
Alex Lubawinski
Karlheinz Nolte
Lars Oberg

Zwei weitere Abgeordnete haben hintere Listenplätze und werden deshalb vermutlich nicht mehr dabei sein:

Irene Köhne
Dr. Gregor Költzsch

CDU

Dr. Michael Garmer
Joachim Luchterhand
Stefan Schlede
Michael Braun
Dr. Uwe Lehmann-Brauns
Michael Freiberg
Dr. Manuel Heide
Andreas Gram
Prof. Dr. Niels Korte

Grüne

Dirk Behrendt
Alessa Berkenkamp
Thomas Birk
Jochen Esser
Claudia Hämmerling
Clara Hermann
Heidi Kosche
Michael Schäfer
Jasenka Villbrandt

Linke

Uwe Döring
Jutta Matuschek
Evrim Sommer

Piraten

Andreas Baum
Martin Delius
Susanne Graf
Heiko Herberg
Oliver Höfinghoff
Christopher Lauer
Pavel Mayer
Alexander Morlang
Dr. Simon Weiß

Folgende Abgeordnte treten für die Piraten wieder an. Wenn sich nicht grundlegend etwas ändert bei der Wahl im Vergleich zu den aktuellen Umfragewerten, werden die Piraten allerdings im nächsten Parlament gar nicht mehr vertreten sein, daher scheiden wahrscheinlich auch:

Gerwald Claus-Brunner
Simon Kowalewski
Philipp Magalski
Wolfram Prieß
Fabio Reinhardt
Alexander Spies

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