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Geisterrennen in Hoppegarten

"Wir sehen absolut unsere Marktchance"

Die Sportwelt steht still. Mit als erstes könnte es nun auf den Galopprennbahnen weitergehen. So in Hoppegarten: Ab Anfang Mai sind Geisterrennen geplant. Eigentümer Gerhard Schöningh über Gesundheit, Wetten - und eine große Bühne für seinen Sport.

Stellen Sie sich vor, es gibt noch gar keinen Sport auf der großen Bühne. Selbst der Fußball ist noch in der Zwangspause. Aber auf der Galopprennbahn Hoppegarten kämpfen Pferde und Jockeys um den Sieg. Was beim ersten Lesen unwahrscheinlich klingt, könnte tatsächlich genau so kommen. Momentan plant der Dachverband Deutscher Galopp Geisterrennen ab dem 1. Mai - Hoppegarten wäre dann zehn Tage später zum ersten Mal dran.

Und dort wittert man - bei allen finanziellen Verlusten durch wegfallende Einnahmen - durchaus eine große Chance. "Wir sollten keine Blütenträume haben", mahnt Rennbahn-Eigentümer Gerhard Schöningh zwar. Er sagt aber auch: "Wir sehen absolut unsere Marktchance, dass wir unsere Bedeutung deutlich erhöhen können. Wir werden alles dafür tun, da auch zu punkten." Wie das gelingen soll, was für Hürden es noch gibt und wie das alles mit der Gesundheit vereinbar sein soll, erzählt Schöningh im rbb|24-Interview.

rbb|24: Herr Schöningh, wann kann und soll der Rennbetrieb in Hoppegarten wieder starten?

Gerhard Schöningh: Wir sind für den 10. und den 31. Mai bereit, wenn wir die Genehmigung bekommen.

Mit welchen Behörden werden Sie sich jetzt absprechen müssen?

Erst einmal werden jetzt alle Bundesländer ihre Corona-Schutzverordnungen überarbeiten. Das ist ein wesentlicher Standard, der da gesetzt wird. Wir in Hoppegarten haben vor einer Woche die zuständigen Ministerien des Landes informiert - den Ministerpräsidenten, die Staatskanzlei, Landwirtschaft, Sport und Wirtschaft. Und dann werden für uns auch noch der Landkreis und der Bürgermeister der Gemeinde hier in Hoppegarten wichtig sein.

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Bis wann wird endgültig feststehen, ob das Rennen am 10. Mai tatsächlich - wie aktuell geplant - stattfinden kann?

Wir werden versuchen, vor dem 30. April eine Entscheidung zu bekommen. Wir sind ja nicht die erste Bahn in Deutschland, die starten soll. Diejenigen, die vor uns loslegen - das sind Mannheim, Köln, Dortmund und Hannover - werden jetzt in einem ersten Schritt mit den zuständigen Behörden reden. Dann werden wir mal sehen, wie dort die Reaktion ist. Wahrscheinlich werden wir in der nächsten Woche an unsere Behörden herantreten.

Wie soll das konkrete Konzept bei diesen Geisterrennen aussehen, um die Bestimmungen einhalten zu können?

Es werden maximal 80 Personen zugelassen. Wir werden den Mindestabstand um die Rennen herum und auch in den Rennen einhalten können. Es wird ein entsprechendes Sicherheits- und Hygienekonzept vom Deutschen Galopp geben, der unser Dachverband ist. Das wird Anfang nächster Woche fertig sein. Und es wird auch auf allen Rennbahnen in Deutschland ein Beauftragter von Deutscher Galopp anwesend sein, um die Umsetzung dieser Konzepte sicherzustellen.

Sind diese Geisterrennen denn aus Ihrer Sicht ein gangbarer Weg und Sie können auf die Zuschauereinnahmen verzichten?

Man muss natürlich ganz klar sagen, dass das wirtschaftlich für uns eine herausfordernde Situation ist. In Hoppegarten sind ungefähr 30 Prozent unserer Umsätze Eintrittgelder, weil wir eine sehr besucherstarke Bahn sind. Dazu kommt noch etwas mehr aus dem Bereich Sponsoring, Hospitality und Kunden-Veranstaltungen. Bei Rennen ohne Zuschauer werden wir diese Einnahmen nicht haben. Was auch fehlt, sind die Einsätze aus dem Wettbetrieb auf der Bahn - also aus dem Totalisator. Erhalten bleiben uns jedoch die Einnahmen aus der Außenwette. Und da haben wir in Deutschland eigentlich eine vergleichsweise gute Situation.

Gerhard Schöningh. | Quelle: rbb

Nämlich?

Wettbüros - das heißt stationäres Geschäft - haben kaum eine Bedeutung, dafür aber Online-Plattformen. Wir haben als Deutscher Galopp Gespräche mit allen führenden Online-Anbietern geführt, die zugesagt haben, dass sie zum einen auf ihre Vermittlungsprovision verzichten und auch alles in den Totalisator wetten wollen. Das ist etwas technisch. Aber beim Pferderennen gibt es die Möglichkeit, entweder in den Totalisator zu wetten (Anm. d. Red.: Dabei geht ein Teil der Einsätze an den Veranstalter des Rennens) oder aber eine Buchmacher-Wette abzuschließen. Und die Wettpartner wollen auf die zweite Variante für eine gewissen Zeit verzichten, damit wir wirklich ein gutes Ergebnis der Totalisator-Wetten außerhalb der Bahn haben. Das wird dann auch das Rückgrat der Finanzierung dieser Renntage sein.

Ist auch die Reduzierung der Preisgelder ein Thema?

Ja, absolut. Das ist auch schon veröffentlicht. Die Preise sind bei den meisten Rennen halbiert. Allerdings haben wir eine Mindestdotierung von 3.000 Euro. Das ist leider alles, was momentan drin ist. Aber die Signale aus größeren Rennsport-Nationen wie Frankreich und England sind, dass es dort sehr ähnlich aussehen wird. Es ist einfach so, dass mit Besuchereinnahmen, Sponsoren, Hospitality-Kunden und auch dem Umsatz auf der Bahn ganz wesentliche Umsatzquellen einfach nicht da sind. Gleichzeitig ist es aber enorm wichtig, dass es mit den Rennen weitergeht.

Warum ist der Druck so groß - und eine längere Pause schwierig?

Die Pferde sind Leistungssportler. Die werden alle trainiert und möchten rennen. Deshalb ist es besser, wenn es mit reduzierten Dotierungen und natürlich auch ohne die tolle Atmosphäre eines Renntages mit Tausenden von Besuchern weitergeht. So können möglichst viele Pferde im Training gehalten werden. Wir sind auch eine Branche in Deutschland mit 3.000 Beschäftigten in Rennställen und Gestüten, die auch wirtschaftlich darauf angewiesen sind.

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Michael Vesper, Präsident von Deutscher Galopp, sagte: "Wir organisieren Rennsportveranstaltungen im gesetzlichen Auftrag als Leistungsprüfungen der Vollblutzucht." Wäre das für Sie auch ein Argument für den Rennstart, auf diese Quasi-Notwendigkeit hinzuweisen, die da anklingt?

Ja, auf jeden Fall. Pferderennen sind Leistungsprüfungen nach dem Tierzuchtgesetz. Sie sind eigentlich eine staatliche Aufgabe, die dieser an gemeinnützige Rennvereine delegiert hat. Und Ziel der Rennen ist nicht in erster Linie eine Volksbelustigung, eine Bühne für die Reichen oder ein Wettmedium. Wir haben einfach den staatlichen Auftrag, durch ihre Abhaltung die besten Pferde zu ermitteln. Mit den besten Pferden wird dann gezüchtet und so schaffen wir es, das Niveau der Zucht zu heben. Dann haben wir eben auch einen gewissen Einfluss des Vollbluts bei Warmblütern - man kann sagen, die dienen da praktisch zur Veredelung. Das funktioniert so seit deutlich mehr als hundert Jahren sehr erfolgreich. Es ist eben auch ein ganz wichtiges Argument, dass so ein Jahrgang geprüft wird. Sonst gibt es einen ungeprüften Jahrgang, der für die Zucht wertlos ist.

Wie sind die Signale der Sportler: Wollen sie unter diesen Umständen weitermachen?

Ja, absolut. Von den Aktiven gibt es keine Bedenken. Sie müssen mal sehen: Die Rennpferde werden täglich trainiert. Auf den Renn- oder Trainierbahnen, auf denen das stattfindet, werden nicht zehn Pferde gegeneinander im Rennen laufen, aber durchaus schon mal kleinere Gruppen trainiert. Bei so einem Pferd im Galopp sind es dennoch schon mindestens 1,50 Meter Abstand zwischen den Reitern - und wenn das nicht der Fall ist, gibt es eine Rempelei, die die Rennleitung ahnden würde. 

Das ist die gesundheitliche Sicht. Gibt es auch Verständnis für die wirtschaftlichen Kürzungen?

Ja klar. Es ist so, dass wenn wir die führenden Rennsport-Nationen sehen, Deutschland die erste ist, die nun einen Plan hat, die Rennen - auch einfach mit einer Verlässlichkeit - wieder aufzunehmen. Dass die Preisgelder deutlich schlechter sind, bedauern wir. Mehr ist aber nicht drin. Es sind sich eigentlich alle Beteiligten beim Deutschen Galopp darüber im Klaren, dass es besser ist, wenn es möglichst bald reduziert weitergeht, als wenn wir lange aussetzen.

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Es gibt einen neuen Dienstleister für die Übertragung der Rennen. Der Dachverband verspricht sich davon bessere Bilder - und diese gibt es für die Zeit der Corona-Krise sogar kostenfrei. Wie groß ist die Hoffnung, jetzt das Publikum zu vergrößern?

Wir haben die große Chance, in unserer Live-Produktion mit Bildern, die es im Internet und im Fernsehen zu sehen gibt, einen Quantensprung zu machen. Diese Chance ist uns auch total bewusst. Wir haben einerseits die großen Wetter, die sowieso da wetten werden, wenn sie nicht auf die Rennbahn können. Aber wir haben jetzt die Möglichkeit, dass unsere vielen Fans, die vielleicht kleinere Wetter sind und das Event von zu Hause verfolgen, auch ein Wettkonto aufmachen können. Damit können sie zum einen die Spannung erleben, aber auch den Erhalt des Rennsports durch ihr Mitwetten tatkräftig unterstützen. Die dritte Zielgruppe, die wir haben - sofern wir vor dem Fußball anfangen können - ist eine neue. Es ist derzeit überall das Problem, dass die Wettmöglichkeiten sehr eingeschränkt sind. Und wir werden schon einiges dafür tun, die Menschen, die bisher nur Sportwetten gemacht haben, auch für die Pferdewette zu begeistern.

Die Geisterrennen im ansonsten weitestgehend sportlosen Umfeld könnten also aus Ihrer Sicht dem Galopprennsport einen Schub geben?

Wir müssen natürlich ganz klar sagen, dass wir längst nicht mehr die Bedeutung wie der Fußball haben. Das war gerade in Berlin in den zwanziger und dreißiger Jahren anders. Wenn man da sagte: Mein Junge ist beim Sport, dann meinte die Mutter damit, dass er Jockey in Hoppegarten ist. Wir sollten da keine Blütenträume haben. Aber wir sehen absolut unsere Marktchance, dass wir unsere Bedeutung deutlich erhöhen können. Wir werden alles dafür tun, da auch zu punkten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Karsten Steinmetz für das Inforadio des rbb. Es handelt sich um eine redaktionell redigierte und leicht gekürzte Fassung.

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