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Audio: rbb | 05.05.2020 | Lars Becker | Quelle: imago images/Sven Simon

Kommentar zum pikanten Kalou-Video

Temporäre geistige Umnachtung

Wer schon immer mal wissen wollte, wie es in der Kabine eines Bundesliga-Klubs zugeht, der hatte am Montag die Gelegenheit. Salomon Kalou von Hertha BSC hat nämlich per Livestream pikante Einblicke gewährt. Kommentator Thomas Kroh ringt um Fassung.

Bislang war mir Salomon Kalou überaus sympathisch. Nicht nur, dass er als einer der wenigen Herthaner mit dem Ball umzugehen weiß, ohne sich die Gräten zu verknoten - der Mann kann wirklich richtig geil kicken - nein, er schien mir auch ein netter Kerl zu sein. Nie die große Klappe, dafür immer ein Lächeln im Gesicht.

Aber leider hat der gute Salomon nun mit seinem Livestream das Vorurteil bestätigt, Fußballer wären nicht die schärfsten Klingen im Kasten. Was da an Blödheit zu bestaunen ist, lässt jede Pressekonferenz von Donald Trump zum Coronavirus wie ein wissenschaftliches Kolloquium erscheinen.

Hintergrund

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Facebook-Video von Kalou zeigt Hygieneverstöße bei Hertha

    

Als gäbe es kein Hygienekonzept

Kalou marschiert in die Kabine und reicht jedem der Anwesenden die Hand zum Abklatschen, zuerst Athletik-Trainer Henrik Kuchno, dann einigen anderen "Mitarbeitern" aus Herthas Angriffs-Abteilung wie Kapitän Vedad Ibisevic. Ganz so als hätten verzweifelte Liga-Funktionäre aus Panik vor einem Zusammenbruch des "Premium-Produktes" Bundesliga nicht ein umfassendes Hygienekonzept erstellt, damit Angela Merkel nicht mehr ganz so streng dreinschaut und sie die Saison zu Ende spielen lässt. Fehlt bloß noch, die spielenden Hertha-Angestellten hätten sich umarmt und gegenseitig Küsschen links, Küsschen rechts auf die Wangen geschlabbert.

Andererseits, warum sollen sie in der Kabine Abstand halten, wenn sie doch auf dem Rasen jedem Gegner auf die verschwitzte Pelle rücken müssen? Ja, ja, ich weiß: Weil das Konzept es eben so vorschreibt!  

Solidarität ist eine Farce

Nun ja, dann kann man in dem Video noch sehen, dass Fußball-Profis in der Kabine tatsächlich vor ihren Spinden sitzen und gelangweilt auf ihre Handys starren. Ganz normale Menschen eben, die nur ein bisschen besser bezahlt werden als 99,9 Prozent der restlichen Angestellten in diesem Land.

Unglücklicherweise widerlegt Kalous Mitschnitt aber auch die Mär von den verständigen Fußball-Millionären, die sich mit den weniger betuchten "Kollegen" und "Kolleginnen" eines Vereins, etwa dem Zeugwart oder der Klofrau, in den schweren Zeiten von Corona solidarisieren. "Salomon der Sanftmütige" spricht mit Ibisevic über gekürzte Gehälter und darüber, dass einigen Spielern mehr abgezogen worden sei als vereinbart, was erhöhten Puls verursacht, so als hätten die beiden Altvorderen gerade erfahren, ihr "Busenfreund" Klinsi Klinsmann kehre doch zu Hertha zurück.

Da ist von "verarschen" die Rede und davon, dass sie das "verdammte Papier" schon unterschrieben hätten. Ja, dumm gelaufen. Der Verein sah sich zu einer prompten Stellungnahme genötigt. Darin werden die zu hohen Abzüge bei einigen Gehältern mit fehlerhaften Abrechnungen erklärt, was zutreffen dürfte. Was mir angesichts des vorliegenden Tondokuments hingegen weniger plausibel erscheint, ist die Versicherung von Hertha BSC, alle Spieler hätten die Maßnahme - sprich Reduzierung der Gehälter - begrüßt. Vielleicht war es tatsächlich so, zumindest einige Spieler hatten dabei aber offensichtlich die Faust in der Tasche ihrer Trainingsbuchse.

Hintergrund

Weitere Testungen am Montag

Corona-Tests bei Hertha und Union negativ

    

Überraschende Diagnosen?

Zu guter Letzt dürfen wir Kalou dann noch zum Corona-Test begleiten. Der maskierte Abstrichnehmer David de Mel - eigentlich Physio der Alten Dame - fordert seinen "Patienten" mehrmals deutlich vernehmbar auf, den Mitschnitt zu löschen, was Salomon aber eher als Aufforderung versteht, fröhlich weiter zu filmen. Ich vermute, angesichts der aktuell immer niedrigeren Infektionszahlen wird der Test bei Kalou negativ ausfallen, aber es würde mich nicht überraschen, wenn das Labor nebenbei zu einigen anderen bedenklichen Ergebnisse kommt. Verdacht auf Hirnschwurbel, was weiß ich denn schon.

Am Ende lautet die Fragen aller Fragen immer wieder: Cui bono? Wem nützt es? Oder, wie die alten Lateiner es übersetzen würden: Wem zum Vorteil? Also, wenn Salomon Kalou die Absicht hatte, mit diesem Live-Stream seinen Abgang von Hertha BSC herbeizuführen, dann dürfte es ein recht geschickter Schachzug gewesen sein. Vom Trainings- und Spielbetrieb ist Kalou bereits suspendiert, obwohl er sich in der offiziellen Stellungnahme des Klubs für sein Verhalten entschuldigt hat.

Sollte er jedoch nicht die Intention gehegt haben, die Flatter machen zu können, dann bliebe als Erklärung für sein Tun nur die Diagnose: Temporäre geistige Umnachtung, denn eigentlich ist Salomon Kalou doch ein sympathischer Kerl.

Sendung:  rbb24, 04.05.20, 21:45 Uhr

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