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Union-Fans zu geplanter Bundesliga-Fortsetzung

"Ein Saisonabbruch wäre ehrlicher"

Die Fußball-Bundesliga will unter allen Umständen die Saison zu Ende spielen. Es geht um sehr viel Geld. Doch mittlerweile sehen selbst die treuesten Union-Fans das kritisch. Von Jakob Rüger

Andreas Rohr ist Unioner durch und durch. Schon zu Mauerzeiten hielt er es mit dem 1.FC Union. Im Stadion An der Alten Försterei hat er seinen Stammplatz, bei jedem Heimspiel ist er dabei. Wenn so jemand droht, sich vom Fußball abzuwenden, dann liegt einiges im Argen. "Eigentlich sträubt sich bei mir alles, sich die Spiele anzuschauen", beschreibt Rohr seinen Gemütszustand. Fußballspiele ohne Publikum: Geht gar nicht für einen Union-Fan. "Die Geisterspiele vor der Corona-Pause waren am Fernseher gruselig. Ich weiß nicht, ob ich mir das anschauen will."

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"Kröte" Geisterspiele schlucken

Und doch scheint es keine andere Wahl zu geben. Der Profi-Fußball braucht das Geld aus der TV-Vermarktung und das fließt nur, wenn auch gespielt wird. Die Zuschauer im Stadion werden plötzlich nicht mehr benötigt. Sig Zelt, Union-Fan und Sprecher des bundesweiten Fanbündnisses ProFans meint, diese Kröte müssen die Fans jetzt schlucken: "Auch wenn wir es nicht schön finden, die Leute wollen doch ihre Vereine nicht untergehen sehen. Weil es für viele Klubs überlebenswichtig ist, habe ich den Eindruck, viele Fans würden das in Kauf nehmen." Auch die Union-Fans haben keine andere Wahl, die Eisernen sind mit ihren knapp 200 Mitarbeitern ebenfalls von den TV-Geldern abhängig. Die Köpenicker warten auf rund zehn Millionen Euro aus der Fernseh-Vermarktung.

"Das ist doch krass"

Sig Zelt kann bei der aktuellen wirtschaftlichen Notlage der gesamten Liga nur mit dem Kopf schütteln. "Das ist doch krass. Im Fußball werden Unsummen von Geldern erwirtschaftet, horrende Summen, die man sich kaum vorstellen kann", kritisiert der langjährige Union-Fan. "Die Vereine wirtschaften nicht nachhaltig. Wir haben eine sechswöchige Pause und die Vereine schreien nach Hilfe, weil sie diese Phase nicht überstehen können, das ist doch absurd." Kritik am System Profi-Fußball, mit den horrenden Ablösesummen, Gehältern und Beraterhonoraren, gibt es von den aktiven Fans schon seit vielen Jahren, auch wenn sie am Ende ein Teil dieses Systems sind.

Zustimmung für Bundesliga-Neustart sinkt

Weitermachen oder nicht - viele Fußballfans sind gerade hin und hergerissen. Auch Andreas Rohr: "Ich verstehe, dass Vereine mitmachen, weil sie abhängig vom Geld sind, aber dass die Abhängigkeit so groß geworden ist, dass man die Gesundheit aller Beteiligten gefährdet, dass erschreckt mich schon." Die Stimmung in der Bevölkerung für des Deutschen liebsten Sport, sie scheint zu kippen. In den sozialen Netzwerken herrscht viel Unverständnis, dass der Profi-Fußball Sonderregelungen bekommt, die anderen Branchen bislang verwehrt bleiben. Laut einer aktuellen Umfrage von Infratest dimap sind nur knapp ein Drittel der Befragten für einen Neustart der Bundesliga.

Die Sehnsucht nach dem Stadioerlebnis

Für leidenschaftliche Fußballanhänger wie Sig Zelt und Andreas Rohr ist das gerade keine einfache Zeit. "Es fehlt etwas und zwar ganz gewaltig", sagt Zelt. "Wir warten sehnsüchtig, dass wir wieder im Stadion sein dürfen." Fußball ist für Fans mehr als nur der Sport, es geht gerade bei Union auch um die sozialen Kontakte am Spieltag. "Ich gehe nicht nur hin, um schönen Union-Fußball zu sehen", macht Andreas Rohr klar. "Mein Verein bedeutet mir schon was, aber ich gehe auch hin, um mit Freunden und Bekannten einen Nachmittag zu verbringen und vielleicht doof rumzuquatschen, das geht gerade verloren. Mir fehlt eine Menge und ich versuche, nicht an Fußball zu denken." Andreas Rohr scheint die Lust am Fußball, so wie er sich gerade darstellt mit den drohenden Geisterspielen, zu verlieren. "Wir sind bei einem modernen Gladiatorentum angekommen, wo es weniger um sportliche, sondern mehr um wirtschaftliche Aspekte geht. Ich muss ehrlich sagen, ich weiß gar nicht, ob ich mir die Spiele anschauen will. Für mich ist die Saison eigentlich vorbei. Ich könnte auch mit einem Abbruch leben, das wäre wesentlich ehrlicher."

Sendung: Inforadio, 26.04.2020, 15:14 Uhr

Beitrag von Jakob Rüger

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