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Video: Brandenburg Aktuell | 12.11.2020 | Lucia Heisterkamp | Quelle: Lucia Heisterkamp/rbb

Trotz hohem Infektionsrisiko

Kein Konzept für Corona-Schutz in Asylunterkünften

Zu Beginn der Corona-Pandemie kam es in zahlreichen Geflüchteten-Unterkünften zu Ausbrüchen des Virus. Sie gelten als potentielle Hotspots, weil dort viele Menschen auf engem Raum zusammenleben. Die Situation hat sich kaum verbessert. Von Lucia Heisterkamp

Das Zimmer von Mehar Zia ist knapp 14 Quadratmeter groß. Zwei Betten stehen darin. Er teilt es sich mit seinem Mitbewohner. Der Mann aus Pakistan trägt eine Maske, auf dem Fensterbrett steht eine Flasche Desinfektionsmittel. Damit versucht er, sich vor Corona zu schützen. Wie überall im Haus gilt in seinem Zimmer die Abstandsregel von 1,50 Meter.

Etwas mehr als 100 Geflüchtete leben in der Gemeinschaftsunterkunft in Müncheberg (Märkisch-Oderland), die vom Internationalen Bund betrieben wird. Sie leben auf vier Stockwerken, teilen sich vier Gemeinschaftsküchen. Abstand halten auf so engem Raum ist eine Herausforderung, räumt auch der Leiter der Unterkunft, Stephanus Bratengeier, ein. Die Geflüchteten leben teilweise zu viert in Mehrbettzimmern - auch mit Menschen, die nicht zu ihrem Haushalt gehören. "Abstand halten ist da schwierig, aber es ist nicht unmöglich", sagt Bratengeier.

Ausbreitung wie auf Kreuzfahrtschiffen

Außerhalb ihrer Zimmer gilt im gesamten Haus Maskenpflicht, auch in den Küchen und Waschräumen. Die meisten Geflüchteten halten sich daran, sagt Bratengeier. Bislang gab es noch keinen Corona-Fall in der Unterkunft. Doch wie schnell sich das Virus in Asylunterkünften ausbreiten kann, zeigen die Erfahrungen aus der ersten Corona-Welle.

Zahlreiche Unterkünfte in Brandenburg standen wochenlang unter Quarantäne. So etwa die Einrichtungen in Hennigsdorf (Oberhavel), Potsdam, Templin (Uckermark) oder Bad Belzig (Potsdam-Mittelmark). Eine Studie der Universität Bielefeld kam im Mai zu dem Schluss, dass sich Corona in Flüchtlingsunterkünften ähnlich schnell ausbreitet wie auf Kreuzfahrtschiffen.

Eine Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der Linken zeigt, dass sich im Juni 1,7 Prozent aller Geflüchteten in Brandenburger Asylunterkünften mit Covid-19 infiziert hatten, und damit deutlich mehr als in der Brandenburger Allgemeinbevölkerung. Dort lag der Schnitt bei 0,1 Prozent.

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Keine Schnelltests für Asylunterkünfte

Neue Konzepte zum Schutz von Flüchtlingsheimen wurden, anders als etwa in Alten oder Pflegeheimen, trotzdem nicht entwickelt. Über Schnelltests in Asylunterkünften würde man nicht nachdenken, sagt Landrat Gernot Schmidt (SPD) gegenüber dem rbb, der in Märkisch-Oderland für die Unterbringung von Geflüchteten zuständig ist. Auch die Unterbringung von Geflüchteten in eigenen Wohnungen lehnt der Landrat ab. "Auch in Corona-Zeiten wollen wir nicht von unserer Asylpolitik abrücken", so Schmidt.

Christian Rasche vom Aktionsbündnis Offenes MOL sieht darin ein Zeichen dafür, dass Geflüchtete wie "Menschen zweiter Klasse" behandelt werden. "Wir haben in der Gemeinschaftsunterkunft Müncheberg auch ältere Menschen. Menschen mit Lungenkrankheiten, Menschen mit Vorerkrankungen. Und auch die werden weiter hier untergebracht und nicht in sichere Wohnungen gebracht."

Christian Raschke fordert zum Schutz der Menschen eine Entzerrung der Unterkünfte. Doch der Landrat hält am Konzept der Einrichtungen fest. Geflüchtete wie Mehar Zia müssen wohl weiter darauf hoffen, dass sie vom Virus verschont bleiben.

Sendung: Brandenburg Aktuell, 12.11.2020, 19:30 Uhr

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Beitrag von Lucia Heisterkamp

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