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Audio: Antenne Brandenburg | 16.12.2020 | Marie Stumpf | Quelle: Marie Stumpf/rbb

Andrang seit Corona

Schule in Strausberg unterrichtet komplett im Freien

Wie Corona und Schule zusammen gehen, daran hat sich in der letzten Zeit so manch ein Politiker die Zähne ausgebissen. Die Jugendschule Strausberg hat dafür eine Lösung gefunden: Seit eineinhalb Jahren wird dort im Freien unterrichtet. Von Marie Stumpf

Heute steht Bäume fällen auf dem Stundenplan. Im Schulgarten der Jugendschule Strausberg in Märkisch-Oderland soll eine Anbaufläche für Gemüse entstehen, dafür müssen die Bäume weichen. Mit einem lauten Krachen fällt der erste. Die 14-jährige Dorothea sägt den Stamm unten säuberlich ab. Zwei ihrer Mitschüler tragen den Baum dann zu einem Holzhaufen ein paar Meter entfernt.

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"Im ersten Winter hab ich gefroren"

Bei knapp 4 Grad Außentemperatur ist das wahrlich eine kalte Angelegenheit. Die Schüler der Jugendschule Strausberg sehen darin aber bloß eine Gewöhnungssache. "Man härtet sich ab mit der Zeit", erzählt der Zehntklässler Leon. "Im ersten Winter hab ich schon gefroren, aber jetzt beim zweiten bin ich vorbereitet." So sieht das auch Dorothea, die schon wieder ihre Säge ansetzt. "Ich hab meine gefütterte Hose und viele Schichten Jacken und Pullover an", verrät sie.

Learning by doing

Neben der Handhabung der Werkzeuge lernen die Schüler beim Bäumefällen auch etwas über Physik, beispielsweise wie ein Baum abgesägt werden muss, damit er in die richtige Richtung fällt. Genau das ist das Konzept der Jugendschule Strausberg. Als Außenstelle der Montessori-Schule in Berlin-Köpenick folgt sie dem Montessori-Prinzip: Die Kinder sollen selbst Verantwortung übernehmen.

Normale Fächer und einen festen Stundenplan gibt es nicht, dafür alle sieben Tage einen neuen Wochenplan. Darin enthalten sind wechselnde Projekte, wie die Pflege des Schulgartens, Reparaturen im Gelände, der Bau einer Hundehütte oder Feuerstelle. Betreut und angeleitet werden die Kinder von drei Pädagogen. Zwei von ihnen sind staatlich anerkannte Lehrer, einer ist Quereinsteiger.

Ziel ist es, theoretische Inhalte direkt in der Praxis zu erlernen, ganz nach dem Motto Learning by doing. "Zum Beispiel haben wir mal einen Überstand für eines unserer Zelte gebaut. Und das musste so geschnitten werden, dass es passt. Da haben wir zum Beispiel die Innenwinkel aus der Mathematik wiederholt", erzählt Schulleiter Timo Nadolny.

Schüler beim praktischen Unterricht im Freien | Quelle: Marie Stumpf/rbb

Keine Noten, aber Abschlüsse

Jeder Schüler kann selbst entscheiden, bei welchem Projekt er mitmachen möchte. Um die nächste Klassenstufe zu erreichen, muss aber jeder zwei Leistungsnachweise pro Themengebiet, wie etwa Mathe, Gesellschaftswissenschaften oder Naturwissenschaften, erbringen. Das geschieht unter anderem in Form von Tests, mündlichen Prüfungen oder Präsentationen.

Zeugnisse zwischen den einzelnen Klassenstufen gibt es allerdings nur in Textform. Noten werden nicht vergeben. Eine Ausnahme bilden die Schulabschlüsse, wie der Mittlere Schulabschluss nach der 10. Klasse. Hierbei schreiben die Schüler der Jugendschule Strausberg die gleichen Prüfungen, wie die Schüler an anderen Schulen. Die Abschlüsse sind staatlich anerkannt.

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Theoretischer Unterricht drinnen und draußen

Darüber hinaus gibt es regelmäßige Zeiten, in denen die Schüler schriftliche Mathe- und Deutschaufgaben bearbeiten. Im Sommer tun sie auch das draußen. Wenn es kälter wird, ziehen sie sich in Kleingruppen von maximal vier Personen in kleine Jurte-Hütten zurück, die auf dem rund drei Hektar großen Gelände verteilt sind.

Die normale Schule fehlt den Schülern nicht

"Ich hab das Gefühl, ich lern viel vielseitiger, als in der normalen Schule", sagt Dorothea. Die normale Schule fehle ihr überhaupt nicht. Ihr Mitschüler Leon sieht die neue Art des Lernens auch als eine Chance für seine spätere Berufswahl. Er möchte etwas Handwerkliches machen. Dafür steht er nun kurz vor seinem Mittleren Schulabschluss.

Höhere Nachfrage durch Corona

Das Konzept der Jugendschule Strausberg gibt es schon seit knapp anderthalb Jahren und somit lange vor Corona. Doch gerade jetzt findet es besonderen Anklang. "Wir merken, dass die Nachfrage und das Interesse, an dem was wir ohnehin schon immer gemacht haben, immer größer wird", sagt Schulleiter Timo Nadolny. "Es ist verrückt, dass es dafür Corona braucht, um auf diese Pädagogik aufmerksam zu machen."

In anderthalb Jahren habe sich die Anzahl der Schüler von 13 auf 23 erhöht. Aktuell gebe es so viele Anfragen, dass er Sorge habe, im nächsten Jahr nicht alle interessierten Schüler aufnehmen zu können, sagt Nadolny.

Homeschooling ab Januar

Trotz des besonderen Konzeptes müssen aber auch die Schüler der Jugendschule Strausberg ab Januar erstmal wieder zu Hause unterrichtet werden. Für die meisten ist das allerdings kein Problem, sagen sie. Denn bereits jetzt ist die Hälfte von ihnen im Homeschooling, die andere vor Ort. Und jede Woche wird getauscht.

Sendung: Antenne Brandenburg, 16.12.2020, 14:40 Uhr

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Beitrag von Mair Stumpf

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