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Video: Abendschau | 27.04.2020 | U. Sturmhoebel/T. Förster | Quelle: dpa/Schmidt

Angst vor Covid-19

Betrüger machen miese Geschäfte mit "Wundermitteln"

Das Coronavirus verunsichert - und mit der Angst sind mittlerweile auch faule Geschäfte entstanden. Im Netz werden vermeintliche Wundermittel angepriesen. Die Leute dahinter kassieren nicht nur ab, sondern gefährden auch ihre Käufer. Von Thomas Förster

Chlordioxid sieht harmlos aus. Es ähnelt Cola, ist aber eine gefährliche Chemikalie, zusammengesetzt aus Zitronensäure und Natriumchlorit. Natriumchlorit kann schwere Augenschäden verursachen und auch Organe wie die Milz schädigen. Dennoch wird diese Kombination im Internet als Medizin gegen das Coronavirus beworben.

Der Berliner Arzt und Apotheker Wolfgang Becker-Brüser befasst sich schon lange mit angeblichen Wundermitteln. Er ist Chefredakteur der medizinischen Fachzeitschrift arznei-telegramm. Das mit der Corona-Pandemie auch Geld gemacht wird, war für ihn von Anfang an klar: "Ich habe erwartet, dass auch Corona ausgenutzt wird, um Menschen in ihrer Angst dazu zu bringen, Nahrungsergänzungsmittel oder andere Produkte zu kaufen." Das Prinzip sei nicht neu, "nur die Krankheiten würden gegeneinander ausgetauscht, während die sonstige Vorgehensweise der Hersteller und Händler gleich bleibe".

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Die Viren einfach verbrennen – und noch viel mehr

Chlordioxid setzt man eigentlich zum Desinfizieren oder Bleichen ein. Der Biophysiker Andreas Ludwig Kalcker behauptet aber, wenn man Chlordioxid trinke, würden durch einen komplizierten Prozess alle Viren verbrennen. Er und andere preisen Chlordioxid seit Jahren als Wundermittel an, ob gegen Leberzirrhose, Magenkrebs oder Kolitis. Vor fünf Jahren berichtete das ARD-Magazin Kontraste darüber.

Nun soll Chlordioxid also gegen das Coronavirus helfen. Doch die Einnahme ist extrem gefährlich. Erst vor wenigen Tagen hat die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA gewarnt, man soll das Mittel nicht anwenden, gefährliche Organschäden könnten die Folge sein.

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"Dann verstoßen sie gegen ihren ärztlichen Eid"

Auch homöopathische Mittel werden als Corona-Killer angepriesen, aktuell etwa Globuli mit Arsensäure. Der Anteil der Säure ist dabei so verschwindend gering, dass sie fast nicht mehr nachweisbar ist.

Homöopathie-Anhänger feiern im Netz angebliche Wunderheilungen vom Coronavirus, ein Beispiel: Ein Fünfjähriger sei dank Globuli nach nur vier Tagen wieder fit gewesen. Sogar die Hahnemann-Gesellschaft homöopathischer Ärzte behauptet: Mit Homöopathie kann man das Coronavirus erfolgreich behandeln. Für Becker-Brüser ist das ein skrupelloses Verhalten der Mediziner: "Ich denke, wenn das Ärzte sind, dann verstoßen sie gegen ihren ärztlichen Eid."

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Apotheken verkaufen "Präparate gegen Corona"

Das rbb-Verbrauchermagazin SUPER.MARKT hat 30 Apotheken in Berlin und Brandenburg per Mail gefragt: Gibt es homöopathische Mittel, die gegen das Coronavirus helfen? Gut die Hälfte der angeschriebenen Apotheker hat geantwortet. Von denen sagt wiederum die Hälfte, derzeit gäbe es kein Mittel gegen das Coronavirus.

Doch es treffen auch fragwürdige Antworten ein: Aus Senftenberg wird Naturheilkunde wie Propolis, Taigawurzel und Pelargonienwurzel empfohlen. Aus Berlin-Lichtenberg gibt es den Tipp, Mikronährstoffe und Vitamin D zu nehmen, um das Immunsystem zu stärken. Zusätzlich erkundigt sich ein Lockvogel der Redaktion vor Ort in verschiedenen Apotheken, ob es homöopathische Mittel gegen das Coronavirus gebe. Ihm werden tatsächlich pflanzliche Präparate empfohlen, die das Immunsystem stärken sollen.

Arzneimittelexperte spricht von "Profitgier"

Einige Mitarbeiter in den Apotheken hätten sich viel Zeit genommen, so der Lockvogel: "Die haben mich wirklich lange beraten und alle Möglichkeiten - von Vitaminen bis hin zu Mitteln, die halt das Immunsystem stärken sollen - vorgeschlagen." Unter den Tipps, mit denen man angeblich die Covid-19-Symptome lindern könne: auch Globuli.

Dies sei reine Profitgier, sagt der Arzneimittelexperte Becker-Brüser: "Ich würde keine Mikronährstoffe und Vitamine verkaufen, um das Immunsystem zu stärken oder einen Schutzwall aufzubauen gegen irgendwelche Infektionen." Solche Wirkungen seien einfach nicht belegt und darum sei dies auch letztlich "irgendwie eine Art von Geschäftemacherei".

Auch andere rezeptfreie Präparate wie etwa Nahrungsergänzungsmittel sollen gegen das Coronavirus helfen. Eine Heilpraktikerin empfiehlt auf SUPER.MARKT-Anfrage ein Präparat aus Kapuzinerkresse und Meerrettich. Eine Firma wirbt für ihre Lutschtabletten Cystus: Je zwei sollen als Infektblocker wirken, wenn man unter Menschenmassen geht. Die Hauptbestandteile des Mittels sind Traubenzucker, Bananenpulver und Zistrosen-Extrakt. Auch ein bestimmtes Erkältungsspray soll gegen die Coronaviren schützen. Es ist derzeit enorm nachgefragt und ausverkauft.

Der Nutzen wird lediglich vorgegaukelt

Für Britta Schautz von der Verbraucherzentrale Berlin gehört die Werbung für solche Produkte verboten: "Es müssen ganz schnell Regelungen getroffen werden und gegen einzelne Anbieter vorgegangen werden, die solche Aussagen treffen." Es sei unverantwortlich, schnelle Heilung zu versprechen, denn diese Versprechen seien "für den Verbraucher als erstes gar nicht überprüfbar. Er hat das Hintergrundwissen nicht und klammert sich vielleicht an jeden Strohhalm. Das sehen wir als ein sehr großes Problem an."

Auch Fachautor Becker-Brüser sagt: "Hier wird die Angst der Menschen ausgenutzt, um ein Produkt zu verkaufen und ihnen vorzugaukeln, dass es einen Nutzen hätte." Doch das sei reine Illusion. Noch ist weder ein Arzneimittel noch ein Impfstoff auf dem Markt, das wirksam gegen das Coronavirus hilft. Der Kauf von Präparaten ist darum Geldverschwendung und gefährdet sogar die Gesundheit.

Sendung: SUPER.MARKT, 27.4.2020, 20.15 Uhr

Beitrag von Thomas Förster

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