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Quelle: dpa/Christoph Hardt

Interview | Berliner Flughäfen vor Neustart

"Der Flugverkehr muss wieder anfahren"

Am Montag fallen die Reisebeschränkungen für EU-Länder. Viele Airlines wollen dann wieder Flüge ab Tegel oder Schönefeld anbieten. Normalität wird auf absehbare Zeit nicht herrschen, sagt Daniel Tolksdorf, Sprecher der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg.

rbb|24: Am Montag fallen die Reisewarnungen für eine Reihe europäischer Länder. Wird es dann auch wieder mehr Flüge geben, um ab Tegel oder Schönefeld eine Urlaubsreise zu machen?

Daniel Tolksdorf: Ja. Wir merken tatsächlich, dass die Airlines vermehrt Flüge anbieten wollen. Wir sind da in sehr engem Austausch. Das ist einer der Gründe, weshalb wir uns entschlossen haben, Tegel nicht temporär außer Betrieb zu nehmen, sondern den Platz und den Raum zu bieten, um unter Corona-Bedingungen einen sicheren Flugverkehr abwickeln zu können.

Wie dicht könnte der Flugplan denn kommende Woche sein?

Vor der Pandemie hatten wir bis zu Tausend Starts und Landungen am Tag - mehr als 550 in Tegel und über 400 in Schönefeld, bei etwa 110.000 Fluggästen täglich; in den Ferien mehr. Derzeit sind wir ungefähr bei 3.000 Fluggästen am Tag. Wir erwarten natürlich, dass das nächste Woche steigt. Es wird aber nicht so sein, dass am 15. Juni ein Schalter umgelegt wird und dann alles anders als am Vortag ist. Stattdessen wird der Flugbetrieb ab Montag beginnend die ganze Woche über langsam zunehmen. An beiden Flughäfen zusammen werden wir am Ende der Woche wieder deutlich dreistellig bei den Starts und Landungen sein. Diesen langsamen Anstieg erwarten wir über einen längeren Zeitraum.

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Wie weit im Voraus muss der FBB klar sein, was da jetzt wieder auf die Flughäfen zukommt?

Grundsätzlich sind wir mit den Airlines und all unseren Partnern im Flugverkehr in ganz, ganz engem Austausch. Für den sicheren Betrieb braucht es das Zusammenspiel vieler Prozessbeteiligter. Das ist der Bodenverkehrsdienstleister, der sich um die Koffer kümmert und die Treppe ans Flugzeug fährt; der Dienstleister, der die Tankwagen fährt; die Sicherheitsorgane wie Bundespolizei und Landespolizei. Gemeinsam mit den Airlines sind wir alle dafür verantwortlich, dass der Flugbetrieb möglichst reibungsarm wieder anläuft und stabil funktioniert. Oberste Priorität bleibt, dass alles sicher abläuft. Technisch sicher, aber jetzt in Corona-Zeiten auch möglichst gesundheitlich sicher für die Passagiere.

Welche Regeln gelten denn für die Passagiere, wenn sie ab Montag zu den Flughäfen kommen; auf was muss man sich da einstellen?

Auch bei uns gelten die Hygieneregeln. Abstand von 1,5 Metern sollte eingehalten werden, in den Terminalgebäuden muss ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden. Pro Passagier ist ein Handgepäck erlaubt, das erleichtert die Sicherheitskontrolle. Nach Möglichkeit sollte der Online-Check-In genutzt werden. Wir bitten darum, direkt nach der Ankunft das Terminal wieder zu verlassen. Und Abholer sollten idealerweise vor dem Ausgang warten. Mit vielen kleinen Maßnahmen versuchen wir Ansammlungen zu vermeiden.

Es gelten aber natürlich auch weiterhin alle Regeln, die sonst beim Fliegen zu beachten waren. Auch jetzt muss man zwei Stunden vor Abflug am Flughafen sein; die Power-Bank darf auch jetzt nicht ins Aufgabegepäck, sondern gehört weiterhin ins Handgepäck.

Es gibt Airlines, bei denen ist ein Mundschutz für die Passagiere vorgeschrieben, bei anderen ist das nicht zwingend. Hat die FBB irgendeinen Einfluss darauf, wie das gehandhabt wird?

Die Regeln an Bord bestimmen die Airlines. Wo wir tatsächlich Einfluss haben, ist, gemeinsam mit allen Beteiligten den Abfertigungsprozess so zu organisieren, dass sich keine unnötigen Schlangen bilden und die Gate-Bereiche nicht übervoll sind. Ein konkretes Beispiel: Idealerweise versuchen wir gerade Walk-Boarding zu machen. Die Maschinen stehen dann sehr nah am Terminal, so dass man sie zu Fuß erreichen kann. So entfällt die Enge in den Passagierbussen. Auch Premium-Airlines machen das derzeit gerne.

Natürlich wird es irgendwann einen Punkt geben, an dem wir so viel Verkehr haben, dass wir auch wieder Bus-Boarding durchführen müssen. Dann wollen wir weniger Busse einsetzen und die dafür öfter fahren lassen. Das verhindert, dass sich beispielsweise bei Einreisekontrollen im Terminal eine unnötige Schlange bildet. Wir versuchen den Gesamtprozess möglichst Corona-gerecht und sicher zu gestalten.

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Wird dann auch wieder alles geöffnet haben, die Geschäfte und die Restaurants?

Die Geschäfte fangen jetzt wieder an zu öffnen, aber das wird sicher noch nicht auf alle am 15. zutreffen. An beiden Flughäfen werden werden auch nicht alle Terminals sofort am Montag öffnen, sondern sich an den Bedarf anpassen.

Wie kommt das denn bei Ihren Mietern an?

Unsere Mieter freuen sich, dass es wieder losgeht.

Aber es wird ja auch einige geben, die dann noch nicht wieder anfangen können.

Also in Tegel ist zum Beispiel das Terminal A auch jetzt schon zugänglich und die ersten Geschäfte haben bereits geöffnet. Auch die Gastro-Einheiten ziehen jetzt nach.

In einem Restaurant oder im Sportverein muss man sich derzeit in Listen eintragen, falls es zu einer Situation kommt, in der eine Nachverfolgung sinnvoll ist. Theoretisch ist das am Flughafen einfacher, schließlich gibt es bereits Passagierlisten. Wird sich die FBB irgendwie an einer Rückverfolgung beteiligen, falls es Krankheitsfälle gibt?

Wir sind seit Beginn der Corona-Krise bereits im Austausch mit den zuständigen Gesundheitsämtern. Pauschal lässt sich sagen, dass bei uns im Flughafen all das gilt, was im Einzugsgebiet des jeweiligen Gesundheitsamtes gilt. In Tegel ist das Gesundheitsamt Berlin-Reinickendorf zuständig und in Schönefeld gilt, was im Landkreis Dahme-Spreewald vorgeschrieben ist. Wir bitten unsere Fluggäste auch, sich vor Reisebeginn bei den jeweiligen Airlines zu informieren, welche Regeln innerhalb der Flugzeuge gelten. Wir als Flughafengesellschaft tun alles, was in unseren Möglichkeiten steht.

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Wird es besondere Verhaltensregeln für die Mitarbeiter geben? In einigen Bereichen kommen sich die Leute bei der Arbeit ja normalerweise ziemlich nah, etwa bei der Bodenabfertigung.

Wir haben bereits jetzt schon sicheren Flugverkehr, es wird dann nur mehr. Die Maskenpflicht im Terminal gilt selbstverständlich auch für das Personal, die Dienstleister und auch die Luftsicherheitskräfte tragen Masken. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für die Einhaltung der Hygieneregeln sensibilisiert. Das gehört sich auch so. Sicherheit hat am Flughafen oberste Priorität - egal, ob es technische Sicherheitsvorkehrungen betrifft oder gesundheitliche. Wir haben verstärkt Desinfektionsmittel zur Verfügung gestellt, kontrollieren das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes beim Eingang in die Terminals. Wenn Passagiere das Tragen vergessen, erinnern wir sie selbstverständlich daran.

Welche Erwartungen hat die FBB an diesen Neustart?

Der Neustart ist für uns auch eine gewisse Herausforderung. Es ist ein bisschen anders, als das Wiederanlaufen des Flugverkehrs nach einer temporären Einstellung, wenn etwa eine Weltkriegsbombe in der Einflugschneise unschädlich gemacht werden musste. Nach so einer Situation können Sie relativ reibungsarm den Flugverkehr wieder anlaufen lassen, das geht sehr, sehr schnell. Jetzt ist es tatsächlich ein bisschen komplizierter, da die Airlines natürlich ihre Flüge auch voll bekommen müssen. Außerdem sind die Flugzeuge an verschiedenen Standorten abgestellt. Da muss man einfach gucken, wie es anläuft. Wir erwarten jetzt eine spürbare Zunahme und gemeinsam mit allen Prozessbeteiligten müssen wir dann gemeinsam so reagieren, dass es möglichst sicher abläuft.

Eine Besonderheit der Berliner Flughäfen ist ja, dass es kaum Umsteigeverkehr gibt. Die meisten Passagiere fliegen direkt hier her und nutzen dafür sehr oft auch günstige Anbieter. Das sind aber auch Unternehmen die derzeit besonders leiden. Bei der wichtigsten Kundin der FBB, Easyjet, steht wohl eine große Entlassungswelle bevor. Wie wird all das die Flughäfen in Tegel und Schönefeld beeinflussen?

Die Corona-Krise wird uns noch eine Zeitlang begleiten. Wir müssen jetzt einfach das Beste aus der Situation machen und der Flugverkehr muss wieder anfahren. Damit unterstützen wir auch die schnelle wirtschaftliche Erholung der Metropolregion. Die Berliner Flughäfen hatten aus historischen Gründen schon immer verhältnismäßig wenige Langstreckenverbindungen. Was jetzt wieder vermehrt angeflogen werden wird, sind die Warmwasserziele innerhalb Europas. Da gibt es derzeit auch mit Blick auf die Sommerferien wieder eine verstärkte Nachfrage. Wenn die Reisebeschränkungen für außereuropäische Ziele aufgehoben werden, kommen sicher auch nach und nach die Langstrecken zurück.

Um dieser ganzen Situation für Sie auch etwas Positives abzugewinnen: Den Umzug zum BER dürfte es ja durchaus erleichtern, dass es dann etwas gemächlicher zugehen könnte?

Es gibt Dinge, die jetzt im Rahmen der Eröffnung einfacher fallen werden. Wir müssen mit dem BER jetzt nicht unter Volllast starten. Unser Testprogramm wird unter Corona-Bedingungen allerdings deutlich anspruchsvoller. Wir hatten eigentlich mit 20.000 freiwilligen Testern geplant, jetzt werden wir maximal 9.000 benötigen. Nichtsdestotrotz werden wir den BER sicher am 31. Oktober eröffnen und auch reibungslos von Anfang an an den Start gehen. Ich denke, dass sich unterm Strich die Bedingungen ausgleichen werden.

Das Gespräch führte Oliver Noffke für rbb|24

 

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