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Audio: Antenne Brandenburg | 01.07.2020 | Dilan Polat | Quelle: dpa/Dominic Lipinski

300 Euro ab September

Warum nicht alle Eltern gleichermaßen vom Kinderbonus profitieren

300 Euro pro Kind sollen in diesem Jahr an Familien ausgezahlt werden. Das Ziel: Belastungen durch Corona auffangen, Konjunktur ankurbeln. Doch: Wie sind die Konditionen genau? Und was sagen Betroffene dazu?

Und so kommt der Kinderbonus an bei ... Familien mit mittlerem Einkommen

Familien mit Kindern waren durch die Schließung von Kitas und Schulen in den vergangenen Monaten sehr belastet. Nadine Bloy aus Königs Wusterhausen beispielweise konnte ihren zweijährigen Sohn nicht in die Kita geben - während sie im Home-Office weitergearbeitet hat. "Eigentlich habe ich erst arbeiten können, wenn mein Mann wieder zuhause war und sich um den Kleinen gekümmert hat", resümiert Bloy.

Der Kinderbonus soll laut Bundesfamilienministerin Franziska Giffey eine Art Aufwandsentschädigung für diese Mehrbelastung darstellen. Das empfindet Nadine Bloy anders: "Es heißt ja nicht umsonst Konjunkturpaket. Es soll die Wirtschaft ankurbeln. Es soll nicht eine Unterstützung für Familien sein, sondern es soll wieder in den Wirtschaftskreislauf fließen."

Nadine Bloy hat allerdings nicht vor, das Geld auszugeben. Die Bloys haben ein mittleres Einkommen, so dass von dem Kinderbonus nicht viel übrig bleibt. Denn der Bonus wird bei der Steuer mit den Kinderfreibeträgen verrechnet. Je höher das Familieneinkommen, desto weniger profitiert sie von Kinderbonus.

Doch Nadine Bloy empfindet den Kinderbonus auch aus einem anderen Grund als Augenwischerei: "Gebt das Geld nicht den Eltern. Auch für Eltern mit niedrigem Einkommen sind 300 Euro nicht die Welt. Den Eltern bringt es viel mehr, wenn ihr in Kitas und Schulen investiert. Wenn man sich mal anschaut, wie Schulen ausgestattet sind, das ist so schlimm. Digitales Lernen ist da gar nicht möglich."

... Familien mit vielen Kindern

Nach Regierungsangaben sollen die 300 Euro extra pro Kind gezielt Familien mit niedrigen Einkommen unterstützen. Familie Model aus Schönefeld freut sich über den Kinderbonus: Bei sechs Kindern bekommt sie 1.800 Euro vom Bund. Jacqueline Model sieht das als Schmerzensgeld an: "Es hat so viele Nerven gekostet mit den Kindern zuhause. Allein das Home-Schooling bei Kindern, die alle in verschiedenen Klassenstufen sind. Da war auch nicht die Zeit, dass ich hätte mit jedem Einzelnen seine Aufgaben machen können."

Allerdings versteht Jacqueline Model nicht, warum der Kinderbonus erst ab September ausgezahlt wird: "Warum kommt das Geld nach den Sommerferien? Das ist Quatsch. Warum nicht davor, so dass man das Geld als Urlaubsgeld hätte nutzen können?" Auch wenn sich Jacqueline Model über den Kinderbonus freut, hat sie nicht das Gefühl, dass Familien in Deutschland wirklich gesehen und unterstützt werden: "Eigentlich müssen heutzutage beide Eltern arbeiten gehen, um einen gewissen Lebensstandard zu haben, um mal in den Urlaub fahren zu können. Und sogar das reicht ja nicht aus, wenn eine Mutter Teilzeit arbeiten geht. Damit es reicht, müssen einfach die Löhne hoch."

... bei Alleinerziehenden

Gerade während der strikten Corona-Maßnahmen war die Betreuung für Alleinerziehende schwer zu stemmen. Maria Simon aus Königs Wusterhausen hatte aber viel Zeit mit ihrer 14-jährigen Tochter: "Wir haben ausgemistet und sind Projekte zusammen angegangen, die schon länger anstehen. Aber es stimmt schon. Gerade Mütter hatten eine Dreifach-Belastung: Auf einmal mussten wir nicht nur Mutter, sondern auch noch Lehrerin und Erzieherin sein."

Über die 300 Euro freut sich Maria Simon. Allerdings wird der Kinderbonus hälftig mit dem Kindesunterhalt verrechnet: Das bedeutet, dass 150 Euro der Unterhaltszahler bzw. die Unterhaltszahlerin bekommt.

Birgit Uhlworm, Vorsitzende des Vereins für Alleinerziehende Shia, sieht darin eine "Ungleichbehandlung". "Generell werden Familien in diesem Land selten mitgedacht", sagt Uhlworm. "Zu Corona-Zeiten wurde dann viel über Familien geredet, aber niemand hat mit den Familien geredet und sie gefragt, was sie denn wirklich brauchen."

Alleinerziehende sollen darüber hinaus unterstützt werden, indem der Entlastungsbetrag von derzeit 1.908 Euro auf 4.000 Euro für die Jahre 2020 und 2021 angehoben wird.

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Ungerecht findet die Lösung auch Miriam Hoheisel, Bundesgeschäftsführerin des Bundesverbands alleinerziehender Mütter und Väter "Die Kosten entstehen da, wo das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat, wo es aufwächst." Beispielsweise hätten Alleinerziehende mehr Kosten gehabt, weil das Mittagessen während der Zeit der geschlossenen Schulen ausgefallen sei. Auch Technik für Home-Schooling mussten sich viele Alleinerziehende erst anschaffen. Bei der Zerreißprobe, vor der sie die vergangenen Monate gestanden hätten, sei eine Auszahlung direkt an Alleinerziehende notwendig, so Hoheisel.

Statt des einmaligen Kinderbonus' wünscht sich der Verband der Alleinerziehenden auch eine langfristige Lösung in der Krise. Immer wieder werden Forderungen nach einem Corona-Kindergeld laut. Denn bisher könnten Eltern nur finanzielle Hilfe beanspruchen, wenn sie wegen der Kindererziehung ihrer Arbeit nicht nachgehen konnten oder können.

... bei Familien mit Grundsicherung

Bei Familien, die Leistungen nach dem SGB II bekommen, wird der Kinderbonus nicht als Einkommen gezählt. Aber auch hier, sagt Birgit Uhlworm, brauche es eine dauerhaftere Unterstützung: "Familien, die ALG II beziehen, brauchen monatlich einfach mehr Geld. Eine weitere Forderung, die wir Familienverbände schon länger haben, ist, dass Bildungs-, Kultur- und Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche kostenfrei sein müssen - und das aus Gründen der Gleichberechtigung. Kinder brauchen gleiche Chancen, denn der Bildungserfolg der Kinder hängt in Deutschland vom sozialen Stand der Eltern ab."

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