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Quelle: ZB

Ausschuss zu BER-Finanzen

Wer rechnet wie beim neuen Flughafen?

Droht dem Flughafen BER nach der Inbetriebnahme ein Finanzdesaster? Eine Studie legt das nahe. Deren Verfasser werden am Donnerstag im Abgeordnetenhaus gehört. Das könnte spannend werden - denn die Flughafengesellschaft hat ganz andere Zahlen vorgelegt. Von René Althammer, rbb24 Recherche

Es könnte heiß hergehen am Donnerstag, wenn sich die 13 Mitglieder des "Unterausschusses Beteiligungsmanagement und -controlling" des Berliner Abgeordnetenhauses treffen. Der Unterausschuss mit dem wenig verheißungsvollen Namen hat eine große Bedeutung für die Berliner Steuerzahler, denn seine Mitglieder kümmern sich um die "großen Beteiligungen" des Landes Berlin: die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und 15 weitere Unternehmen, darunter auch die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg GmbH (FBB). Sie kontrollieren quasi im Auftrag der Bürger die Investitionen des Landes, kümmern sich um die Situation der Unternehmen und ihre Strategien – meist in nicht-öffentlicher Sitzung, denn es geht oft um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.

Studie sieht Verluste, die Flughafengesellschaft nicht

Auf der Tagesordnung am Donnerstag stehen unter anderem der Businessplan der FBB, der Lärmschutz und die Verkehrsanbindung des neuen BER. Und es gibt besondere Gäste: Karl-Heinz Wolf und Harald Krehl. Wolf ist Wirtschaftsprüfer und Krehl ein anerkannter Rating-Experte. Gemeinsam mit dem Projektmanager Hans Georg Gemünden haben sie im April eine Studie vorgestellt, in der sie zu dem Ergebnis kamen, dass der FBB nach Inbetriebnahme des neuen BER ein Finanzdesaster droht. Für die Freunde der Bilanzprüfung: Die Autoren sind der Überzeugung, dass der Flughafengesellschaft wegen der bislang knapp sechs Milliarden Euro Baukosten und bislang unklarer Abschreibepraktiken eine bilanzielle Überschuldung droht - und außerdem wegen zu geringer Einnahmen ein Liquiditätsengpass. Alles ohne jeglichen Corona-Einfluss.

Die FBB hält dagegen, dass der Konzern gut aufgestellt sei und allein schon wegen der neuen Entgeltordnung am BER von einer Steigerung der Umsatzerlöse von 40 bis 50 Prozent ausgeht. Im Mai sprach Flughafenchef Lütke-Daldrup sogar von gut 70 Prozent, doch davon spricht schon lange niemand mehr - öffentlich.

Eigene Berechnungen des rbb, die bislang nicht widerlegt wurden, wecken Zweifel an den Prognosen der Flughafengesellschaft. Danach liegen die Einnahmen aus dem reinen Flugbetrieb, also dem, was die Airlines für Starts- und Landungen und alles was dazugehört, bezahlen müssen, bei höchstens 25 Prozent. Und ob die erhofften Mehrerlöse durch die Parkhäuser, neue Geschäfte und Restaurant erzielt werden können, halten viele Experten für fraglich. Am alten Schönefelder Terminal wird sich kaum etwas ändern und an den neuen Terminals kommen weiterhin hauptsächlich Low-Cost-Flieger an, deren Passagiere vor allem eins wollen: kostengünstig nach Berlin und wieder zurück – oder umgekehrt. Ausgiebiges Schlemmen und Shoppen am Flughafen gehört eher nicht zu ihrem Konsumentenprofil.

Wirtschaftsprüfer versus Flughafengesellschaft

Von Karl-Heinz Wolf und Harald Krehl wollen die Abgeordneten wissen, wie die Autoren zu ihrem Ergebnis kommen. Es wird eine interessante Befragung werden, denn zum ersten Mal sitzt ein Kritiker der FBB-Finanzplanung dem Flughafenchef und seinem Aufsichtsratsvorsitzenden gegenüber. Zur Vorbereitung hatten die Ausschussmitglieder die FBB gebeten, eine ausführliche Darstellung zur aktuellen Unternehmenssituation vorzulegen.

Dem Vernehmen nach soll diese jedoch nicht besonders hilfreich gewesen sein. Die Geschäftsführung soll sich in Bezug auf die Finanzen darauf beschränkt haben, eine Zusammenstellung aus dem Mai vorzulegen, heißt es. Die wurde allerdings bereits im Abgeordnetenhaus präsentiert.

A1-Rating nur, wenn Steuerzahler die Verluste abdecken

Dazu gehört auch ein Auszug aus einem Testat der Ratingagentur Moodys, die der FBB ein stabiles A1-Rating bescheinigt. Allerdings schränkt Moody´s gleich ein: Angesichts der hohen Verschuldung und der geringen Einnahmeerwartungen gelte das nur unter der Voraussetzung, dass die Gesellschafter das Unternehmen weiterhin stützen. Im Klartext: A1-Rating gibt es nur, wenn der Steuerzahler alle Defizite abdeckt. Ohne die Bürgschaften oder Kredite der öffentlichen Gesellschafter wird die FBB von Moody's mit B3 - quasi Ramschniveau - bewertet.

Spannend wird auch die Frage sein, wie die FBB zu ihren Einnahmeerwartungen kommt. Bislang wurde das betriebseigene Rechenwerk nicht im Detail offengelegt, obwohl die Daten und Berechnungsgrundlagen für den Flugverkehr alle öffentlich zugänglich sind.

Wurden die Bilanzen schöngerechnet?

Für die Fans der Bilanzprüfung gibt es noch interessante Fragen am Rande: Inzwischen liegen nämlich sowohl der Jahresabschluss der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH als auch der FBB- Konzernabschluss für 2019 vor. Im Konzernabschluss wird auch die Berliner Flughafengesellschaft berücksichtigt, die derzeit Tegel betreibt. Wer sich in die Zahlen vertieft, dem stellen sich schnell einige Fragen.

Ein Beispiel: Während der Konzern "Bauten" über einen Zeitraum von zehn bis 60 Jahre abschreibt, geht die FBB GmbH nur von zehn bis 50 Jahren aus. Wie sich diese Unterschiede erklären lassen, ist derzeit unklar. Ein weiteres Beispiel: Im Jahresabschluss der FBB GmbH werden Erlöse aus sogenannten "Services" von über 59 Millionen Euro ausgewiesen. Im Konzernabschluss finden sich jedoch nur gut sechs Millionen. Bilanzexperten, die rbb24 Recherche dazu befragt hat, erklären, dass die FBB hier wohl ihre Umsätze durch interne Leistungsverrechnungen mit ihren Tochtergesellschaften nicht unerheblich aufgebläht habe. Im Klartext: Einige Tochterunternehmen könnten Verluste gemacht haben, von denen die "FBB-Mutter" in ihrem Abschluss profitiert.

Wie es wirklich war, das lässt sich nur schwer nachvollziehen, denn für die "Töchter" werden keine eigenen Jahresabschlüsse veröffentlicht. Auch hier könnten die Abgeordneten nachfragen. Wer rechnet also wie und warum: Es könnte ein spannender Tag werden.

Beitrag von René Althammer

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