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Audio: Inforadio | 29.10.2020 | Sebastian Schöbel | Quelle: Antje Schröder/Kulturprojekte Berlin

Ausstellung "Der Raum vom Fliegen"

BER stellt eigenes Desaster aus

Wie eröffnet man einen Flughafen, der acht Jahre lang eine einzige Peinlichkeit war? Indem man dazu steht, denkt sich wohl die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg: Sie verarbeitet das Desaster in einer Ausstellung - mitten im Terminal 1. Von Sebastian Schöbel

Mit einem verschmitzten Lächeln umschiffte Engelbert Lütke Daldrup zuletzt rbb-Nachfragen nach einer neuen Ausstellung am BER. "Lassen Sie sich überraschen", sagte der Flughafenchef vielsagend. Lediglich den Standort im Untergeschoss des Terminal 1 ließ sich Lütke Daldrup entlocken - und dass die Ausstellung durchaus selbstkritisch auf den einstigen "Pannen-Flughafen" schauen werde.

Flugpioniere, Zwangsarbeiter, BER-Desaster

Offiziell heißt die von der Landesgesellschaft Kulturprojekte Berlin kuratierte Ausstellung "Der Raum vom Fliegen": Auf großen Schautafeln wird die Geschichte der Luftfahrt in Berlin und Brandenburg erzählt, entlang eines Zeitstrahls, der einem Gepäckband nachempfunden ist. Wer künftig mit dem Zug am BER ankommt oder über den Willy-Brandt-Platz das Hauptterminal betritt, wird direkt daran vorbeilaufen: Schauwände, die über die ersten Flugversuche mit klapprigen Maschinen, NS-Zwangsarbeiterlager in Tempelhof, die Fliegerei im Kalten Krieg und schließlich den neuen BER berichten. Ein spezielles Kapitel ist zudem den in den Geschichtsbüchern zu lange ignorierten Frauen der Luftfahrt gewidmet.

Als glorreiches Finale einer langen Geschichte taugt der BER bekanntlich nicht - und die Ausstellung macht darum auch gar keinen Hehl, wie der rbb vorab erfuhr. Schon auf den Werbebroschüren und Flyern steht in großen Buchstaben: "BER - Vom Bau-Desaster zum Flughafen". Für das internationale Publikum wurde das auch gleich ins Englische übersetzt.

Dokumentation

Exclusiv im Ersten: BER - Fluch der Mängel

Der neue Hauptstadtflughafen vor dem Start

Die filmische Spurensuche führt von den aktuellen Erfolgsmeldungen zurück zum Fluch der Mängel in der endlosen Baugeschichte hin zu den Herausforderungen der nächsten Jahre.

"Berühmt geworden, bevor ein einziges Flugzeug hier abhob"

Im Begleittext wird erklärt, dass "anhand von ausgewählten und teils noch nie gezeigten Objekten" auch "die Geschichte(n) seines Scheiterns und seiner Fertigstellung" erzählt werden soll. "Es geht um den Bau selbst, seine Architektur und seine - ganz ohne Ironie - Vorzüge." Nicht völlig ironiefrei ergänzen die Ausstellungsmacher dann allerdings noch: "Er ist berühmt geworden, bevor ein einziges Flugzeug hier abhob."

Auf den Schautafeln selbst verschwindet die PR-typische Selbstironie dann allerdings gänzlich. In einem Kurzporträt des BER spricht der Potsdamer Historiker Hanno Hochmuth Klartext: Über die mehrfach verschobene Eröffnung bis zum Jahr 2012, als damals im Juni die politische Bombe platzte und 26 Tage vor dem großen Fest alles abgesagt werden musste. "Die Gründe der Baukatastrophe sind vielfältig", schreibt Hochmuth, der am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam lehrt. "Fehlerhafte Bauplanung, unzureichendes Änderungsmanagement, schlechte Bauausführung einzelner Firmen, mangelnde Bauaufsicht und schwaches Krisenmanagement." Wer möchte, kann darin auch eine Abrechnung mit den damals Verantwortlichen erkennen: Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit, Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD) und dem Ex-Flughafenchef Rainer Schwarz. "Die damalige Geschäftsführung und die staatlichen Gesellschafter waren von der Aufgabe überfordert", schreibt Hochmuth.

Eine Aussage, die sich freilich auch auf die vielen folgenden Jahre ausdehnen ließe. Schließlich blieb der BER nach 2012 noch weitere acht Jahre Dauerbaustelle. Auch die Kostenexplosion von zwei Milliarden auf inzwischen 6,5 Milliarden Euro findet in Hochmuths Flughafenporträt natürlich Erwähnung.

Quelle: Antje Schröder/Kulturprojekte Berlin

"Hier wird nichts beschönigt"

Die schonungslose Aufarbeitung des jahrelangen Desasters sei durchaus Ziel der Ausstellung, heißt es auf rbb-Nachfrage bei Kulturprojekte. "Diese Vorgeschichte gehört untrennbar zum Flughafen und muss erzählt werden", so eine Sprecherin. "Hier wird nichts beschönigt, hier wollen wir erklären, wie es warum wozu kam."

Eröffnet wird die Ausstellung "Der Raum vom Fliegen" am 30. Oktober. Einen Tag später geht der BER an den Start. Passend zum Ton der eigenen Ausstellung ziemlich glanzlos, wie Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup angekündigt hatte: "Es gibt keine große Party, wir machen einfach auf."

Beitrag von Sebastian Schöbel

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