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Quelle: dpa/Wolfram Steinberg

#abgasalarm-Messreihe von rbb und TU Berlin

So könnten Diesel-Fahrverbote vermieden werden

Eine rbb-Messreihe hat gezeigt: Stickoxid-Werte werden in Berlin flächendeckender und stärker überschritten als bislang bekannt. Politiker sind sich uneins darüber, ob nun Fahrverbote unausweichlich sind. rbb|24 macht den Faktencheck. Von Robin Avram

Die #abgasalarm-Messreihe von rbb|24 und TU Berlin hat die Debatte um ein Diesel-Fahrverbot in Berlin neu entfacht.

"Fahrverbote sind damit leider auch für Berlin wahrscheinlicher geworden", kommentierte der umweltpolitische Sprecher der SPD, Daniel Buchholz, die Ergebnisse. "Ich glaube, dass der Grenzwert von 40 Mikrogramm auch gut erreichbar ist, auch ohne dass man Fahrverbote verhängt," meint hingegen Henner Schmidt, der verkehrspolitische Sprecher der FDP.

Doch was muss getan werden, um einen Spitzenwert von rund 70 Mikrogramm, der von rbb|24 und TU Berlin an vier Straßen gemessen wurde, auf unter 40 Mikrogramm zu drücken? rbb|24 erläutert, welche Maßnahme was bringt.

Hintergrund

Verkehrssenatorin Günther für blaue Plakette

Hohe Stickoxid-Werte in Berlin: "Wir müssen handeln"

   

1. Was bringt die Nachrüstung von kommunalen Fahrzeugen?

Der Berliner Senat hat im September angekündigt, vor allem bei Fahrzeugen, die viel in der Innenstadt unterwegs sind, die Stickoxid-Werte zu verbessern. So soll die BVG alle ihre 1.400 Busse mit Stickoxid-Filtern nachrüsten. Auch Taxibetriebe, die auf Elekro-Autos umsteigen, sollen finanziell gefördert werden.

Laut Deutscher Umwelthilfe (DUH) bringen diese Maßnahmen eine Reduzierung der Stickoxid-Belastung um fünf bis zehn Prozent. Mit diesen Zahlen konfrontiert, sagte Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos) am Dienstag in der rbb-Abendschau: "Das muss man eben sehen". Aus ihrer Behörde ist zu hören, dass die Angaben der DUH realistisch sind. Denn Busse und Lkw machen eben nur einen kleineren Teil der Stickoxid-Emissionen aus. Wesentlich mehr Stickoxid pusten laut Umweltbundesamt die Diesel-Autos in die Luft. (siehe Grafik)

Effekt der Maßnahme: Der Stickoxid-Wert an unserer Beispielstraße von 70 Mikrogramm verringert sich - gutwillig gerechnet - auf 63 Mikrogramm.

Busse haben lediglich einen Anteil von vier Prozent an den Emissionen, LKW machen dagegen 19 Prozent aus. | Quelle: Umweltbundesamt

2. Was bringen Software-Updates für Diesel-Autos?

Auf dem Diesel-Gipfel im August erklärten sich die Autohersteller bereit, den Käufern der manipulierten Diesel-Pkw ein Software-Update zu bezahlen. In Berlin haben rund 130.000 Besitzer von Diesel-Autos der Schadstoffklassen Euro 5 und Euro 6 einen Anspruch darauf, viele haben das Update schon in einer Werkstatt durchführen lassen.

Folgt man Berechnungen, die das Potsdamer Forschungsinstituts IASS angestellt hat, sinken die Stickoxid-Emissionen dadurch an besonders belasteten Straßen um geschätzt zehn Prozent. Die Software-Updates können nämlich den Stickoxid-Ausstoß der Diesel-Pkw nur um rund ein Viertel reduzieren. Moderne Diesel-Autos stoßen nach Berechnungen des Umweltbundesamtes auf der Straße jedoch ein Vielfaches mehr aus, als eigentlich erlaubt ist. (siehe Grafik)

Die Belastung an unserer Beispiel-Straße verringt sich demnach durch die Software-Updates deshalb lediglich von 63 auf 56 Mikrogramm - wahrscheinlich aber weniger, weil man alte Diesel-Autos nicht nachrüsten kann.

Das Umweltbundesamt hat mit umfangreichen Messreihen das ganze Ausmaß des Diesel-Skandals in Zahlen gefasst: Euro-5-Diesel-Autos stoßen demnach auf der Straße im Schnitt fünfmal mehr Stickoxid aus als gesetzlich erlaubt. Euro-6-Diesel sind im Schnitt zwar sauberer, stoßen jedoch sogar sechsmal mehr aus als in dieser Schadstoffklasse erlaubt ist. | Quelle: Umweltbundesamt

3. Was bringen Tempo 30-Zonen?

Der Senat testet derzeit an fünf besonders Stickoxid-belasteten Straßen, was Tempo-30-Zonen bringen würden. Studien zeichnen ein unterschiedliches Bild dazu, wieviel Schadstoffe durch diese Maßnahme reduziert werden können.

Grob gesagt kommt es entscheidend darauf an, ob der Verkehr wirklich flüssiger wird. "In Tempo 50-Zonen gibt es sehr viel Stop and Go. Durch das Bremsen und wieder anfahren wird sehr viel Stickoxid freigesetzt", erläuterte Günther im rbb. Die Hoffnung der Umweltverwaltung: Bei Tempo 30 läuft der Verkehr sehr viel gleichmäßiger. Das will man auch dadurch erreichen, das Ampelschaltungen so verändert werden, dass Hauptverkehrsstraßen mehr "grüne Wellen" haben.

Laut Umweltbundesamt beträgt das NO2-Minderungspotential an Hauptstraßen nicht mehr als zehn Prozent. Am Görlitzer Bahnhof - hier hat rbb|24 mit 77 Mikrogramm den allerhöchsten Wert gemessen - gilt übrigens bereits Tempo 30.

Der Stickoxid-Wert würde durch eine Tempo 30-Zone an unserer Beispielstraße von 56 Mikrogramm deshalb bestenfalls auf 50 Mikrogramm sinken - vielleicht aber auch wesentlich weniger.

Hintergrund

Stickoxid-Messreihe von rbb|24 und TU Berlin

An diesen Berliner Straßen herrscht Abgasalarm

   

4. Was bringen Hardware-Nachrüstungen?

Wesentlich mehr als Software-Updates würden Hardware-Updates bringen. Der ADAC hat ein Nachrüst-Set der Firma Baumot getestet und festgestellt, dass sich der NO2-Ausstoß im realen Fahrbetrieb um rund 90 Prozent verringert. Laut Zentralverband des Deutschen Kfz-Gewerbes können für rund 95 Prozent der Diesel-Fahrzeuge solche Nachrüstsets entwickelt werden.

Doch bislang sperren sich die Automobil-Konzerne wegen der Kosten in Milliardenhöhe dagegen, die Nachrüstung auf eigene Rechnung durchführen zu lassen. "Das müssen die Autohersteller zahlen. Sie haben den Verbraucherinnen und Verbraucher etwas verkauft, was nicht das einhält, was sie versprochen haben. Da liegt der Ball bei der Bundesregierung", fordert Berlins Verkehrssenatorin Günther zum Handeln auf. Aus gutem Grund.

Eine Studie des Forschungs-Instituts IASS zeigt nämlich, dass die Hardware-Nachrüstungen fast doppelt so viel bringen würden wie alle anderen Maßnahmen zusammen. "An Hauptverkehrsstraßen wäre eine Reduzierung der Stickoxid-Emissionen um bis zu 40 Prozent möglich", sagt IASS-Forscherin Erika von Schneidemesser rbb|24.

An unserer Beispielstraße würden die Emissionen von 56 auf 34 Mikrogramm sinken,  Bleibt auf der Straße weiterhin Tempo 50 erlaubt, wären es immer noch 37 Mikrogramm. Der gültige Grenzwert wäre also knapp unterschritten.

Unser Fazit: Wenn die Bundesregierung keine Hardware-Nachrüstungen durchsetzt, sind Fahrverbote in Berlin wohl nicht zu vermeiden.

Beitrag von Robin Avram

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