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Quelle: dpa/Skolimowska

Erzieher in der Notbetreuung

"In der Kita kann man keine zwei Meter Abstand halten"

Der Berliner Senat bietet nun auch Notfallbetreuung von Kindern an, die nur einen Elternteil mit systemrelevantem Beruf haben. Erzieherinnen und Erzieher befürchten dadurch mehr Kinder in den Gruppen - und eine höhere Ansteckungsgefahr. Von Efthymis Angeloudis

Mindestens 1,5 Meter Sicherheitsabstand und Schutzkleidung: Für viele Berufe sind diese Vorschriften Pflicht. Doch für Erzieherinnen und Erzieher ist das Einhalten der Sicherheitsvorkehrungen bei der Arbeit mit Kindern einfach nicht möglich. Trotz geschlossener Schulen und Kitas müssen jedoch viele Pädagogen in der Notbetreuung arbeiten.

Durch die Lockerung der Notbetreuungsregelung für bestimmte systemrelevante Berufe in Berlin haben nun mehr Eltern Anspruch auf Betreuung ihrer Kinder - auch, wenn nur ein Elternteil als systemrelevant gilt. Mehr Kinder in den Gruppen, befürchten Erzieherinnen und Erzieher, bedeutet auch eine höhere Ansteckungsgefahr.

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Petition für den Schutz des pädagogischen Personals

Mehr als 13.000 Menschen haben in Berlin deswegen eine Online-Petition zum Schutz der Pädagoginnen vor Covid-19 unterschrieben. "Wir müssen engen Kontakt zu den Kindern haben, Windeln wechseln, Nasen putzen, werden angenießt und angehustet. Je jünger die Kinder sind, umso mehr Bindung, Nähe und auch Pflege brauchen sie", heißt es in der Petition.

"Die Mäuse verstehen nicht, warum sie Abstand zueinander halten sollen oder sich so oft die Hände wasche müssen", sagt eine Erzieherin aus Reinickendorf, die anonym bleiben möchte, dem rbb. Es gebe keinen wirklichen Schutz für Erzieher, sagt sie, denn mit Schutzkleidung und Mundschutz ist die Arbeit leider nicht machbar.

"Wir wissen, dass den Pädagoginnen und Pädagogen in Kitas und Schulen, die die Notbetreuung leisten, im Moment viel abverlangt wird. Dafür bedanken wir uns ausdrücklich bei ihnen. Ihnen gehört die gesellschaftliche Anerkennung", antwortet der Sprecher der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, Martin Klesmann, auf die Besorgnisse der Erzieher.

Senatsverwaltung: Ohne Notbetreuung gäbe es womöglich dramatische Folgen

Die Aufrechterhaltung der Notbetreuung sei jedoch zwingend notwendig, um wichtige Bereiche arbeitsfähig zu halten. Das gelte insbesondere für den Gesundheitsbereich, Polizei und Feuerwehr, die Lebensmittelversorgung und zentrale Bereiche der Daseinsvorsorge. "Gäbe es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Bereichen keine ausreichende Notbetreuung, hätte dies womöglich dramatische Folgen angesichts der derzeit steigenden Infektionszahlen", erklärt Klesmann gegenüber rbb|24.

Der Virologe Christian Drosten habe die Senatsverwaltung in einer persönlichen Mail ausdrücklich davor gewarnt, die Kita-Gruppen neu zu mischen, so Klesmann weiter. Durch eine Neu-Zusammensetzung von Gruppen würden Infektionsereignisse befördert. Daher habe die Senatsverwaltung von der Bildung neuer Kindergruppen abgesehen. Die Lockerung der Regelungen umfasse nur einige wenige ausgewählte systemrelevante Berufe, so Klessman. "Die Kinder gingen zuvor auch in diese Kita oder Schule."

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Erziehern zufolge kommen neue Kinder hinzu

Allerdings teilten mehrere Erzieherinnen und Erzieher dem rbb mit, dass durch die Lockerung der Notbetreuungsregelung seit Anfang der Woche neue Kinder dazugekommen seien. Drei Kinder seien seit Anfang der Woche neu dabei, sagt die Erzieherin in Reinickendorf. Für sie wurde eine neue Gruppe gegründet. Durch den Zuwachs müsse eine Kollegin jetzt zusätzlich in die Notbetreuung.

"Die Zahl der Kinder ist gestiegen, derzeit noch nicht exorbitant, aber da kommen noch mehr", erzählt auch eine weitere Pädagogin aus Lichtenberg, die anonym bleiben möchte. Das habe auch ganz andere Folgen. "Wir sollen keine rotierenden Dienste einteilen – aber das ist schlicht unmöglich. Wir können doch nicht einige Kolleginnen alles machen lassen", erklärt sie rbb|24 weiter.

Das Thema "Hygiene" sei auch komplett an die Schulen und Kitas umgelegt. "Es gibt Anweisungen, wie wir uns zu verhalten haben (kein Zutritt für Eltern/Schulfremde, Eingangstür verschlossen, wenige Kinder pro Raum), aber eine Unterstützung in Sachen Desinfektion oder gründlichere Reinigung gibt es nicht", sagt die Pädagogin aus Lichtenberg. "Genau genommen: Wir haben selbst für unsere Sicherheit zu sorgen."

Eins zu eins Betreuung personell nicht machbar

Die Änderung in der Notfallbetreuung betreffen aber nicht nur Eltern, von denen nur ein Teil systemrelevant arbeitet. Wie das Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg auf Anfrage des rbb mitteilte, wolle man auch Eltern, die nicht in einem systemrelevanten Berufen arbeiten, einen Notbetreuungsplatz in der Kita sichern. Dies gilt in erster Linie jedoch für Alleinerziehende mit mehreren Kindern und soll der Sicherung des Kindeswohls dienen.

Doch auch diese Maßnahme wird die Gruppenzahlen in der Notbetreuung erhöhen und Druck auf die Erzieherinnen und Erzieher machen. "In der Kita kann man keine zwei Meter Abstand halten," sagt die Erzieherin aus Reinickendorf. "Eigentlich müsste man eine eins zu eins Betreuung für die Kinder anbieten und das in unterschiedlichen Gruppenräumen." Das sei aber personell gar nicht machbar. Denn es gebe auch im Kollegenkreis Risikogruppen und Kollegen die sich aus Angst krank schreiben ließen." Also eigentlich ein Teufelskreis ohne Hoffnung und Schutz für uns."

 

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