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Quelle: Snapshot/Russell Price/Geisler-F

Bundesgesundheitsminister

Spahn hält Corona-Pandemie für "wieder beherrschbar"

Bundesgesundheitsminister Spahn sieht erste Erfolge beim Kampf gegen das Coronavirus: Die Zahl der Neuinfektionen steige nicht mehr so stark an, die Einschränkungen zeigten Wirkung. Für eine Entwarnung ist es den Experten zufolge aber zu früh.

Die bisherigen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie in Deutschland waren nach Darstellung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erfolgreich. "Der Ausbruch ist - Stand heute - wieder beherrschbar und beherrschbarer geworden", sagte der CDU-Politiker am Freitag in Berlin.

Mitte März habe es im Ausbruchsgeschehen eine sehr starke Dynamik gegeben. Daher hätten sich Bund und Länder zurecht zu einer "Vollbremsung" entschieden. "Nun können wir sagen, das war erfolgreich. Wir haben es geschafft, das dynamische Wachstum zurückzubringen zu einem linearen Wachstum. Die Infektionszahlen sind deutlich gesunken, vor allem auch die relativen Steigerungen von Tag zu Tag", sagte Spahn. Ermutigend sei auch, dass seit dem 12. April täglich mehr Menschen genesen, als es neue Infizierte gebe.

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RKI: Weniger Infektionen, mehr Todesfälle

Der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, sprach ebenfalls davon, "dass wir ein wirklich gutes Zwischenergebnis erreicht haben". Es gebe mehrere positive Tendenzen. So habe sich der tägliche Anstieg der Fallzahlen verlangsamt. Momentan gebe es zwar noch immer mehr als 3.000 Neuinfektionen pro Tag, die Reproduktionszahl liege aktuell aber nur noch bei 0,7. "Das heißt, dass inzwischen im Durchschnitt, aktuell nicht mehr jede Person, die infiziert ist, eine andere Person ansteckt." Das gelte allerdings nicht für alle Regionen in Deutschland, so Wieler.

Zudem erkranke immer mehr Personal in medizinischen Einrichtungen. Die Zahl sei gegenüber der Vorwoche um sechs Prozent gestiegen. Betroffenes Personal in medizinischen Einrichtungen mache inzwischen einen Anteil von fünf Prozent aller gemeldeten Fälle aus.

Auch steige die Zahl der Todesfälle an, sagte der RKI-Präsident. "In dieser Woche hatten wir tatsächlich den größten Anstieg." Der Anteil der Verstorbenen an allen gemeldeten Fällen liege jetzt bei 2,9 Prozent. "Wir müssen vulnerable Gruppen weiterhin gut schützen", sagte er. Bislang sind in Deutschland laut RKI 3.868 Menschen an Covid-19-Erkrankungen verstorben, die Zahl der Infektionen liegt bei rund 134.000, mehr als 81.000 Menschen seien inzwischen wieder genesen.

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Infektionsketten unterbrechen - mit gezielteren Tests und App

Zu den Corona-Tests sagte Wieler, in den vergagenen Wochen seien in Deutschland insgesamt rund 1,7 Millionen Tests durchgeführt worden. Die Labore seien inzwischen theoretisch sogar in der Lage pro Woche mehr als 700.000 Proben zu untersuchen. Derzeit seien rund neun Prozent aller Tests positiv. Deshalb wolle das RKI diese künftig "strategisch besser einsetzen". "Wir werden in Zukunft vermehrt in Altenheimen und Pflegeheimen testen können, um zu verhindern, dass Patienten und Pflegende infiziert werden", sagt Wieler. Es sei nach wie vor entscheidend, Infektionsketten zu unterbrechen.

Die Entwicklung einer App zur Nachverfolgung von Ansteckungsketten wird nach Angaben von Gesundheitsminister Spahn noch etwa drei bis vier Wochen dauern. Beim Datenschutz und der Datensicherheit müsse die Anwendung so perfekt wie möglich sein, sagte er. Ziel ist es, Menschen schnell zu informieren, wenn sie Kontakt zu jemandem hatten, der später positiv getestet wurde. Die App könne wesentlich dazu beitragen, Infektionswege zu verfolgen.

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"Gesundheitssystem zu keiner Zeit überfordert"

Mit Blick auf das Gesundheitssystem sagte Spahn, es sei entgegen anfänglicher Befürchtungen bislang "zu keiner Zeit überfordert" gewesen. Im internationalen Vergleich schneide Deutschland damit gut ab. "Das macht uns demütig, aber nicht übermütig."

Man werde nun darüber sprechen, die freien Corona-Kapazitäten bei Intensivbetten schrittweise wieder für andere Patienten freizumachen. Ab Mai, so Spahn, wolle man Krankenhäuser in Deutschland "schrittweise und mit Vorsicht" zum Normalbetrieb zurückkehren lassen. Es müsse eine Balance und neue Normalität gefunden werden, sagte er.

Ab Mai sollen demnach noch 25 bis 30 Prozent der Intensivbetten mit Beatmungsgeräten für Covid-19-Patienten freigehalten werden, um dann Schritt für Schritt zum Regelbetrieb zurückzukehren. "Wir werden die große Zahl an freien Betten, 10.000 Intensivbetten, nicht auf Dauer so freihalten können", so Spahn.

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Spahn setzt bei Gesichtsmasken auf Freiwilligkeit

Die Versorgungsprobleme bei der Schutzausrüstung, vor allem bei Atemschutzmasken für medizinisches Personal, werde man ab August behoben haben, so Spahn weiter. Demnach wurden für die Produktion medizinischer Schutzmasken im Inland erste Vereinbarungen getroffen. Nach einer ersten Ausschreibung seien Zuschläge an rund 50 Unternehmen erteilt worden. Damit sollten ab Mitte August pro Woche zehn Millionen FFP2-Spezialmasken und 40 Millionen OP-Masken hergestellt werden. Damit lasse sich der Grundbedarf für das Gesundheitswesen im Großen und Ganzen decken.

Beim Tragen von Gesichtsmasken im Alltag setzt die Bundesregierung laut Spahn weiter auf Freiwilligkeit und lehnt eine Pflicht vorerst ab. "Mein Eindruck ist, dass die meisten Bürgerinnen und Bürger sehr verantwortlich mit der momentanen Lage umgehen", sagte Spahn. Immer mehr Menschen würden einen Mund-Nasen-Schutz tragen. "Abschließend und grundsätzlich setze ich eher auf Freiheit, Einsicht, Mitmachen, Akzeptanz durch Überzeugen mit Argumenten, weil aller Erfahrung nach Gebote eher Unterstützung bringen als Verpflichtungen." Zunächst solle die Entwicklung in den kommenden Tagen abgewartet werden, sagte der CDU-Politiker.

Studien zu Medikamenten und Impfstoffen laufen - brauchen aber noch Zeit

Was die Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen gegen das Coronavirus angeht, ist den Experten zufolge noch Geduld nötig. Der Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Karl Broich, rechnet in drei Monaten mit ersten Studienergebnissen zur Behandlung von Covid-19. Bis dahin würden Daten aus zwei großen Studien zur Substanz Remdesivir in Deutschland mit mittelschwer und schwer erkrankten Patienten erwartet, sagte Broich am Freitag in Berlin. Remdesivir wurde ursprünglich gegen Ebola-Infektionen entwickelt.

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Insgesamt gebe es einige erfolgversprechende Therapieansätze, sagte Broich. So liefen auch klinische Prüfungen zu verschiedenen Dosierungen von Hydroxychloroquin. Dabei handelt es sich um ein Malariamittel, der Wirkstoff hat allerdings erhebliche Nebenwirkungen.

Broich betonte, es würden in der Pandemie keine Standards abgesenkt - weder bei der Medikamentenzulassung noch bei Sonderzulassungen, etwa für Mundschutzmasken. Jedoch bearbeite das BfArM inzwischen prioritär Aufgaben mit Covid-19-Bezug. Es sei wichtig, Wirkstoffe auf Wirksamkeit und Verträglichkeit zu prüfen. Sollte es klare wissenschaftliche Ergebnisse geben, sei eine beschleunigte Zulassung möglich - dabei handele es sich aber nicht um Sonderregelungen wegen Corona, betonte Broich.

Der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, kündigt an, dass demnächst auch in Deutschland die klinische Prüfung eines Impfstoffes anlaufen soll. Weltweit seien derzeit vier klinische Prüfungen gestartet worden, sagt er bei einer Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Jens Spahn. Nicht die Zulassung eines Impfstoffes dauere lange, sondern die Entwicklung, um zu einem wirksamen, aber auch verträglichen Impfstoff zu kommen, erklärte er.

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