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Quelle: dpa/Mang

Viele Anzeigen wegen Corona-Verstößen

"Denunziantentum wollen wir nicht"

"Corona-Party", offene Restaurants, Grüppchen: Bei der Polizei gehen vermehrt Anzeigen zu den derzeitigen Abstandsregeln ein. Berlins Innensenator Geisel kündigte für die Feiertage verstärkte Kontrollen an - und bat die Bürger um Augenmaß.

Tagesausflüge nach Brandenburg bleiben über Ostern erlaubt, sagte der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) in der rbb Abendschau. "Auch dort sind die Abstandsregeln einzuhalten. Aber wenn man darauf achtet ist das schon zulässig", sagte er. In Berlin werde die Polizei an den Feiertagen mit 500 bis 600 Kräften unterwegs sein, sagte er, um die derzeitigen Einschränkungen zu kontrollieren.

Laut Geisel gingen zuletzt bei der Polizei viele Anrufe aus der Bevölkerung ein, bei denen Verstöße gegen die Ausgehbeschränkungen durch Mitbürger angezeigt würden. Geisel bat die Berliner um Augenmaß. "Denunziantentum wollen wir nicht", sagte er. "Nicht jeder Anruf löst auch wirklich einen Polizeieinsatz aus." Bei der Polizei gehe man davon aus, dass viele Menschen die Beschränkungen ernst nähmen, "und wenn es dann die Unbelehrbaren gibt, dann werden wir auch energisch einschreiten", so Geisel.

Facebook, Twitter, Instagram: Polizei erhält viele Meldungen

Die Polizei verzeichnet derzeit viele Verstöße gegen die Corona-Regelungen, die von Privatleuten angezeigt würden. Auf allen Kanälen würden dazu Hinweise eingehen, also per Mail, über die sozialen Netzwerke, sowie per Anruf. Die Menschen würden etwa geöffnete Restaurants oder größere Menschenansammlungen in Parks melden. Die genaue Zahl solcher Anzeigen bezifferte die Polizei nicht. Die Behörde warnt am Donnerstag vor Aktionismus.

Über den telefonischen Notruf 110 seien anfangs so viele Hinweise gekommen, dass die Berliner Polizei Ende März bei Twitter erklärte: "Wenn Sie uns Verstöße melden wollen, ist der Notruf dafür allerdings nicht gedacht." Anzeigen und Beschwerden kämen nun häufiger über die Internetwache und die sozialen Netzwerke Facebook, Instagram oder Twitter an.

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Polizei verweist auch auf viele Sonderregelungen

"Längst nicht alle Hinweise haben einen polizeilichen Einsatz zur Folge", erklärte die Polizei der Hauptstadt und deutet damit darauf hin, dass es einige Berliner auch übertreiben. Die Nachrichtenagentur DPA spricht von "Überwachen", "Anschwärzen" oder "Verpetzen" durch einige Berliner.

Um dies einzuschränken, postete die Berliner Polizei selbst den Hinweis: "Bevor Sie uns in guter Absicht jedes offene Lokal melden, bedenken Sie bitte, dass dieses auch unter (...) Auflagen geöffnet sein darf." Als Beispiel nannte die Behörde etwa Hinweise über eine angeblich angekündigte "Corona-Ansteck-Party", die sich nach Recherchen der Polizei dann als Musik-Live-Stream ohne Publikum erwies.

Brandenburger Polizei appelliert: Bitte den Notruf nicht blockieren mit Corona-Anzeigen!

Auch die Brandenburger Polizei weist darauf hin, dass Bürger nicht den Notruf nutzen sollten, um mögliche Verstöße zu melden, sondern dies über Mail, Brief oder Fax tun sollten.

Neben möglichen Verstößen wird derzeit sehr breit diskutiert, ob Politik und Behörden mit diesen Einschränkungen eine zu umfangreiche Macht ausübten und die Freiheitsrechte einzuschränkten. Ein erstes Signal war hierbei auch das am Dienstag ergangene Urteil über das Einreiseverbot, das vom Landkreis Ostprignitz-Ruppin verhängt worden war. Das Oberverwaltungsgericht des Landes verwies auf die Corona-Bewegungsverordnung des Landes und sah keine Begründung für den Kreis, hier schärfere Bewegungseinschränkungen zu erlassen.

Der Rechtswissenschaftler Helmut Aust wies im rbb darauf hin, dass die Politik zwar einen gewissen Einschätzungsspielraum für solche Restriktionen habe, aber diese auch nur in sehr engen Grenzen verfügen dürfe. "Es muss ganz klar werden, dass das, was wir jetzt erleben, nicht zu einem neuen Normalzustand werden darf und diese Maßnahmen können nur so lange verhältnismäßig sein, wie diese besondere Bedrohungslage gegeben ist und diese Einschränkungen müssen auch ständig weiter überprüft werden", sagte er Brandenburg aktuell.

Andreas Dresen | Quelle: dpa/Reichel

Dresen fordert offene Debatte über die Einschränkungen

Andreas Dresen, Regisseur und ehrenamtlicher Richter am Landesverfassungsgericht, nannte im rbb die Einschränkungen "in Ordnung": "Ich finde, die Politik macht momentan einen guten Job." Zwar handle es sich bei den Einschränkungen um einen massiven Eingriff in die wichtigsten und elementarsten Grundrechte wie Religionsfreiheit oder Versammlungsfreiheit, doch sei es solange akzeptabel, wie dies nötig sei zur Seucheneindämmung.

Dresen allerdings appellierte im rbb-Interview an die Politik, hier auch eine angemessene Strategie zu fahren, wie man aus diesen Einschränkungen auch wieder herauszukommen könne. Die Diskussion darüber müsse jetzt und nicht später geführt werden: "Man kann darüber sehr wohl reden, und man kann das auch machen, ohne konkrete Termine zu benennen." Gemeinsam im Dialog mit den Bürgern müssten Strategien entwickelt werden, "wie man zu einer Form von Normalität wieder zurückkehrt": "Das halte ich für richtig und nötig." Und Dresen warnte auch hier vor übereifrigen und überzogenen Reaktionen der Bürger nach Kontrollen.

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