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Audio: Inforadio | Vis a Vis | 29.05.2020 | Matthias Kollatz | Quelle: dpa/Wolfang Kumm

Haushaltsloch durch Corona-Krise

Kollatz stellt die Sanierung des ICC in Frage

Berlin hat wegen der Corona-Krise enorme Steuerausfälle. Damit das Land nicht mehr Schulden aufnimmt als nötig, muss im Haushalt umgeplant werden, sagt Finanzsenator Kollatz. Nach seiner Ansicht werden deshalb viele Projekte erst einmal Wünsche bleiben.

Der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) hat vor einem "Weiter so" in der Haushaltspolitik gewarnt. Sehr wahrscheinlich würden in den kommenden Jahren jeweils rund zwei Milliarden Euro gegenüber den Planungen aus der Vor-Corona-Zeit fehlen, sagte Kollatz am Dienstag im rbb.

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Kein "Sparen bis es quietscht"

Viele Projekte, Vorhaben und Investitionen würden in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich Wünsche bleiben, so Kollatz. Konkret stellte der Finanzsenator die Sanierung des seit 2014 weitgehend leerstehenden ICC in Frage."Wer jetzt irgendeine blendende Idee hat, um was mit dem ICC anzufangen, was aber 400 oder 500 Millionen Euro kostet, das wird nicht gehen", sagte Kollatz. "Sparen bis es quietscht" sei das aber nicht, sagte er in Anspielung auf die Ankündigung, die der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) 2001 zu Beginn seiner Amtszeit gemacht hatte.

Widerspruch kam von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). "Die Corona-Pandemie wirkt sich selbstverständlich auf die Haushaltssituation aus, was dazu zwingt, Prioritäten zu überdenken", sagte Pop dem rbb. Es werde aber bald über weitere Konjunkturprogramme beraten. "Der Kongresstourismus ist ein starke Perspektive für Berlin und ich würde davor warnen, das ICC leichtfertig abzuschreiben." Auch Frank Jahnke, der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD im Abgeordnetenhaus, lehnte es ab, die Sanierung des ICC zur Disposition zu stellen. Das Projekt sei im Koalitionsvertrag fest vereinbart, sagte Jahnke auf Nachfrage von rbb|24.

Ausdrücklich bekannte sich Kollatz zur Sanierung der Schulen und zur Berlin-Zulage. Dieser Gehaltsbonus für den öffentlichen Dienst kostet rund eine Viertelmilliarde Euro jährlich. Auch der Rückkauf von Wohnungen soll weiter möglich sein - aber nur, wenn sich der Kaufpreis aus den Mieteinnahmen finanzieren lässt, betonte der Finanzsenator.

Fraktionschef Saleh auf Konfrontationskurs

Die Corona-Krise reißt ein riesiges Loch in den Berliner Haushalt. Der Arbeitskreis Steuerschätzung erklärte kürzlich, dass bis 2023 gegenüber den bisherigen Planungen voraussichtlich 8,35 Milliarden Euro weniger Steuergelder fließen. Angesichts der Einbrüche hält Kollatz neue Schulden für unvermeidbar.

Insgesamt zehn Milliarden Euro neue Schulden werde Berlin in diesem Jahr aufnehmen müssen, hatte der Finanzsenator in der vergangenen Woche angekündigt. Davon sei eine Hälfte corona-bedingt, eine weitere für die Refinanzierung von Altschulden gedacht. Der Finanzsenator sprach sich dafür aus, nicht beliebig viele Kredite aufzunehmen, sondern den Umfang zu begrenzen. Er will deshalb nicht nur im Haushalt umschichten, sondern auch Rücklagen verwenden, um die Schuldenlast so gering wie möglich zu halten.

SPD-Fraktionschef Raed Saleh vertritt eine andere Position. Er hat sich dafür ausgesprochen, dass die Corona-Krise allein über Kredite finanziert wird. Das geht aus einem internen Strategiepapier hervor, dass dem rbb vorliegt. Darüber hinaus soll das Parlament in den Haushaltsvollzug eingreifen können - und damit in die Befugnisse von Finanzsenator Kollatz.

Das gesamte Gespräch mit Finanzsenator Matthias Kollatz können Sie hören, wenn Sie auf das Audiosymbol im Titelbild des Beitrags klicken. Das Interview führte Jan Menzel, Redaktion Landespolitik Berlin.

Sendung: Inforadio, 19.05.2020, 10:45 Uhr

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