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Quelle: dpa/Sebastian Kahnert

Kommentar | "Demokratischer Widerstand"

Corona-Proteste unter falscher Flagge

Die Proteste in der Corona-Krise sind kein Kampf für unser aller Freiheitsrechte. Im Gegenteil: Während die Politik um den Weg aus dem Lockdown ringt, eskalieren Krisenprofiteure unter der falschen Flagge des demokratischen Widerstands. Von O. Sundermeyer

An dem Tag, an dem sich die Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten auf einen stufenweisen, liberalen Weg aus dem vorübergehenden Lockdown verständigt hat, springt ein Mann im Stile einer Hooligan-Attacke mit einem geübten Fußtritt den Tonmann eines ARD-Kamerateams an. Auf dem Gelände zwischen Reichstagsgebäude und Paul-Löbe-Haus, im Maschinenraum der Demokratie. Mit Hunderten anderen hatte er sich dort zu einem Flashmob versammelt - im Namen der Freiheit.

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Mit dabei: organisierte Hooligans

Dieses Ansinnen geben die Protestierer vor, die sich auch hier zu einer verbotenen Versammlung getroffen hatten, angeblich um für ihre Freiheitsrechte zu kämpfen. Darunter ist eine Gruppe organisierter Hooligans, die darauf aus sind, Journalisten einzuschüchtern und Polizisten zu provozieren, die wiederum gekommen sind, um die widerrechtliche Aktion aufzulösen.

Initiiert hatte die Aktion in den sozialen Medien ein Influencer, der sich in den vergangenen Wochen im Eiltempo zu einem gewaltbereiten Verschwörungstheoretiker radikalisiert hat, und der dafür sehr viel Aufmerksamkeit bekommt.

Hier, wie bei vielen anderen Protestaktionen, vor der Volksbühne in Berlin, in Cottbus, Leipzig, München, wie in zahlreichen anderen Städten, versuchen Demokratiefeinde aus verschiedenen Lagern einen bundesweiten Widerstand im Namen der Freiheit zu organisieren. Dabei bedienen sie sich eines Tricks, der seit einigen Jahren immer wieder verfängt: die Umkehr von Freiheit und Demokratie. Dem demokratischen Staat, seiner gewählten Regierung, wird in der Corona-Krise das Diktatorische eines "Hygiene-Regimes" zugeschrieben, Medien seien gleichgeschaltet, es ertönen wieder die abgestimmten "Lügenpresse"-Rufe. Während, so die Botschaft, die Aktivisten auf der Straße, die tatsächlich aus zahlreichen extremistischen Gruppen zusammenkommen, für Freiheit und Demokratie kämpften.

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Ein Angriff auf die Meinungsfreiheit

Verstärkt wird das Ganze durch eine gewachsene Gegenöffentlichkeit im Netz, die mit dieser Erzählung dort millionenfach verfängt. Als Umkehr zur Berichterstattung der Redaktionen, die journalistisch berichten. So wie das ARD-Hauptstadtstudio, dessen Kamerateam angegriffen wurde. Weil die Umkehr verfängt, und der Widerstand auch in Gewalt münden kann.

An diesem Samstag nun wollen wieder dieselben Leute vor die Volksbühne ziehen, die sich dort seit Wochen schon versammeln, als "Demokratischer Widerstand" in ihrem Protest gegen das "Hygiene-Regime" der Bundesrepublik: Auch dort gab es zuletzt einen schweren gewalttätigen Angriff auf ein Kamerateam, das für das ZDF im Einsatz war. Journalisten werden bei diesen Demonstrationen beleidigt, bedroht, angegriffen, geschlagen, getreten.

Der Impuls dafür geht von den Organisatoren aus, die einen Kampf um Freiheitsrechte vorgeben, aber für einen Angriff auf die Meinungsfreiheit sorgen, und damit auf uns alle. Wer sich ihnen anschließt, kämpft nicht für die Freiheit, sondern dagegen.

Sendung: Abendschau, 07.05.2020, 19:30 Uhr

Beitrag von Olaf Sundermeyer

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