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Quelle: dpa/Nicolas Economou

Neue Krisen-Strategie

Bund und Länder einigen sich auf lokale Beschränkungen nach Corona-Ausbruch

Wenn in bestimmten Regionen neue Corona-Infektionsherde entstehen, soll darauf künftig mit lokal begrenzten Ein- und Ausreisesperren reagiert werden können. Darauf haben sich am Donnerstag Bund und Länder geeinigt.

Bund und Länder wollen künftig zielgenauer auf lokale Ausbrüche der Corona-Pandemie reagieren. Ein- und Ausreisesperren soll es geben können, wenn die Zahl der Infektionen weiter steigt oder es keine Gewissheit gibt, dass die Infektionsketten bereits unterbrochen sind, heißt es in einem Beschluss von Kanzleramtschef Helge Braun und der Staatskanzleichefs der Länder vom Donnerstag. "Diese Maßnahmen sollen zielgerichtet erfolgen und müssen sich nicht auf den gesamten Landkreis bzw. die gesamte kreisfreie Stadt beziehen (...)."

Mit diesem Verzicht auf landkreisweite Ein- und Ausreisesperren hat sich Braun der Kritik vieler CDU-Ministerpräsidenten und Landeschefs aus den ostdeutschen Bundesländern gebeugt. Sie äußerten Zweifel an der Verhältnismäßigkeit und Umsetzbarkeit einer solch weitgehenden Maßnahme.

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Auch aus Berlin kam Widerstand. Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) betonte am Mittwoch in einem rbb-Interview, lokale Ausreiseverbote für Regionen mit Corona-Ausbrüchen seien zwar sinnvoll. Doch für Berlin sei das nach ihrer Einschätzung nur schwer umzusetzen. "Die Bezirke haben die Größenordnung von Landkreisen in anderen Bundesländern. Da kann man natürlich keine Reisebeschränkungen verhängen", so Kalayci. Vielmehr sollten Menschen, die in Hotspots lebten, zuhause blieben. Das sei klarer und einfacher, als wenn alle anderen Bundesländer Einreisesperren verhängen müssten.

Auch das Brandenburger Gesundheitsministerium hatte sich für ein möglichst lokales Vorgehen stark gemacht. Die jetzt gefundene Einigung zwischen Bund und Ländern werde ausdrücklich begrüßt, teilte Benjamin Grimm (SPD), Staatssekretär in Brandenburger Staatskanzlei, am Donnerstag mit: "Die heutigen Beschlüsse stärken die regionalen Krisenstäbe und setzen auf die bereits gemachten Erfahrungen. Auf die lokalen Krisenstäbe wird es weiterhin entscheidend ankommen. (…) Wir waren uns einig, dass wir zunächst mit dem Skalpell und nicht mit dem Holzhammer vorgehen wollen."

In dem Beschluss von Bund und Ländern heißt es, zu einer Beschränkung von Ein- und Ausreise solle nur dann gegriffen werden, wenn kein "milderes Mittel" zur Verfügung steht. Die erste Maßnahme bei einem Ausbruch solle es immer sein, "Kontakt- und Ausbruchscluster" zu isolieren. Als Beispiele für solche Infektionscluster nennt das Papier "Unternehmen, Einrichtung, Freizeitgruppe, Glaubensgemeinschaft, Familienfeier". Hier sollten zunächst die "bewährten Maßnahmen Quarantäne, Kontaktnachverfolgung und Testung" ergriffen werden.

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Mit ihrem Beschluss wollen die Chefs von Bundeskanzleramt und Staatskanzleien auch den besonderen Herausforderungen der Urlaubs- und Reisezeit Rechnung tragen. "Hinsichtlich des regionale Ausbruchsgeschehen gilt es, die Verbreitung in die Urlaubsgebiete hinein zu vermeiden", heißt es in dem Beschlusspapier. Konkret sollen die Länder Vorsorge dafür treffen, dass Reisende aus Regionen mit erhöhten Corona-Infektionen nur dann in einem Beherbergungsbetrieb untergebracht werden beziehungsweise ohne Quarantänemaßnahme in ein Land einreisen dürfen, wenn sie mit einem ärztlichen Zeugnis nachweisen können, dass sie nicht infiziert sind.

Mit Blick auf die Reisesaison wurde zudem festgelegt, dass Rückkehrer aus dem Ausland, die sich innerhalb der vergangenen 14 Tage in einem Risikogebiet aufgehalten haben, verpflichtet bleiben, sich für 14 Tage in häusliche Quarantäne zu begeben.

Bislang gelten für Corona-Hotspots keine Ausreisesperren. Vielmehr verhängen die Bundesländer Einreisebeschränkungen und Übernachtungsverbote für Menschen aus betroffenen Landkreisen. Dies führte in den vergangenen Wochen wiederholt dazu, dass Reisende aus Corona-Hotspots an ihren Urlaubsorten zurückgewiesen wurden.

Sendung: Inforadio, 16.07.2020, 15 Uhr

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