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Quelle: dpa/Andreas Arnold

Corona-Infektionen

Wann ganze Schulen geschlossen werden müssen - und wann nicht

Wegen Corona-Infektionen sind in Berlin und Brandenburg bislang zwei Schulen komplett geschlossen worden. In anderen Schulen wurden dagegen nur vereinzelt Personen in Quarantäne geschickt. Viele Eltern reagieren verunsichert und fordern Klarheit. Von Frank Preiss

In Frankfurt (Oder) musste in dieser Woche ein Gymnasium mit mehr als 800 Schülerinnen und Schülern komplett geschlossen werden - wegen zweier Corona-Infektionsfälle. Am vergangenen Donnerstag wurde in Berlin-Treptow ebenfalls ein Gymnasium vorübergehend geschlossen, hier war eine Lehrerin mit dem Coronavirus infiziert.

Gleichzeitig gibt es Schulen, in denen trotz mehrerer Corona-Fälle nicht gleich die ganze Schule, sondern nur einzelne Lerngruppen oder Klassen in Quarantäne geschickt werden, so zum Beispiel am Sophie-Charlotte-Gymnasium in Berlin-Charlottenburg, wo sich zwei Schüler nachweislich infiziert haben.

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"Von Richtwerten ist mir nichts bekannt"

Viele Eltern sind deshalb verunsichert und verlangen Orientierung, wie zahlreiche Zuschriften an unsere Redaktion zeigen. Wann muss eine ganze Schule geschlossen werden? Und wann trifft es nur eine Klasse, eine Lerngruppe oder einen Jahrgang? Welche Kriterien sind dafür ausschlaggebend? Gibt es eine "Corona-Ampel" speziell für Schulen?

"Nein, ein solches Ampelsystem gibt es nicht", erklärt Astrid-Sabine Busse, die Vorsitzende des Interessenverbands Berliner Schulleitungen im Gespräch mit rbb|24. Ein solches sei auch nur schwer einzuführen, weil jede Schule anders strukturiert sei. "Man kann hier nicht alles über einen Kamm scheren. Vielmehr müssen die Schulleitungen gemeinsam mit der Schulaufsicht und dem jeweiligen Gesundheitsamt immer individuell die jeweilige Lage beurteilen. Und das ist mitunter sehr schwierig", betont Busse, die die Schule in der Köllnischen Heide in Neukölln leitet. Von etwaigen Richtwerten, ab welchem Infektionsausmaß Schulen komplett oder nur teilweise geschlossen werden müssten, sei ihr nichts bekannt.

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Alter der Schülerschaft spielt eine Rolle

Es gebe aber grundsätzlich gewisse Faktoren, die eine Komplettschließung wahrscheinlicher machen könnten, so Busse: die Schulform, die räumlichen Begebenheiten der Schule, das Alter der Schüler und vor allem der Grad der Durchmischung innerhalb der Schule, so Busse: "Je älter die Schüler werden, desto mehr Pädagogen arbeiten in den Klassen. An Oberschulen gibt es das Kurssystem mit gemischten Gruppen, dann zieht eine Infektion größere Kreise", erklärt Busse. Was auch erklären könnte, warum mit der Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin-Treptow und dem Karl-Liebknecht-Schule in Frankfurt (Oder) schon zwei Gymnasien komplett geschlossen werden mussten - trotz nur weniger Infektionsfälle.

"Die Pädagogen und Schulleitungen sind hier sehr verantwortungsvollen Abwägungsprozessen ausgesetzt, wir sind in einer sehr schwierigen Lage. Wir tun tagtäglich alles uns Mögliche, um komplette Schulschließungen zu vermeiden", betonte Busse im rbb|24-Gespräch und warb unter den Eltern um Verständnis.

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Hygienebeirat arbeitet an "Stufenplan"

Klarheit schaffen soll in Berlin der Hygienebeirat, der am Montag das erste Mal tagte. Dabei seien mehrere Facharbeitsgruppen eingerichtet worden, wie ein Sprecher der Senatsverwaltung für Bildung auf rbb|24-Anfrage erläuterte. "Verschiedene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie weitere Expertinnen und Experten werden einen Stufenplan erarbeiten, der unterschiedliche Szenarien erhält, sollten die Infektionszahlen in unterschiedlicher Form ansteigen." Auch der Musterhygieneplan soll demnach noch verständlicher und konkreter gefasst werden.

Dieser Stufenplan solle Aufschluss darüber geben, ab welchen Infektionszahlen in Schulen welche Maßnahmen nötig seien, sagte Beiratsmitglied Norman Heise, der Vorsitzende des Landeselternausschusses. Erste Ergebnisse werde der Hygienebeirat bei seiner nächsten Sitzung beraten. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) wolle zudem jeden Freitag über das Infektionsgeschehen an Schulen berichten.

Diffuses Infektionsgeschehen kann zur Schließung führen

Auch in Brandenburg müssen letztlich die Gesundheitsämter jedes Infektionsgeschehen in Schulen individuell analysieren und beurteilen. Auf Anfrage von rbb|24 verwies das Bildungsministerium auf eine Pressemitteilung, die am Dienstag gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium veröffentlicht worden war. Darin weist ähnlich wie Busse auch die Brandenburger Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) darauf hin, dass das Ausmaß der Kontakte entscheidend sei: "Solange man Kontakte klar eingrenzen kann, werden nur einzelne Personengruppen, zum Beispiel eine Schulklasse, in die häusliche Quarantäne geschickt. Wenn aber das Infektionsgeschehen diffus ist, kann auch die vorübergehende Schließung einer ganzen Einrichtung erforderlich sein."

Soll also auch hier heißen: Sobald eine infizierte Person, z.B. ein Lehrer, mehrere Klassen unterrichtet hat, ein Oberstufenschüler verschiedene Kurse besucht hat oder der betroffene Schüler nach dem Unterricht noch im Hort mit anderen Kindern in Kontakt getreten ist, rückt eine großflächige Quarantäne bis hin zu einer kompletten Schulschließung näher. Befand sich die infizierte Person dagegen in einem festen Klassenverband, dann ist eher wahrscheinlich, dass nur die betroffene Klasse in häusliche Quarantäne geschickt wird.

Beitrag von Frank Preiss

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