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Audio: rbb | 27.08.2020 | Michael Ernst | Quelle: SULUPRESS.DE

Juristischer Streit um Großdemo

Berliner Polizei von Demo-Neuanmeldungen geflutet

Eine Demo in Berlin anzumelden, ist ganz einfach online möglich. Nachdem in dieser Woche eine geplante Großdemo gegen die Corona-Maßnahmen zunächst verboten worden war, machten Tausende von dieser Möglichkeit Gebrauch.

Nachdem die Berliner Versammlungsbehörde eine für Samstag geplante Groß-Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen verboten hat, sind bei der Berliner Polizei bis Freitagvormittag mehr als 5.000 Demo-Anmeldungen für den gleichen Tag eingegangen. Das sagte eine Polizeisprecherin. Man wolle die Arbeit der Polizei erschweren oder lähmen, hieß es am Freitag auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz mit Polizeipräsidentin Barbara Slowik.

Schon am Vortag war man bei der Berliner Polizei davon ausgegangen, dass die Zahl der angemeldeten Demos, die am Donnerstagnachmittag bei etwa 3.000 lag, weiter steigen werde, weil entsprechende Aufrufe im Internet kursierten. Zuvor hatte das Portal "t-online.de" darüber berichtet.

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Teilweise Gewalt und Umsturz gefordert

Die Anmelderin der ursprünglichen Demo gegen die Corona-Politik der Regierung, die Initiative "Querdenken 711", hatte nach dem vom Senat verhängten Verbot am Mittwoch in einer Telegram-Gruppe dazu aufgerufen, zahlreiche Demos für Samstag anzumelden. "1.000 Versammlungen in Berlin anzumelden", sei das Ziel, schrieb der Anwalt der Initiative laut des Berichts von "t-online.de" in der Gruppe. Die Polizei müsse jede Anmeldung prüfen und bescheiden, so der Anwalt. Es sei ganz gleich, ob der Anmelder vor Ort sei oder es selber nicht nach Berlin schaffe.

Im Internet erschienen Aufrufe, trotz des Verbots in die Hauptstadt zu reisen und zu protestieren. Teilweise wurden unter dem Motto "Sturm auf Berlin" Gewalt und politischer Umsturz gefordert. Innensenator Andreas Geisel (SPD) sieht sich eigenen Aussagen zufolge massiven Gewaltandrohungen ausgesetzt. Berlins Vize-Regierungschefin Ramona Pop (Grüne) sprach Geisel angesichts dessen "volle Solidarität" aus. Sie sagte am Donnerstag: "Wir gucken besorgt auf dieses Wochenende und rufen zur Besonnenheit auf." Sie hoffe, dass es nicht zu einer Gewalteskalation komme, wie sie im Netz von manchen angekündigt werde.

Gericht hat Demo-Verbot gekippt

Inzwischen hat das Berliner Verwaltungsgericht das Verbot der Großdemonstration gekippt, wie ein Gerichtssprecher am Freitag sagte. Allerdings ist die Entscheidung noch nicht rechtskräftig. Das Land Berlin will nun das Oberverwaltungsgericht anrufen, wie Polizeipräsidentin Slowik kurz vor Bekanntgabe der Entscheidung für den Fall einer juristischen Niederlage in erster Instanz bekräftigt hatte.

Auch der Senat hat angekündigt, wenn nötig auch vor das Oberverwaltungsgericht zu ziehen. "Wir haben uns jetzt für das Wochenende entschieden, das Recht auf Unversehrtheit aus Artikel 2 des Grundgesetzes höher zu werten als die Meinungsfreiheit in Artikel 8. Dass bei solch einer Abwägung die Richter zu einem anderen Urteil kommen können, gehört zu unserer Demokratie", sagte Innensenator Andreas Geisel der "Süddeutschen Zeitung".

Polizei bereitet sich auf mehrere Szenarien vor

Die Polizei bereitet sich trotz der unklaren Lagen auf Einsätze am Wochenende vor. Innensenator Geisel kündigte an, Tausende Beamte aus mehreren Bundesländern und vom Bund zusammenzuziehen, um entweder das Demonstrationsverbot oder aber Auflagen für die Teilnehmer durchzusetzen. Polizisten hatten bereits am Donnerstag zahlreiche Absperrgitter an den Straßen im Regierungsviertel nahe dem Reichstagsgebäude und dem Bundeskanzleramt abgeladen.

Sollte das Demonstrationsverbot doch noch bestätigt werden, will die Polizei verhindern, dass sich Demos und Aufzüge bilden. "Das wäre eine Straftat", hatte ein Sprecher schon am Donnerstag gesagt. Laut Bundesversammlungsgesetz kann der Veranstalter oder Leiter einer verbotenen Versammlung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe belegt werden. Bei der Teilnahme an einer verbotenen Versammlung handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit.

Müller verweist auf Infektionsschutz

Die Berliner Versammlungsbehörde hatte sich beim Verbot der geplanten Kundgebung von 22.000 angemeldeten Teilnehmern auf den Infektionsschutz berufen. Die Behörde bezog sich dabei auch auf Erfahrungen mit einer ähnlichen Veranstaltung am 1. August: Tausende hatten damals bewusst gegen Hygiene-Vorschriften und Abstandsregeln verstoßen, entgegen eines vorab vereinbarten Hygienekonzepts.

Wenn schon von Anfang an angekündigt werde, Corona-Regeln nicht zu achten, dann sei das von vornherein eine Gefährdung vieler Menschen, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Donnerstagabend. Das gelte nicht nur für die Teilnehmer selbst. "Die Demonstranten gehen zurück, sie fahren mit dem ÖPNV nach Hause, sie gehen an den Arbeitsplatz, sie gehen in die Familie. Und überall bei diesen Kontakten gefährden sie wieder andere", sagte Müller.

Der stellvertretende Berliner Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Stephan Kelm, sieht bei den Corona-Demos extremistische Tendenzen, wie er am Freitag im rbb sagte. So werde in den sozialen Medien dazu aufgerufen, Polizisten gezielt anzugreifen. "Von solchen Sachen muss man sich distanzieren", sagte Kelm.

Kommentarfunktion am , 28.08.2020 um 13:50 Uhr geschlossen

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