rbb24
  1. rbb|24
  2. Politik
Video: Abendschau | 26.08.2020 | Laurence Thio | Gespräch mit Benedikt Lux | Quelle: dpa/Marc Vorwerk

Kommentar | Verbot von Corona-Demo in Berlin

Das Ende der Geduld

Mit dem Verbot der Corona-Demonstrationen sendet die Berliner Innenbehörde ein deutliches Signal: Nach Monaten der Inkonsequenz will man künftig die Hygieneregeln robust durchsetzen. Ein Präzedenzfall von bundesweiter Bedeutung, kommentiert Olaf Sundermeyer.

Ganz egal, ob ein Gericht die Verbote der Corona-Demonstrationen für das kommende Wochenende in Berlin am Ende aufhebt und der Protest damit erlaubt wird: Das Signal von Polizei und Berliner Senat ist klar. Man wird konsequent gegen all diejenigen vorgehen, die sich bei Versammlungen während der Pandemie bewusst den Abstandsregeln widersetzen und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ablehnen. Das ist die neue Handlungsmaxime nach Monaten der Inkonsequenz.

Zahlreiche Initiativen von Corona-Leugnern sowie Teile der rechtsextremen Szene und die AfD mobilisieren bundesweit zu Demonstrationen in Berlin mit dem zentralen Aufzug am Samstag. Auch ein Protestcamp zwischen Kanzleramt und Bundestag ist geplant, das ebenfalls verboten wurde. Ziel der Protestierer ist es, den Widerstand gegen die Politik in der Corona-Krise dauerhaft aufrecht zu erhalten, und mit dem Thema über Wochen in der Öffentlichkeit zu sein. Viele von ihnen träumen vom Sturz der Regierung, manchen wollen "den Reichstag stürmen", wollen mit ihrem Protest das ganze System stürzen. Auch deshalb ist die Innenbehörde in Berlin in besonderer Weise alarmiert. Aber ihr geht es um die Einhaltung des Infektionsschutzes, den sie bislang nicht wirkungsvoll erzwungen hat.

Mehr zum Thema

Infektionsschutz

Berlin verbietet Corona-Demonstration am Wochenende

Polizei war nicht vorbereitet

Mit den Verboten zieht die Berliner Polizei ihre Lehre aus den Erfahrungen mit der Großdemo am 1. August. Damals hatten sich dieselben Veranstalter der Initiative "Querdenken" zwar mit der Polizei ausdrücklich auf die Einhaltung der Hygieneregeln verständigt: Ihre rund 20.000 Anhänger haben sich dann aber bewusst nicht daran gehalten. Als kollektives Zeichen ihres Widerstands gegen die Bundesregierung.

Schon bei der Großdemonstration gegen Rassismus von "Black Lives Matter" (BLM) auf dem Alexanderplatz im Juni diesen Jahres konnte die Polizei bei einer vergleichbaren Zahl der Demonstrationsteilnehmer den Infektionsschutz nicht durchsetzen. Dass bei dieser Demo die meisten Teilnehmer aus einer Art jugendlichem Leichtsinn die Hygieneregeln missachteten, während sich die Anhänger von "Querdenken" bewusst gegen die staatlichen Regeln stellen, ist aus Sicht des Infektionsschutzes unerheblich. "BLM" handelte fahrlässig, die "Querdenker" agieren vorsätzlich. Sie haben die Polizei getäuscht, die den Protest mit ihrer vorbereiteten Einsatzstrategie der Deeskalation Anfang August gewähren lassen musste. Auf anderes war sie nicht vorbereitet: Sie war nicht mit einer ausreichenden Zahl an Beamten im Einsatz, auch nicht mit schwerem Gerät.

Appelle ans Verantwortungsgefühl entwertet

Weil der politische Wille fehlte, mit polizeilicher Gewalt gegen eine scheinbar friedliche Demonstration vorzugehen, wollten die Behörden durch ein robustes Agieren der Polizei schließlich nicht diejenigen bestätigen, die den Staat in der Krise als diktatorisches "Corona-Regime" darstellen. So gesehen hat die Initiative "Querdenken" die Gutmütigkeit des Staates ausgenutzt und die dauerhaften Appelle von Regierungspolitikern an das Verantwortungsgefühl der Bürger entwertet.

Erfüllt von einem Gefühl der Selbstermächtigung mobilisiert "Querdenken" nun im Verbund mit erklärten Gegnern der Demokratie zu den Protesten für das kommende Wochenende. Mit den Verboten erklärt der Berliner Senat seinen politischen Willen zur Konsequenz. Es ist das Ende der Geduld: "Der Staat lässt sich nicht an der Nase herumführen", so rechtfertigt der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) die Verbote mit der Erfahrung vom 1. August, als genau das passiert ist.

Sendung: Abendschau, 26.08.20, 19:30 Uhr

Beitrag von Olaf Sundermeyer

Artikel im mobilen Angebot lesen