rbb24
  1. rbb|24
  2. Politik
Video: Abendschau | 31.08.2020 | Tobias Schmutzler | Quelle: dpa

Demo-Bilanz

Geisel: "Das darf sich nicht wiederholen"

Bis zu 400 Menschen, darunter viele Rechtsextremisten, sind am Samstagabend dicht vor das Reichstagsgebäude gelangt. Innensenator Andreas Geisel (SPD) bescheinigt der Polizei einen "hervorragenden" Job - die Einsatztaktik müsse aber ausgewertet werden.

- Innensenator und Polizeiführung verteidigen Einsatz am Wochenende

- Geisel: "Bundestag war nicht ungeschützt"

- Polizei ermittelt wegen Landfriedensbruchs

- Mund-Nasen-Schutz soll Pflicht auf Demonstrationen werden

- Bundespräsident dankt den drei Reichstag-Polizisten

- Vorwürfe nach Polizei-Einsätzen gegen zwei Frauen

Berlins Innensenator Andreas Geisel hat die Besetzung der Treppe des Reichstags durch Gegner der staatlichen Corona-Politik am Samstagabend als beschämenden Vorgang bezeichnet. "Das darf nicht wieder passieren", sagte der SPD-Politiker am Montag in der Abendschau vom rbb. "Wir müssen das für die Zukunft ausschließen." Die Polizei habe bei den Protesten gegen die Corona-Politik am gesamten Wochenende in Berlin einen "hervorragenden" Job gemacht. "Der Bundestag war nie ohne Schutz und die Situation war ganz schnell beseitigt. Aber natürlich muss man das einsatztaktisch auswerten."

Im Nachhinein zeige sich, dass Berlins zuständige Behörden die Sicherheitslage richtig eingeschätzt hätten. Etlichen Demonstranten sei es allein darum gegangen, Gesetze zu brechen und den Infektionsschutz nicht zu befolgen. Darauf habe die Verbotsverfügung der Polizei abgezielt, die dann von Gerichten gekippt wurde.

Nach Angaben der Polizei hatten am Samstag etwa 300 bis 400 Demonstranten Absperrgitter am Reichstagsgebäude überrannt und sich lautstark vor dem verglasten Besuchereingang aufgebaut. Dabei wurden vor dem Sitz des Bundestags auch schwarz-weiß-rote Reichsflaggen geschwenkt. Die Polizei drängte die Menschen auch mit Pfefferspray zurück. Zuvor hatten nach Polizeischätzungen annähernd 40.000 Menschen auf der Straße des 17. Juni weitgehend friedlich gegen die Corona-Politik demonstriert.

Frau rief zur Erstürmung der Treppe auf

Der Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses beriet am Montagvormittag über die Vorfälle vor dem Reichstagsgebäude. "Das waren beschämende Bilder", sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik. Das Gesamtkonzept und auch der Kräfteansatz für diese "komplexe und hoch dynamische Lage" seien aber richtig gewesen. "Natürlich aber können wir besser werden," so Slowik. So werde man künftig "noch deutlicher, noch enger die Absperrlinien zum Reichstag schützen." Das genaue Vorgehen werde man mit der Bundestagspolizei erörtern.

Slowik sagte, die Polizei habe unverzüglich interveniert. Gleichzeitig räumte sie ein: "Es waren wenige Minuten, aber die Macht der Bilder zählt hier." Gegen 19 Uhr habe die Polizei versucht, den Zustrom von der großen Demonstration zur Reichstagswiese zu verhindern. Dadurch hätten viele Polizisten seitlich zwischen Reichstag und Tiergarten gestanden.

Gleichzeitig habe eine Sprecherin auf der Bühne der Reichsbürger-Demonstration direkt vor dem Reichstag dazu aufgerufen, "geschlossen die Reichstagstreppe zu stürmen". Nach Informationen des "Tagesspiegel" soll es sich bei der Frau um eine szenebekannte Heilpraktikerin aus der Eifel handeln, die den Reichsbürgern nah stehen soll. Sie soll auf der Bühne "Wir haben gewonnen", "Vor diesem Gebäude steht keine Polizei mehr" und "Wir holen uns hier und heute unser Hausrecht" geschrien haben. Zuvor soll sie behauptet haben, Donald Trump sei in der US-Botschaft. In einem Telefongespräch mit dem "Tagesspiegel" bestätigte sie das.

Rechtsextremisten rannten auch durch Mahnmal-Gelände

Die Polizei habe durch die Anstachelung "von zwei Seiten einen erheblichen Druck auf die Absperrlinie" gehabt, sagte Slowik. So sei es der Gruppe von 300 bis 400 Menschen gelungen, die Absperrungen "sehr kurzfristig zu überwinden und die Treppe hochzulaufen". Überwiegend seien das Menschen gewesen aus der "Reichsbürger"-Szene sowie zu einem kleineren Teil auch Demonstranten, "die sich selbst als Patrioten oder Bürgerwehr bezeichnen".

Die Polizeipräsidentin berichtete zudem, dass die Personen, die mit Reichsfahnen auf die Treppen des Reichstagsgebäudes gelangen konnten, auch durch das Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma gejagt sind. "Auch das darf sich nicht wiederholen", so Slowik.

Mehr zum Thema

Demonstranten stürmen Reichstagstreppe

Entsetzen über Reichstags-Eskalation

Einsatzleiter: "Hatten genügend Kräfte vor Ort"

Der zuständige Einsatzleiter meldete sich ebenfalls im Innenausschuss zu Wort. Seinen Angaben zufolge war die Berliner Polizei am Samstag vor dem Reichstagsgebäude grundsätzlich mit ausreichender Stärke aufgestellt. Man habe 250 Polizisten zum Schutz des Reichstags im Regierungsviertel gehabt, sagte der Polizei-Einsatzleiter an dem Tag, Stephan Katte.

Der Vorfall hätte so nicht passieren dürfen, betonte er. "Kräfte allerdings waren genug im Einsatz." Das habe sich auch dadurch gezeigt, dass innerhalb weniger Minuten Unterstützungseinheiten dort gewesen seien. "Es ist auch nicht so, dass nur oben die drei Kollegen standen, auch unten standen Kollegen, die aber schlichtweg überrannt wurden und beiseite geschoben wurden."

Polizei ermittelt wegen Landfriedensbruchs

Wegen der Besetzung der Reichstagstreppe bei den Demonstrationen hat die Polizei am Montag Ermittlungen wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch aufgenommen. Möglicherweise könnten noch weitere Delikte dazukommen, sagte ein Polizeisprecher. Das müssten die Untersuchungen ergeben. Ob die Demonstranten versucht hätten, mit Gewalt in den Reichstag einzudringen oder das Gebäude zu beschädigen, sei noch nicht bekannt.

Auch gegen die Frau, die zum Sturm auf das Gebäude aufgerufen habe, würden Ermittlungen laufen. Die Identität der Frau sei auch der Polizei bekannt.

Kommentarfunktion am 31.08.2020, 20 Uhr geschlossen

Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

Sendung: Inforadio, 31.08.2020, 7:05 Uhr

Artikel im mobilen Angebot lesen