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Audio: Radioeins | 14.08.2020 | O-Ton Tom Erdmann | Quelle: imago images/Max Kovalenko

Unterricht unter Corona-Bedingungen

Schüler, Lehrer und Eltern ziehen kritische Schulbilanz

Lehrergewerkschaft und Schülervertreter fordern fordern massive Investitionen in den Berliner Schulbetrieb, um Corona-Maßnahmen besser umsetzen zu können. Es mangele nicht nur an Personal - sondern beispielsweise auch an Waschbecken.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Landesschülerausschuss in Berlin haben eine kritische Bilanz der ersten Schulwoche nach den Sommerferien gezogen.

Der GEW-Landesvorsitzende Tom Erdmann sagte am Freitag im rbb, unter den aktuellen Bedingungen sei kein Regelbetrieb möglich. Unter anderem fehlten Fachkräfte, so Erdmann bei Radioeins.

Wer sich waschen will, braucht ein Waschbecken

Landesschülersprecher Richard Gamp sagte im rbb-Inforadio, wie gut das Hygienekonzept umgesetzt werde, hänge stark von der jeweiligen Schule ab. Teilweise fehlten die Kapazitäten, um alle Anforderungen zu erfüllen, zum Beispiel genug Waschbecken zum Händewaschen. Der Senat lasse die Schulen da im Regen stehen, so Gamp.

Wenn man wolle, dass Schüler besonders oft Hände waschen, brauche man entsprechende Sanitärmöglichkeiten, sagte Gamp. Wenn man wolle, dass Tische desinfiziert werden, brauche man Desinfektionsmittel.

Er verteidigte ebenso wie Erdmann die Forderung nach einer Soforthilfe von einer Milliarde Euro. Das Geld ist laut GEW nötig, um mehr Personal einzustellen und Lerngruppen verkleinern zu können, aber auch, um bauliche Mängel zu beseitigen.

Scheeres beruft sich auf Musterhygieneplan

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) wies die Kritik zurück. Es gebe einen Musterhygieneplan, den die Schulen auf die jeweilige räumliche Situation anpassen sollen, sagte sie am Donnerstag der rbb-Abendschau.

Gemeinsam mit der Gesundheitsverwaltung und den Gesundheitsämtern sei eine Handreichung erarbeitet worden. Wenn zum Beispiel eine Lehrkraft positiv getestet werde, sei sofort das Gesundheitsamt zu informieren. Aufgeschrieben sei auch, wer als Kontaktperson gilt. Die Bildungssenatorin stellte klar, eine Schule könne sich nicht selbst schließen. Nur das Gesundheitsamt könne einzelne Personen oder Lerngruppen in Quarantäne schicken.

Dass am Donnerstag in Berlin eine Schule geschlossen wurde, habe sie sehr besorgt, weil die Lehrkräfte sich dort nicht an den Hygieneplan gehalten hätten, so Scheeres. Es sei wichtig, dass in den Schulen die Regeln auch eingehalten würden, damit der Gesundheitsschutz gewährleistet werde und die Schülerinnen und Schüler beschult werden könnten. Auch den Eltern sei eine Regelbeschulung wichtig, damit sie wieder arbeiten gehen können.

Coronafälle an acht Berliner Schulen

Die ersten Berliner Schulen hatten kurz nach Schulstart auf Corona-Infektionen reagieren müssen. An acht Schulen waren bis Donnerstagabend positive Tests bekannt, das Gerhart-Hauptmann-Gymnasium in Berlin-Köpenick wurde am Donnerstag auf Eigenintiative hin bereits vorsorglich geschlossen.

In Berlin gilt eine Maskenpflicht in Schulgebäuden, aber nicht während des Unterrichts. Schülersprecher Gamp findet die Regelung richtig. Im Unterricht solle man darauf achten, Abstand zu halten, regelmäßig zu lüften und Kontaktflächen zu desinfizieren. "Aber im Unterricht sollte meiner Meinung nach - wenn möglich - die Maske abgesetzt werden dürfen, weil es doch sehr, sehr unangenehm wird und das Lernen deutlich erschwert für die Schülerinnen und Schüler."

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Höheren Tempo bei Digitalisierung

Daneben gibt es noch weitere Forderungen an den Senat: Schnelles Internet, bezahlbare Internetanschlüsse für Schüler und Laptops für alle Lehrer seien sinnvolle Ziele, sagte der Vorsitzende des Landeselternausschusses, Norman Heise, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur.

Über solche Hilfen für eine bessere Bildung hatten sich am Donnerstagabend mehrere Kultusminister mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Chefin Saskia Esken und Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) ausgetauscht. Berlins Bildungssenatorin Scheeres war nicht dabei. Wie die DPA aus Teilnehmerkreisen erfuhr, ist geplant, dass jeder Lehrer einen Dienstlaptop bekommt und jedem Schüler ein günstiger Zugang zum Internet ermöglicht wird, der maximal zehn Euro im Monat kosten soll. Außerdem solle jede Schule in Deutschland zügig an schnelles Internet angeschlossen werden. Es wird demnach mit Kosten von rund 500 Millionen Euro gerechnet.

Er hoffe sehr, dass das nicht nur zur Beruhigung von Eltern beitragen soll, sagte Heise. "Wir alle wissen, dass es seit Jahren den Digitalpakt gibt, der einfach nicht bei den Schulen ankommt." Er forderte, dass alle Berliner Schulen mit Breitbandanschluss ausgestattet werden sollten. Das sei unverzichtbar, wenn es wegen Corona-Infektionen wieder zu Teilschließungen von Schulen komme und Kinder zu Hause unterrichtet werden müssten. Das gehe nicht ohne ausreichend Bandbreite, die etwa für Videokonferenzen nötig sei.

Brandenburg diskutiert verpflichtenden Zusatzunterricht

Die GEW in Brandenburg fordert mit dem Schulstart am Montag mehr Zeit für die Tests, mit denen der Lernstand erfasst werden soll. Es sei nicht gut, diese Erhebungen unter Zeitdruck und Corona-Bedingungen durchzuführen, sagte der GEW-Landesvorsitzende Günther Fuchs am Freitag dem rbb. Die Schulen würden überfordert, so Fuchs zu Antenne Brandenburg.

Mit den Tests in den Kernfächern wie Mathematik und Deutsch soll erfasst werden, welche Lernlücken durch wochenlange Schulschließungen entstanden sind. Auf Grundlage der Ergebnisse will Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) entscheiden, ob es in den kommenden Osterferien verpflichtenden Unterricht geben wird.

Sendung: Inforadio, 14.08.2020, 9:30 Uhr

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