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Audio: Radioeins | 10.08.2020 | Interview mit Günther Fuchs, GEW | Quelle: dpa/Marijan Murat

Start ins Corona-Schuljahr

GEW rechnet mit Schulschließungen in Berlin und Brandenburg

Nach Home-Schooling und Sommerferien hat der Schulunterricht in Berlin und Brandenburg wieder begonnen - zwar unter Auflagen, aber ohne Maskenpflicht im Unterricht. Eine fragile Situation, heißt es von der GEW. Derweil beruft die Bildungssenatorin einen Hygienebeirat.

Nach monatelangem Home-Schooling gehen seit Montag rund 370.000 Kinder in Berlin und Brandenburg wieder zur Schule. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) erwartet allerdings, dass es auch in der der Region wieder zu Schulschließungen kommen wird. Darum werde man nicht herumkommen, sagte der Brandenburger GEW-Landesvorsitzende Günther Fuchs am Montag dem rbb-Sender Radioeins. Der Schulbetrieb werde noch lange von der Pandemie gezeichnet sein. "Ich halte es für leichtsinnig zu erklären, dass wir Regelunterricht haben. Es ist ein Unterricht nach besonderen Regeln", sagte Fuchs.

Der Berliner Landesschülerausschuss forderte zum Auftakt des neuen Schuljahres ein Notfallkonzept, um den Unterricht bei Corona-Fällen aufrechtzuerhalten.

Hintergrund

Fragen und Antworten

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Hygienebeirat hätte früher starten sollen

Ähnlich wie Fuchs äußerten sich die Vereinigung Berliner Schulleiterinnen und Schulleiter in der GEW und der Berliner Landesschülerausschuss. Die Vereinigung Berliner Schulleiterinnen und Schulleiter der GEW kritisierte, die Stadt sei nicht gut genug auf erneute Schulschließungen vorbereitet.

Ein Hygienebeirat, dessen Einberufung Bildungssenatorin Sandra Scheeres am Montag angekündigt hat, hätte beispielsweise schon viel früher eingeführt werden können, sagte die Vorsitzende Gunilla Neukirchen am Montag im Inforadio vom rbb. "Von der Politik und der Gesamtplanung in der Stadt, da hätte sehr viel mehr passieren müssen", so Neukirchen. Man habe schließlich sechs Wochen Zeit gehabt.

Wie soll der Infektionsschutz ab Herbst funktionieren?

Mitglieder für den Hygienebeirat, der über Fragen des Infektionsschutzes während der Corona-Krise beraten soll, könnten nach Ankündigungen der Bildungssenatorin vom Montag aus der Wissenschaft, aus dem Landesverband der Kinderärzte oder auch aus dem Landeselternausschuss kommen.

Norman Heise, Vorsitzender des Landeselternausschusses, forderte am Montag, der Hygienebeirat müsse so schnell wie möglich die Arbeit aufnehmen. Schon jetzt müsse sich das Gremium Gedanken über die Zeit ab Herbst machen, wenn in den Schulen nicht mehr ohne weiteres regelmäßig gelüftet werden könne und das Risiko von Infektionen steige.

Auch der Landesschülerausschuss fordert, im Hygienebeirat vertreten zu sein. Die Schülervertretung hatte einen Streik an den Schulen ins Spiel gebracht, um gegen den Schulstart im Regelbetrieb zu protestieren. Nun wolle man aber abwarten, wie es mit dem Hygienebeirat weitergehe. "Streik wäre das letzte Mittel", sagte die Schüler-Sprecherin Lena Werner.

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Neukirchen, die auch Leiterin einer Schule in Steglitz-Zehlendorf ist, plädierte auch dafür, die Maskenpflicht auch auf den Unterricht auszuweiten. Ihre Schule habe das aufgrund wissenschaftlicher Empfehlungen beschlossen. "Wir tun alles, damit die Schülerinnen und Schüler geschützt sind." Dies finde auch große Zustimmung. "Die Eltern befürworten es sehr, auch wenn es eine große Belastung für die Schüler darstellt."

Wie Neukirchen sagte, habe sie sich bei der Maskenpflicht eine andere Entscheidung von Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) gewünscht - und am besten auch eine bundesweit einheitliche Regelung.

In Berlin gilt in Schulgebäuden eine Maskenpflicht - allerdings nicht während des Unterrichts. In Brandenburg soll das Kabinett am Dienstag eine entsprechende Verordnung beschließen. Bis dahin ist der Mund-Nasen-Schutz freiwillig. Die bis zu den Ferien geltende Abstandsregel von 1,50 Meter muss nicht mehr eingehalten werden. Unterrichtet wird in Klassengrößen wie in den Zeiten vor der Corona-Pandemie.

Fuchs: Probleme "mit Masken allein nicht zu lösen"

Der Brandenburger GEW-Landesvorsitzende Fuchs sagte dagegen, es sei vernünftig, dass die Maskenpflicht im Unterricht nicht gelte. "Wir müssen aber über das Hygienekonzept an Schulen sprechen", so Fuchs. "Die Klassen sind viel zu voll, das heißt wir haben zu viele Schüler in zu kleinen Räumen." Problematisch sei es auch, dass es teilweise zu wenig Lehrkräfte gebe und man könne eine Klasse auch nicht aufteilen. "Das werden wir mit Masken allein nicht lösen können."

Bildungssenatorin Sandra Scheeres verteidigte auch den Verzicht auf eine Maskenpflicht im Unterricht. Gerade in Lernsituationen sei das schwierig, sagte die SPD-Politikerin am Montag beim Besuch einer Schule in Berlin-Kreuzberg. Das gelte vor allem für die kleineren Kinder, wenn deren Mimik nicht zu sehen sei. Klar sei aber, dass es wichtig sei, die Infektionszahlen im Blick zu behalten und den Hygieneplan gegebenenfalls anzupassen, sagte Scheeres.

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Mögliches Drehen an Stellschrauben

Kritik am Verzicht auf die Maskenpflicht kommt auch aus der SPD. So sagte Gesundheitsexperte Thomas Isenberg im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses: "Ich weiß nicht, wie ich erklären kann, dass die Eltern in der U-Bahn eine Maske tragen sollen, aber ihre Kinder im Unterricht davon befreit sind, dass es da egal ist." Es sei ein Fehler, hier keinen verpflichtenden Mund-Nasen-Schutz einzuführen, gerade nicht bei den Älteren, als Leitbild beim Unterricht. Das seien zigtausend Kontakte.

Darauf erwiderte Scheeres: Kinderärzten und Psychologen zufolge würde es das Lernen beeinträchtigen, wenn die Kinder und Jugendlichen vier oder fünf Stunden mit Mund-Nasen-Schutz dasitzen. Einen solchen Zeitraum für ein Kind mit Maske zu bewältigen sieht auch sie als schwierige Situation. "Einen ganz hohen Stellenwert hat der Gesundheitsschutz", betont sie.

"Auf der anderen Seite steht das Recht auf Bildung, dass Kindern gut lernen können." Da gehöre aus ihrer Sicht auch dazu, dass Kinder die Mimik ihres Gegenübers erkennen können. Scheeres signalisiert zugleich: Sollte sich die Lage ändern, müsse man sehen, an welchen Stellschrauben gedreht werden müsse.

Kein rechtlicher Anspruch auf Abstand

Dass es keinen Anspruch auf die Einhaltung der Abstandsregeln in Schulen gibt, hat inzwischen das Berliner Verwaltungsgericht entschieden: Der Unterricht an öffentlichen Schulen könne effektiv nur als Präsenzunterricht stattfinden, und das sei nur ohne Mindestabstand möglich. Deshalb habe das Land die Abstandsregel in den Schulen aufheben dürfen, teilte das Gericht am Montag mit.

Entschieden hatte es bereits am Freitag im Eilverfahren. (Az.: VG 14 L 234/20) Es widersprach damit der Argumentation zweier Schülerinnen und ihrer Eltern, die geltend gemacht hatten, zum effektiven Schutz vor einer Corona-Infektion gehöre auch in der Schule ein Mindestabstand von 1,50 Metern.

Schule in Corona-Zeiten war am Montag auch im Thema im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses.

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