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Video: Brandenburg aktuell | 23.08.2019 | Jacqueline Piwon | Quelle: imago images / Martin Müller

Landtagswahl am 1. September

Wie Brandenburgs neue Regierung aussehen könnte

Rot-Rot-Grün, Kenia-Koalition oder gar eine Regierung ohne die SPD? Theoretisch sind kurz vor der Brandenburg-Wahl viele Koalitionsmöglichkeiten denkbar, praktisch dürfte die Regierungsbildung so schwer werden wie noch nie. Von Claudia Stern

Zehn Tage vor der Landtagswahl ist die SPD zurück: Beim BrandenburgTrend im Auftrag der ARD haben die Sozialdemokraten ihren Abwärtstrend beendet und einen Sprung zurück nach vorn gemacht – von zuletzt 18 auf 22 Prozentpunkte. Damit liegt sie gleichauf mit der AfD und vor CDU (18 Prozent), Linken (15 Prozent) und Grünen (12 Prozent), deren zwischenzeitlicher Höhenflug beendet scheint.

Obwohl diese neuen Umfrage-Ergebnisse zeigen, dass sich das Stimmungsbild in den letzten Wochen noch einmal erheblich geändert hat, bleibt ein Problem bestehen: Keine der Parteien wird eine klare Stimmenmehrheit auf sich vereinen können, für die traditionelle Zweier-Regierungskoalition wird es in keiner einzigen Konstellation reichen. Eine Zersplitterung mit wenig stabilen Mehrheiten droht. Die Koalitionsbildung dürfte damit so schwer werden wie noch nie zuvor in der Nach-Wende-Geschichte Brandenburgs, die bislang durchgängig von der SPD bestimmt wurde.

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Es wird also aller Wahrscheinlichkeit nach eine Dreier-Koalition werden. Rein rechnerisch wären da viele Varianten denkbar, wie der Koalitionsrechner zeigt, der allerdings mögliche Überhang- und Ausgleichmandate ebenso wenig berücksichtigt wie ein mögliches Direktmandat von BVB/Freie Wähler, die zu Verschiebungen im Landtag führen würden.

Stabil ist seit einiger Zeit die AfD bei etwas mehr als 20 Prozent und mit guten Chancen, zur größten Fraktion im Landtag zu werden. Sie könnte, wenn es nach der aktuellen Stimmenverteilung geht, theoretisch mit der SPD und der CDU eine Regierung bilden. Oder mit der CDU und den Grünen. Oder mit der SPD und der Linken. Oder oder oder, viele Kombinationen wären rechnerisch möglich, allein: Keine einzige Partei will mit der AfD koalieren.

CDU-Spitzenkandidat Ingo Senftleben hatte vor einigen Wochen zwar angekündigt, nach der Wahl auch mit der AfD reden zu wollen, einer Koalition erteilte er danach aber eine klare Absage - zuletzt betonte er das in der Wahlarena des rbb mit Nachdruck. Auch Ministerpräsident Dietmar Woidke sagte: "Ich schließe Gespräche oder jegliche Kooperation mit der AfD aus. Mit einer Partei, die Spaltung predigt, rassistisch und fremdenfeindlich ist, kann es das nicht geben." Für die Linken ist allein schon Senftlebens "Mit-der-AfD-Reden" ein No-Go und auch Grüne und FDP lehnen ein Bündnis mit der AfD klar ab.

Eine Minderheitsregierung der Rechtspopulisten ist ebenfalls nicht denkbar, denn dafür müsste sich der Landtag mehrheitlich für einen Ministerpräsidenten Andreas Kalbitz aussprechen. Das dürfte ausgeschlossen sein. Die AfD wird nach der Wahl also aller Voraussicht nach in die Opposition gehen müssen, selbst wenn sie stärkste Fraktion im neuen Landtag werden sollte.

Die Zeichen stehen auf R2G

Dass SPD und Linke die gemeinsame Regierungsarbeit gerne fortsetzen würden, haben sie in den vergangenen Wochen und Monaten oft bekundet. Möglich wäre das beispielsweise zusammen mit den Grünen.

Auch inhaltlich erscheint Rot-Rot-Grün (R2G) als die naheliegendste Variante – wäre da nicht das Thema Kohleausstieg in der Lausitz. Denn während der amtierende Ministerpräsident Woidke den Ausstiegsplan bis spätestens 2038 entscheidend mitentwickelt hat, wollen die Grünen bis spätestens 2030 ein Ende der klimaschädlichen Kohleverstromung, die Linken sogar so schnell wie möglich.

Weitere Streitthemen zwischen Rot, Rot und Grün dürften die Agrarpolitik und die innere Sicherheit sein. Einfach werden die Koalitionsverhandlungen also sicherlich nicht werden.

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Sollte eine Koalition nicht zustande kommen, könnte Rot-Rot einen anderen Partner suchen. Als unwahrscheinliche Variante wäre ein Bündnis mit der CDU denkbar. Dabei gibt es aber – mindestens – zwei Probleme. Für CDU-Chef Senftleben ist die SPD als Koalitionspartner offenkundig keine Wunschoption: Er spricht seit Monaten davon, dass Brandenburg nach 30 Jahren SPD dringend einen Regierungswechsel brauche.

Der Linkspartei gegenüber gibt sich Senftleben aufgeschlossen. Er forderte seine eigene Partei sogar auf, diesbezüglich "über ihren eigenen Schatten zu springen". Allerdings scheint sich die Linke damit aktuell deutlich schwerer zu tun. Spitzenkandidat Sebastian Walter kritisierte Senftlebens Aussagen, nach einem Wahlerfolg auch mit der AfD Gespräche führen zu wollen. "Wer der AfD nur einen kleinen Finger reicht, kann für uns kein Partner sein", sagte Walter. Auch inhaltlich liegen CDU und Linke in den meisten Kernpunkten weit auseinander, wenn es nach ihren Wahlprogrammen geht.

"Kenia" oder die SPD in der Opposition

Rechnerisch ebenfalls möglich wäre eine sogenannte "Kenia-Koalition" aus SPD, CDU und Grünen oder sogar – ganz ohne die SPD – aus CDU, Grünen und Linken. Doch auch diese beiden Optionen scheinen aus genannten Gründen deutlich komplizierter als Rot-Rot-Grün.

Bei "Kenia" bleiben die Differenzen zwischen SPD und Grünen beispielsweise beim Kohleausstieg zu überwinden. Außerdem müsste sich die CDU auch in diesem Fall mit dem unerwünschten Koalitionspartner SPD arrangieren. Mit den Grünen wiederum sieht CDU-Chef Senftleben nach fünf Jahren gemeinsamer Oppositionsarbeit Gemeinsamkeiten. "Da gibt es Schnittmengen", sagte er. Die Grünen knüpfen ihre Koalitionsbereitschaft grundsätzlich, vom Kohleausstieg abgesehen, vor allem an das Bekenntnis zu einer offenen Gesellschaft und an den Ausbau von Bus und Bahn.

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Wenig wahrscheinlich ist nach den jüngsten Umfragen wohl die Variante ohne die SPD – also eine Koalition aus CDU, Grünen und Linken. Denn in diesem Fall säße nicht mehr nur eine der wohl zwei stärksten Kräfte in der Opposition, sondern gleich beide. Außerdem bleibt die Absage der Linkspartei an die CDU, die eine solche Koalition unmöglich machen würde.

Kleinere Parteien könnten Zünglein an der Waage sein

Mit der FPD, die laut Sonntagsfrage mit 5 Prozent der Stimmen in den Landtag zurückkehren würden, als dritter Regierungspartei würde es nach derzeitigem Stand in keiner Konstellation reichen. Die Liberalen haben trotzdem schon mal ihre Bereitschaft, Regierungsverantwortung zu übernehmen, erklärt. Inhaltliche Schnittmengen sehen sie mit allen Parteien außer der AfD und der Linken.

Sollten die BVB/Freie Wähler entgegen der aktuellen Prognosen doch die Fünf-Prozent-Hürde nehmen oder über ein Direktmandat in den Landtag einziehen, könnte sogar eine Vierer-Koalition zur Mehrheitsbildung nötig werden.

Ministerpräsident muss innerhalb von drei Monaten gewählt werden

Weil all das nicht schon schwierig genug ist, wird sich am Ende auch die Frage stellen, wer am Ende eine Koalition – egal welcher Farbkombination – anführen wird. Woidke will, Senftleben will auch, das ist schon länger klar. Zuletzt warf sogar Grünen-Spitzenkandidatin Ursula Nonnemacher ihren Hut in den Ring. Zumindest das dürfte nach dem Rückschlag der neuesten Umfrage weitgehend vom Tisch sein, denn die Grünen liegen nach ihrem Höhenflug im Frühjahr nun doch wieder deutlich auf Kurs Juniorpartner.

Fakt ist: Die Koalitionsbildung wird schwierig. Allzu lange haben die Parteien dabei gar nicht Zeit. Nach seiner Konstituierung Ende September muss der neue Landtag innerhalb von drei Monaten einen Ministerpräsidenten wählen. Schafft er das nicht, gibt es Neuwahlen.

Beitrag von Claudia Stern

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