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Quelle: imago images/Matthias Koch

Interview | Herthas Finanz-Geschäftsführer Ingo Schiller

"Hertha könnte auch ohne Spiele sehr lange durchhalten"

Die Bundesliga-Klubs hoffen auf eine Saison-Fortsetzung. Herthas Finanz-Geschäftsführer Ingo Schiller erklärt im Interview, warum die für die Liga wichtig wäre, wie es den Berlinern wirtschaftlich geht und wie er trotz Corona-Krise die kommende Saison plant.

rbb|24: Herr Schiller, wenn einem Unternehmen von heute auf morgen der Großteil der Einnahmen wegbricht, kann es schnell in einen gehörigen Schlamassel geraten. Dennoch sind auch die Hertha-Fans im Bezug auf die Pläne der Bundesliga, den Spielbetrieb fortzusetzen, nicht einer Meinung. Was sagen Sie dazu?

Ingo Schiller: Das kann ich sehr gut verstehen. Ich glaube, dass die Situation so besonders ist, dass keiner ein Patentrezept hat. Aber uns geht es darum, dass wir als Liga und Vereine ein Angebot gemacht haben, das natürlich auch beinhaltet, dass unser Wirtschaftsbetrieb weitergeht. Allein bei Hertha hängen da 250 direkte Arbeitsplätze dran, über 1.000 beim Verein. In der Liga sind es insgesamt über 60.000. Das ist ein Wirtschaftsfaktor und gleichzeitig ist es natürlich auch ein Stück Rückkehr zur Normalität.

Zur Person

Ingo Schiller ist bei Hertha BSC seit 1998 Geschäftsführer und verantwortlich für die Bereiche Finanzen, Organisation und Infrastruktur.  Er ist studierter Diplom-Kaufmann und Betriebswirt und seit 25 Jahren im Profifußball tätig. 

Diejenigen, die das kritisch sehen, argumentieren damit, dass es nicht ausgerechnet die Profi-Fußballer sein müssen, weil die genug Geld hätten. Die DFL hat im vergangenen Jahr 1,4 Milliarden Euro an das Finanzamt abgeführt. Ich glaube, darum geht es auch in erster Linie: Dass die Liga weiter mit den Vereinen existieren kann, oder?

Absolut. Es wird sehr viel einfacher, die Liga in ihrer jetzigen Form aufrecht zu erhalten, wenn wir diese Spiele ohne Zuschauer durchführen können. Ich glaube, dass da ein sehr umfangreiches und nachvollziehbarers Konzept erarbeitet wurde. Jetzt geht es darum, zu prüfen, ob das die richtige Grundlage ist, um den Spielbetrieb wieder aufzunehmen.

Seit dem vergangenen Sommer hat Hertha mit Lars Windhorst einen Investor, der rund 224 Millionen Euro in den Verein gesteckt hat. Wie wäre denn die Lage bei Hertha ohne das Geld von Lars Windhorst?

Natürlich ist das der große Unterschied und auch der Grund, warum Sie heute mit einem entspannteren Finanz-Geschäftsführer sprechen, im Vergleich dazu, wenn die Situation anders wäre. Wir sind sehr froh über diesen Partner und haben dadurch natürlich eine innere Stärke und Ruhe, diese herausfordernde Situation anzugehen.

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Da stellt sich natürlich die Frage, ob die Diskussion um die 50+1 Regel, die besagt, dass kein Investor die Mehrheit an einem Verein haben darf, noch zeitgemäß ist - gerade in diesen schwierigen Zeiten. Wäre es also besser, diese Regel abzuschaffen?

Ich glaube, da besteht kein direkter Zusammenhang. Auch im Rahmen der 50+1 Regel waren und sind Investitionen möglich. Das zeigt unser Beispiel, aber auch eine Reihe anderer Beispiele in der Liga. Natürlich wäre die Bewertung wahrscheinlich eine andere, aber ich glaube, dass wir in der aktuellen Situation auch mit den Statuten 50+1 die Situation beherrschen können. Ich glaube, dass man diese Diskussion jetzt nicht vermischen sollte. 

Nun weiß niemand, wie es weitergeht. Da stelle ich mir die Frage: Wie planen Sie als Finanzchef die kommende Saison?

Es ist eine ganz andere Herausforderung, die wir als Team jetzt in verschiedenen Szenarien durchdenken müssen. Das gilt ja nicht nur für die kommende, sondern auch für den Rest dieser Saison. Die Frage, ob wir überhaupt weiterspielen und die Tatsache, dass es in jedem Fall ohne Zuschauer sein wird, hat auch Einfluss auf die kommende Spielzeit. Dann müssen wir vielleicht noch Sponsorenverträge nacherfüllen oder Rückerstattungen leisten. Aber ich sehe das Ganze eher als Aufgabe und nicht als Belastung.

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Am Mittwoch wollen die Bundesregierung und die Länderchefs entscheiden, ob die Saison mit Spielen ohne Zuschauer fortgesetzt wird oder nicht. Mal angenommen, die Entscheidung fällt gegen eine Saisonfortsetzung: Wie lange kann Hertha BSC ohne Spiele durchhalten?

Wir können sehr lange durchhalten, aber ich glaube, das ist nicht die Frage, denn es geht ja um den Wettbewerb. Es geht um die Liga in ihrer Gesamtheit und in ihrem Bestand, wie wir sie kennen und brauchen und die Fans, die das weiter erleben möchten. Wir benötigen den Wettbewerb, um den Spielbetrieb auch auf lange Sicht fortzusetzen. Es geht mehr darum, die Liga zu erhalten und nicht darum, wie lange Hertha BSC durchhalten kann.

Jetzt hat eine Diskussion um die Liga begonnen, an der sich sogar DFL-Geschäftsführer Seifert beteiligt. Da geht es um Spielergehälter, Ablösesummen und Berater, die Millionen kassieren. Wird sich nach der Corona-Krise daran noch jemand erinnern wollen oder finden Sie, dass diese Diskussion in absehbarer Zeit geführt werden muss?

Ich glaube, dass die auf jeden Fall geführt werden muss. Wir haben Exzesse erlebt, vor allem im Ausland, aber auch in der Bundesliga. Die Schraube hat sich immer schneller und immer weiter gedreht und daran haben wir alle unseren Anteil. Jetzt können wir aber auch Bestandteil und treibende Kraft einer Veränderung werden. Ich glaube, dass die Werte, für die der Fußball und der Sport allgemein stehen, Bestand haben. Wenn wir diese nach vorne stellen und den Menschen wieder mehr Erlebbarkeit und Nähe vermitteln, haben wir eine große Chance, aus dieser Krise noch etwas Positives mitzunehmen. Aber im Moment gilt es erstmal, die Situation zu überstehen, hoffentlich mit den richtigen Entscheidungen, die der Bundesliga dann auch weiterhelfen. Dann haben wir auch die Zeit und die Möglichkeit, diese grundlegenden Fragen anzugehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Thomas Kroh, rbb Sport. Es handelt sich um eine leicht gekürzte und redigierte Version.

Sendung: Inforadio, 03.05.2020, 14:28 Uhr

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