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Audio: Antenne Brandenburg | 30.10.2020 | Interview mit Frank Hufert | Quelle: dpa/Sebastian Gollnow

Interview | Virologe über Lockdown

"Härtere Gangart wäre sinnvoll"

Einen Monat lang soll das öffentliche Leben weitgehend heruntergefahren werden. Gegen neue Einschränkungen im Sport oder für Gaststätten regt sich Protest. Im Interview bewertet der Virologe Frank Hufert von der BTU Cottbus-Senftenberg die Maßnahmen.

rbb: Herr Hufert, macht der neue Lockdown aus ihrer Sicht Sinn?

Frank Hufert: Wir haben eine exponentiell ansteigende Fallzahl in großen Teilen der Bundesrepublik. Das bedeutet auch, dass die Gesundheitsämter zum großen Teil nicht mehr nachkommen. Sie können die lokalen Ausbrüche nicht mehr nachverfolgen, um das Ausbruchsgeschehen zu evaluieren und in den Griff zu bekommen. Da gibt es kaum noch eine andere Möglichkeit, als dass man versucht, mit den Maßnahmen das Ausbruchsgeschehen herunterzuregeln.

Es liegt allerdings vor allen Dingen an den Leuten. Die Menschen müssen mitmachen. Wir können noch so viele Verbote machen: Wenn die Leute sich nicht daran halten und man das dann auch nicht überprüft, dann werden wir nicht so ein gutes Ergebnis erzielen. Deshalb gilt für jedermann: Minimieren sie ihre Kontakte, auch in ihrer Familie. Machen sie möglichst Homeoffice, tragen sie eine Schutzmaske, halten sie Abstand. Sehen sie zu, dass die Räume, in denen sie sich aufhalten, gut gelüftet sind. Das ist die einzige Möglichkeit, die uns bleibt.

Hintergrund

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Wie haben in den Schulen Gott sei Dank noch keine Ausbrüche. Aber das muss nicht so bleiben. Es ist aus meiner Sicht zwingend erforderlich, dass bundesweit die Kinder auch im Unterricht eine Maske tragen. Wir wissen aus vielen internationalen hochkarätig publizierten Studien, dass sie ein guter Schutz sind. Wenn alle eine tragen, vor allen Dingen diejenigen, die jetzt unwissentlich das Virus ausscheiden, dann kann man damit viel Gutes tun. Das zeigen die Daten aus Japan, die haben nicht wie wir einen exponentiellen Anstieg. Das sollten sich alle zum Beispiel nehmen, damit wir die Pandemie in die Schranken weisen, bis wir einen vernünftigen Impfstoff haben. Das kann auch noch ein Dreivierteljahr dauern.

Zur Person

Frank Hufert ist Arzt, Mitglied der Fakultät für Naturwissenschaften an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) und zugleich Direktor des Instituts für Mikrobiologie & Virologie der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane. Zudem ist er Mitglied in der Gesellschaft für Virologie und in der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie.

Im Umgang mit dem Coronavirus scheiden sich die Geister. Die Meinungen bewegen sich zwischen zu hart und zu lasch. Wie reagieren sie darauf?

Das ist eine biologische Schadenslage, würde man bei der Bundeswehr sagen. Wir haben also ein Naturphänomen. Man kann nichts dafür, hat aber trotzdem den Schaden. Natürlich würde man mit einem härteren Vorgehen mehr erreichen. Aber wir haben auch eine Wirtschaft. Es bringt nichts, wenn wir die komplett kaputtmachen. Da muss es eine Waagschale geben, die das ausbalanciert. Deshalb sind auch lokale Lösungen für bestimmte Branchen nötig.

Also: Härtere Gangart wäre biologisch sicher richtig, aber auch jeder von uns ist gefragt. Wer einen einfachen Erkältungsinfekt hat und sich nicht sicher ist, denn Corona kann auch asymptomatisch verlaufen kann, dem rate ich: Bleib doch einfach zu Hause! Auch diejenigen, die in der Familie Kontakt hatten, sollten das für zehn Tage machen. Das wäre einen Versuch wert und würde vielleicht auch viele Branchen etwas entlasten.

Aber noch weniger machen, würde bedeuten, dass wir die Fallzahlen nach oben schrauben, unser Gesundheitssystem über die Grenzen des Machbaren bringen. Wir haben noch genügend Beatmungsbetten, aber wir haben nicht genügend Personal. Es nützt ihnen das beste Flugzeug auf dem Flugfeld nichts, wenn sie keinen Piloten haben, der es fliegen kann. In diese Situation dürfen wir für die Gesundheitsversorgung nicht kommen. Deshalb habe ich kein Verständnis dafür, dass man weniger macht. Natürlich muss man alte und chronisch kranke Menschen mehr schützen.

Zahlen

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In 14 Tagen dann die Nagelprobe - dann wollen sich die Experten die Zahlen anschauen. Es wäre sicher schon ein Erfolg, wenn sie stagnieren würden. Es wäre noch ein größerer Erfolg, wenn sie schon wieder leicht nach unten gehen würden. Was aber, wenn diese beiden Dinge nicht eintreten werden?

Dann muss man das noch einmal verlängern. Wir müssen auch immer beachten, dass die Zahlen jetzt den Stand von vor zwei Wochen widerspiegeln. Das bedeutet im Klartext, wir wissen noch nicht, wie der Anstieg jetzt ist. Ich denke, man wird dann noch einmal um ein oder zwei Wochen verlängern und dann noch einmal schauen. Wenn das auch nichts bringt und wenn vor allem die Menschen nicht mitmachen und sich nicht an die Standardregeln halten, dann wird es schwer werden. Dann werden wir die Pandemie nicht sehr erfolgreich kontrollieren können.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mit Frank Hufert sprach Thomas Krüger, Antenne Brandenburg.

Dieser Artikel ist eine redigierte Version. Das Originalinterview können Sie mit Klick auf das Audiosymbol im Aufmacherfoto des Artikels nachhören.

 

 

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