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Audio: Antenne Brandenburg | 21.01.2021 | Inez Lang | Collage: rbb|24 | Quelle: dpa

Interview | Internet-Auslastung während Corona-Pandemie

"Der Internet-Verkehr hat sich drastisch geändert"

Wir sitzen im Home-Office, die Kinder im Home-Schooling, während andere Serien streamen. Die Pandemie ist ein Stresstest für das Internet. Was hält das Netz aus? Ein Forscher-Team um Oliver Hohlfeld von der BTU Cottbus-Senftenberg kommt zu beruhigenden Ergebnissen.

rbb: Herr Hohlfeld, Sie haben zusammen mit Kollegen in ganz Deutschland während des ersten Lockdowns untersucht, welche Belastung viel Tele-Arbeit, viel Home-Schooling mit sich bringt. Wie sehr belastet so ein Lockdown unser Internet?

Oliver Hohlfeld: Die Pandemie ist ja für uns alle etwas Neues, auch für das Internet. Wir haben gesehen, dass etwas Einzigartiges passiert ist. Der Internet-Verkehr hat sich drastisch geändert. Wir haben jetzt in der Spitze 20 bis 30 Prozent mehr Datenverkehr. Das ist beachtlich, weil das ungefähr die Steigerung ist, von der Provider pro Jahr ausgehen. Das hatten wir jetzt innerhalb weniger Tage im ersten Lockdown. Das Internet hat das exzellent mitgemacht.

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Wir sehen also, es ist eine sehr flexible Infrastruktur. Wir haben große Fortschritte in der Technologisierung, also im Schalten von neuen Kapazitäten. Das verdanken wir der vielen Forschung ins Internet und dem hohen technischen Fortschritt bei den Providern. Wir haben aber auch gesehen, dass wir das Internet komplett anders nutzen. Wir haben jetzt die ganze Heimarbeit, wir sitzen jetzt mehr in Video-Konferenzen, schreiben mehr E-Mails von zu Hause.

Wenn man sich den Tagesverlauf anschaut: Wie genau hat sich der Datenverkehr verändert?

Wir haben festgestellt, dass der Datenverkehr im Internet während des Lockdowns aussieht wie am Wochenende. Das heißt: Während des Lockdowns ist jeder Tag Wochenende. Üblicherweise, wenn nicht Corona ist, haben wir die Lastspitze so gegen 20 Uhr abends, also dann, wenn alle Netflix schauen. Durch die Heimarbeit hat sich das Ganze mehr über den Tag verteilt.

Das heißt, auch die Lastspitzen sind stärker verteilt. Das ist auch ein Grund dafür, warum das Internet diesen Lockdown so gut weggesteckt hat. Wir nutzen das Internet zwar mehr, aber stärker über den Tag verteilt.

Zur Studie

dl.acm.org

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Hinter der Studie steckt ein internationales Forscherteam. Zu diesem gehören Experten der BTU Cottbus-Senftenberg, des IMDEA Networks Instituts in Madrid, des Max-Planck-Instituts für Informatik, der BENOCS GmbH, des weltweit größten Internetknotenpunkts DE-CIX und der Universidad Carlos III de Madrid. Untersucht wurde die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Internet in mehreren Ländern.

Bisher lief der Stresstest für das Internet also gut. Aber welche Kapazitäts-Reserven hat es noch? Würde es bei weiteren Lockdowns noch einmal solche Zuwachsraten verkraften?

Das Internet hat große Reserven. Das sind einmal die 20 bis 30 Prozent Verkehrswachstum, mit denen Provider pro Jahr rechnen. Wir haben im ersten Lockdown aber auch gesehen, dass schnell neue Kapazitäten geschaltet werden mussten. Durch den technologischen Fortschritt ging das auch innerhalb kürzester Zeit. Wir haben in Frankfurt am Main zum Beispiel den weltgrößten Internet-Knotenpunkt. Da arbeiten Roboter, die man nicht ins Home-Office schicken kann. Die können immer arbeiten und neue Kapazitäten schalten.

Es war den Betreibern möglich, innerhalb kürzester Zeit neue Leitungskapazitäten zu schaffen, das heißt, neue Datenautobahnen zwischen den Netzen anzuschließen und so den Mehrbedarf an Kapazität einfach abzudecken. Ich sehe auch gar keine Probleme für den aktuellen zweiten Lockdown.

Auch nicht, wenn jetzt Forderungen nach mehr Home-Office gestellt werden?

Nein. Die Flexibilität ist da. Das Internet verbringt hier wirklich Wundervolles. Wir sollten es allerdings nicht als gegeben hinnehmen. Wir brauchen immer neue Forschung, um den technologischen Fortschritt weiterzubringen, so dass solche Sachen einfach funktionieren.

Dann müssen bei den Benutzern zu Hause nur noch die Anwendungen funktionieren...

Wir sehen natürlich auch die vielen punktuellen Probleme, von denen jeder bestimmt ein eigenes Lied singen kann: Dass das WLAN zu Hause nicht funktioniert, dass das WLAN überlastet ist, wenn plötzlich viele Leute im Home-Office arbeiten, dass der DSL-Breitbandausbau Lücken hat. Das sind Dinge, die sind erst mal von Corona unabhängig. Das sind lokale, punktuelle Probleme, von denen es viele gibt. Die werden auch im zweiten Lockdown sicherlich weiter bestehen.

Zur Person

Oliver Hohlfeld ist an der BTU Cottbus-Senftenberg Inhaber des Lehrstuhls "Rechnernetze und Kommunikationssysteme".

Das Internet als Gesamt-Infrastruktur funktioniert natürlich prima. Da müssen wir uns auch für Brandenburg keine Sorgen machen. Das heißt, wenn man zu Hause einen DSL-Anschluss mit genügend Bandbreite zur Verfügung hat, dann wird er auch im zweiten Lockdown funktionieren - auch, wenn jetzt mehr Forderungen an die Erweiterung der Home-Office-Regelung gestellt werden.

Ist eine weitere Studie geplant oder schon in Arbeit?

Wir sind gerade dabei, uns den zweiten Lockdown anzuschauen. Natürlich brauchen wir als Wissenschaftler immer etwas Vorlaufzeit. Das heißt, wir müssen erst mal beobachten, um uns wirklich sicher zu sein, dass die Effekte, die wir sehen, auch statistisch relevant sind. In ein paar Wochen oder Monaten können wir dann sicherlich auch über eine neuere Studie reden.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Sascha Erler für Antenne Brandenburg. Der Text ist eine redigierte Fassung.

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